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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Linden

Soll Emden einmal als Flottenstützpunkt in Betracht kommen, so ist es
auch erwünscht, daß sich dort alle die Einrichtungen und Anstalten vorfinden,
die für die Unterhaltung, Ausrüstung und Wiederherstellung von Kriegsschiffen
erforderlich sind, ohne daß es dazu erst besonderer großer staatlicher Anlagen bedarf.
Je mehr der Hafen von Emden vergrößert, der Verkehr lebhafter wird, und auch die
Industrie sich dort festsetzt, in desto steigenderem Maße eignet sich der Ort für
einen Flottenstützpunkt. Er bietet dann von selbst alles, was die Flotte zur
Ergänzung und zur Wiederherstellung bedarf; und wenn auch zunächst die
großen Linienschiffe und Panzerkreuzer nicht in Betracht kommen, so doch jedenfalls
die kleinen Kreuzer, die Torpedo- und Unterseeboote.

Es ist neuerdings die Rede davon gewesen, daß die Hamburger und Bremer
Gesellschaften, um den Anforderungen von Emden zu entsprechen, deren
Berechtigung sich nicht widerlegen und abstreiten läßt, ihre großen Linien ab¬
wechselnd in gewissen Zwischenräumen in Emden anlegen lassen, und auch für
den Transport der Auswanderer dort die notwendigen Anstalten treffen wollen.
Dies bedeutet gewiß schon einen Fortschritt gegenüber dem jetzigen Zustande,
genügt aber noch nicht. Diese Gesellschaften werden ihre Emdener Filialen
immer nur als etwas Nebensächliches betrachten, die sie notgedrungen errichten
mußten, um fremde Unternehmungen auszuschließen. Ihre Haupttätigkeit werden
sie aber nach wie vor der Entwicklung des Hamburger und Bremer Verkehrs
widmen. Sie haben auch schließlich gar kein so großes Interesse daran, den
Verkehr von Holland abzulenken und die Auswanderer usw. den holländischen
Schiffahrtslinien zu entziehen, da ein großer Teil des Kapitals der dortigen
Gesellschaften sich in den Händen der Hamburger Gesellschaften befindet. Machen
die holländischen Linien gute Geschäfte, so kommt dies dann teilweise wieder
den Gesellschaften in den Hansestädten zugute. Eine selbständige Linie, die in
Emden ihren Sitz hat und lediglich den Verkehr über Emden betreibt, ist aber
durch keinerlei andere Rücksichten gebunden, und kann sich mit aller Kraft und
mit allen Mitteln ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. Es ist daher begreiflich,
daß die Stadt Emden nur auf eine selbständige Gesellschaft Wert legt.

Schiffe, die Emden nur anlaufen, aber in anderen Häfen heimatsberechtigt
sind, werden naturgemäß alle Reparaturen und Ausrüstungsarbeiten in den ursprüng¬
lichen Liegehäfen vornehmen. Dort befinden sich infolgedessen auch die umfang¬
reichen Reparaturwerkstätten, Kohlenniederlagen, Magazine, deren jede Schiffs¬
linie bedarf. Dort wird auch der Proviant an Bord genommen, die Ausrüstung
im weitesten Sinne besorgt. Dort wohnen die Direktoren, die vielen An¬
gestellten usw. Auch bei Vergebung von Neubauten werden die örtlichen Werften
und Bauanstalten bevorzugt. Die Gründung einer Schiffahrtsgesellschaft, die
Errichtung neuer Linien zieht die weitesten wirtschaftlichen Folgen nach sich.
Sie belebt nicht nur den eigentlichen Schiffsverkehr und erstreckt sich nicht nur
auf den engen Bezirk des Hafens, sondern befruchtet den gesamten Handel und
Verkehr, zieht die Industrie an, hebt die Steuererträgnisse der Stadt und des


Linden

Soll Emden einmal als Flottenstützpunkt in Betracht kommen, so ist es
auch erwünscht, daß sich dort alle die Einrichtungen und Anstalten vorfinden,
die für die Unterhaltung, Ausrüstung und Wiederherstellung von Kriegsschiffen
erforderlich sind, ohne daß es dazu erst besonderer großer staatlicher Anlagen bedarf.
Je mehr der Hafen von Emden vergrößert, der Verkehr lebhafter wird, und auch die
Industrie sich dort festsetzt, in desto steigenderem Maße eignet sich der Ort für
einen Flottenstützpunkt. Er bietet dann von selbst alles, was die Flotte zur
Ergänzung und zur Wiederherstellung bedarf; und wenn auch zunächst die
großen Linienschiffe und Panzerkreuzer nicht in Betracht kommen, so doch jedenfalls
die kleinen Kreuzer, die Torpedo- und Unterseeboote.

Es ist neuerdings die Rede davon gewesen, daß die Hamburger und Bremer
Gesellschaften, um den Anforderungen von Emden zu entsprechen, deren
Berechtigung sich nicht widerlegen und abstreiten läßt, ihre großen Linien ab¬
wechselnd in gewissen Zwischenräumen in Emden anlegen lassen, und auch für
den Transport der Auswanderer dort die notwendigen Anstalten treffen wollen.
Dies bedeutet gewiß schon einen Fortschritt gegenüber dem jetzigen Zustande,
genügt aber noch nicht. Diese Gesellschaften werden ihre Emdener Filialen
immer nur als etwas Nebensächliches betrachten, die sie notgedrungen errichten
mußten, um fremde Unternehmungen auszuschließen. Ihre Haupttätigkeit werden
sie aber nach wie vor der Entwicklung des Hamburger und Bremer Verkehrs
widmen. Sie haben auch schließlich gar kein so großes Interesse daran, den
Verkehr von Holland abzulenken und die Auswanderer usw. den holländischen
Schiffahrtslinien zu entziehen, da ein großer Teil des Kapitals der dortigen
Gesellschaften sich in den Händen der Hamburger Gesellschaften befindet. Machen
die holländischen Linien gute Geschäfte, so kommt dies dann teilweise wieder
den Gesellschaften in den Hansestädten zugute. Eine selbständige Linie, die in
Emden ihren Sitz hat und lediglich den Verkehr über Emden betreibt, ist aber
durch keinerlei andere Rücksichten gebunden, und kann sich mit aller Kraft und
mit allen Mitteln ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. Es ist daher begreiflich,
daß die Stadt Emden nur auf eine selbständige Gesellschaft Wert legt.

Schiffe, die Emden nur anlaufen, aber in anderen Häfen heimatsberechtigt
sind, werden naturgemäß alle Reparaturen und Ausrüstungsarbeiten in den ursprüng¬
lichen Liegehäfen vornehmen. Dort befinden sich infolgedessen auch die umfang¬
reichen Reparaturwerkstätten, Kohlenniederlagen, Magazine, deren jede Schiffs¬
linie bedarf. Dort wird auch der Proviant an Bord genommen, die Ausrüstung
im weitesten Sinne besorgt. Dort wohnen die Direktoren, die vielen An¬
gestellten usw. Auch bei Vergebung von Neubauten werden die örtlichen Werften
und Bauanstalten bevorzugt. Die Gründung einer Schiffahrtsgesellschaft, die
Errichtung neuer Linien zieht die weitesten wirtschaftlichen Folgen nach sich.
Sie belebt nicht nur den eigentlichen Schiffsverkehr und erstreckt sich nicht nur
auf den engen Bezirk des Hafens, sondern befruchtet den gesamten Handel und
Verkehr, zieht die Industrie an, hebt die Steuererträgnisse der Stadt und des


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[0375] Linden Soll Emden einmal als Flottenstützpunkt in Betracht kommen, so ist es auch erwünscht, daß sich dort alle die Einrichtungen und Anstalten vorfinden, die für die Unterhaltung, Ausrüstung und Wiederherstellung von Kriegsschiffen erforderlich sind, ohne daß es dazu erst besonderer großer staatlicher Anlagen bedarf. Je mehr der Hafen von Emden vergrößert, der Verkehr lebhafter wird, und auch die Industrie sich dort festsetzt, in desto steigenderem Maße eignet sich der Ort für einen Flottenstützpunkt. Er bietet dann von selbst alles, was die Flotte zur Ergänzung und zur Wiederherstellung bedarf; und wenn auch zunächst die großen Linienschiffe und Panzerkreuzer nicht in Betracht kommen, so doch jedenfalls die kleinen Kreuzer, die Torpedo- und Unterseeboote. Es ist neuerdings die Rede davon gewesen, daß die Hamburger und Bremer Gesellschaften, um den Anforderungen von Emden zu entsprechen, deren Berechtigung sich nicht widerlegen und abstreiten läßt, ihre großen Linien ab¬ wechselnd in gewissen Zwischenräumen in Emden anlegen lassen, und auch für den Transport der Auswanderer dort die notwendigen Anstalten treffen wollen. Dies bedeutet gewiß schon einen Fortschritt gegenüber dem jetzigen Zustande, genügt aber noch nicht. Diese Gesellschaften werden ihre Emdener Filialen immer nur als etwas Nebensächliches betrachten, die sie notgedrungen errichten mußten, um fremde Unternehmungen auszuschließen. Ihre Haupttätigkeit werden sie aber nach wie vor der Entwicklung des Hamburger und Bremer Verkehrs widmen. Sie haben auch schließlich gar kein so großes Interesse daran, den Verkehr von Holland abzulenken und die Auswanderer usw. den holländischen Schiffahrtslinien zu entziehen, da ein großer Teil des Kapitals der dortigen Gesellschaften sich in den Händen der Hamburger Gesellschaften befindet. Machen die holländischen Linien gute Geschäfte, so kommt dies dann teilweise wieder den Gesellschaften in den Hansestädten zugute. Eine selbständige Linie, die in Emden ihren Sitz hat und lediglich den Verkehr über Emden betreibt, ist aber durch keinerlei andere Rücksichten gebunden, und kann sich mit aller Kraft und mit allen Mitteln ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. Es ist daher begreiflich, daß die Stadt Emden nur auf eine selbständige Gesellschaft Wert legt. Schiffe, die Emden nur anlaufen, aber in anderen Häfen heimatsberechtigt sind, werden naturgemäß alle Reparaturen und Ausrüstungsarbeiten in den ursprüng¬ lichen Liegehäfen vornehmen. Dort befinden sich infolgedessen auch die umfang¬ reichen Reparaturwerkstätten, Kohlenniederlagen, Magazine, deren jede Schiffs¬ linie bedarf. Dort wird auch der Proviant an Bord genommen, die Ausrüstung im weitesten Sinne besorgt. Dort wohnen die Direktoren, die vielen An¬ gestellten usw. Auch bei Vergebung von Neubauten werden die örtlichen Werften und Bauanstalten bevorzugt. Die Gründung einer Schiffahrtsgesellschaft, die Errichtung neuer Linien zieht die weitesten wirtschaftlichen Folgen nach sich. Sie belebt nicht nur den eigentlichen Schiffsverkehr und erstreckt sich nicht nur auf den engen Bezirk des Hafens, sondern befruchtet den gesamten Handel und Verkehr, zieht die Industrie an, hebt die Steuererträgnisse der Stadt und des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/375>, abgerufen am 03.07.2024.