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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Auch militärische Gründe sprechen dafür. Je mehr die deutsche Kriegs¬
flotte anwächst, desto größer wird die Notwendigkeit, für sie vermehrte Stütz¬
punkte zu schaffen. Dies tritt um so mehr in die Erscheinung, als bei der
jetzigen politischen Lage die Ostsee als Kriegsschauplatz beinahe ganz ausfällt.
Es ist aber richtig und wichtig, seine Streitkräfte bereits im Frieden dort zu
vereinigen und zu stationieren, wo sie im Ernstfall gebraucht werden sollen.
Zwar bietet der Kaiser-Wilhelm-Kanal die Möglichkeit, die in Kiel befindlichen
Flottenteile nach der Elbmündung heranzuziehen, ohne daß der Feind dies zu
verhindern vermag. Aber der Betrieb auf dem Kanal ist mancherlei Zufällig¬
keiten ausgesetzt und das Durchfahren erfordert immer eine gewisse Zeit.
Störungen im Betriebe sind schon im Laufe der letzten Jahre gelegentlich vor¬
gekommen, sie können sich im Kriege noch öfter ereignen, wo man mit feind¬
lichen Unternehmungen rechnen muß. Diese brauchen nicht immer in dem Vor¬
gehen stärkerer, gelandeter feindlicher Truppenabteilungen zu bestehen, denen
man rechtzeitig entgegentreten könnte, sondern in dem Vorgehen einzelner Per¬
sonen, die sich unter allerlei Formen zu Wasser und zu Lande dem Kanal
nähern können. Mag der Kanal auch noch so gut bewacht und geschützt werden,
so muß doch immer mit der Möglichkeit einer längeren Betriebsstörung gerechnet
werden. Tritt diese aber ein, so sind die in der Ostsee befindlichen Flottenteile so
gut wie abgeschnitten, und zur Untätigkeit verdammt. Es wird keine Aussicht
bestehen, daß sie angesichts der überlegenen feindlichen Flotte um Jütland herum
die Vereinigung mit den in der Nordsee befindlichen Teilen ausführen können.
Wilhelmshaven allein genügt aber nicht als Flottenstützpunkt. Es ist nicht vor¬
teilhaft, alle seine Kräfte auf einem einzigen Puukt zu vereinigen. Eine gewisse
Verteilung der Kräfte ist vorzuziehen. Auch im Interesse der ganzen Küsten¬
verteidigung und der Verhinderung einer feindlichen Blockade ist es geboten,
neben dem großen Kriegshafen noch weitere, kleinere Stützpunkte zu besitzen,
von denen ans namentlich der kleine Krieg geführt werden kann. Hierfür
eignet sich nun Emden in vorzüglicher Weise. Der rechte Flügel der deutschen
Nordseestellung, die Elbmündung, ist durch die Befestigungsanlagen bei Kuxhaven
und Brunsbüttel gesichert. In der Mitte liegt Wilhelmshaven. Der linke
Flügel entbehrt noch eines solchen Schutzes, den ein Flottenstützpunkt bei Emden
in Zukunft gewähren würde. Er erhält eine besondere Bedeutung durch die vor¬
gelagerte Insel Borkum, auf der bereits Befestigungen errichtet sind und die eine
ständige Friedensgarnison erhalten hat. Dadurch ist auch Emden selbst bereits
gesichert, da es einer feindlichen Flotte unmöglich geworden ist, ohne weiteres
in die Emsmündung einzulaufen. Im Anschluß an das befestigte Borkum wird
sich eine energische und wirkungsvolle Durchführung des kleinen Krieges ermög¬
lichen lassen. Gerade die schwierigen Schiffahrtsverhältnisse der Nordsee mit
ihrem engen, häufig wechselnden Fahrwasser bieten hierzu die beste Gelegenheit.
Sie erschweren dem Gegner die Durchführung der Blockade, können sie sogar
unmöglich machen.


Linden

Auch militärische Gründe sprechen dafür. Je mehr die deutsche Kriegs¬
flotte anwächst, desto größer wird die Notwendigkeit, für sie vermehrte Stütz¬
punkte zu schaffen. Dies tritt um so mehr in die Erscheinung, als bei der
jetzigen politischen Lage die Ostsee als Kriegsschauplatz beinahe ganz ausfällt.
Es ist aber richtig und wichtig, seine Streitkräfte bereits im Frieden dort zu
vereinigen und zu stationieren, wo sie im Ernstfall gebraucht werden sollen.
Zwar bietet der Kaiser-Wilhelm-Kanal die Möglichkeit, die in Kiel befindlichen
Flottenteile nach der Elbmündung heranzuziehen, ohne daß der Feind dies zu
verhindern vermag. Aber der Betrieb auf dem Kanal ist mancherlei Zufällig¬
keiten ausgesetzt und das Durchfahren erfordert immer eine gewisse Zeit.
Störungen im Betriebe sind schon im Laufe der letzten Jahre gelegentlich vor¬
gekommen, sie können sich im Kriege noch öfter ereignen, wo man mit feind¬
lichen Unternehmungen rechnen muß. Diese brauchen nicht immer in dem Vor¬
gehen stärkerer, gelandeter feindlicher Truppenabteilungen zu bestehen, denen
man rechtzeitig entgegentreten könnte, sondern in dem Vorgehen einzelner Per¬
sonen, die sich unter allerlei Formen zu Wasser und zu Lande dem Kanal
nähern können. Mag der Kanal auch noch so gut bewacht und geschützt werden,
so muß doch immer mit der Möglichkeit einer längeren Betriebsstörung gerechnet
werden. Tritt diese aber ein, so sind die in der Ostsee befindlichen Flottenteile so
gut wie abgeschnitten, und zur Untätigkeit verdammt. Es wird keine Aussicht
bestehen, daß sie angesichts der überlegenen feindlichen Flotte um Jütland herum
die Vereinigung mit den in der Nordsee befindlichen Teilen ausführen können.
Wilhelmshaven allein genügt aber nicht als Flottenstützpunkt. Es ist nicht vor¬
teilhaft, alle seine Kräfte auf einem einzigen Puukt zu vereinigen. Eine gewisse
Verteilung der Kräfte ist vorzuziehen. Auch im Interesse der ganzen Küsten¬
verteidigung und der Verhinderung einer feindlichen Blockade ist es geboten,
neben dem großen Kriegshafen noch weitere, kleinere Stützpunkte zu besitzen,
von denen ans namentlich der kleine Krieg geführt werden kann. Hierfür
eignet sich nun Emden in vorzüglicher Weise. Der rechte Flügel der deutschen
Nordseestellung, die Elbmündung, ist durch die Befestigungsanlagen bei Kuxhaven
und Brunsbüttel gesichert. In der Mitte liegt Wilhelmshaven. Der linke
Flügel entbehrt noch eines solchen Schutzes, den ein Flottenstützpunkt bei Emden
in Zukunft gewähren würde. Er erhält eine besondere Bedeutung durch die vor¬
gelagerte Insel Borkum, auf der bereits Befestigungen errichtet sind und die eine
ständige Friedensgarnison erhalten hat. Dadurch ist auch Emden selbst bereits
gesichert, da es einer feindlichen Flotte unmöglich geworden ist, ohne weiteres
in die Emsmündung einzulaufen. Im Anschluß an das befestigte Borkum wird
sich eine energische und wirkungsvolle Durchführung des kleinen Krieges ermög¬
lichen lassen. Gerade die schwierigen Schiffahrtsverhältnisse der Nordsee mit
ihrem engen, häufig wechselnden Fahrwasser bieten hierzu die beste Gelegenheit.
Sie erschweren dem Gegner die Durchführung der Blockade, können sie sogar
unmöglich machen.


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[0374] Linden Auch militärische Gründe sprechen dafür. Je mehr die deutsche Kriegs¬ flotte anwächst, desto größer wird die Notwendigkeit, für sie vermehrte Stütz¬ punkte zu schaffen. Dies tritt um so mehr in die Erscheinung, als bei der jetzigen politischen Lage die Ostsee als Kriegsschauplatz beinahe ganz ausfällt. Es ist aber richtig und wichtig, seine Streitkräfte bereits im Frieden dort zu vereinigen und zu stationieren, wo sie im Ernstfall gebraucht werden sollen. Zwar bietet der Kaiser-Wilhelm-Kanal die Möglichkeit, die in Kiel befindlichen Flottenteile nach der Elbmündung heranzuziehen, ohne daß der Feind dies zu verhindern vermag. Aber der Betrieb auf dem Kanal ist mancherlei Zufällig¬ keiten ausgesetzt und das Durchfahren erfordert immer eine gewisse Zeit. Störungen im Betriebe sind schon im Laufe der letzten Jahre gelegentlich vor¬ gekommen, sie können sich im Kriege noch öfter ereignen, wo man mit feind¬ lichen Unternehmungen rechnen muß. Diese brauchen nicht immer in dem Vor¬ gehen stärkerer, gelandeter feindlicher Truppenabteilungen zu bestehen, denen man rechtzeitig entgegentreten könnte, sondern in dem Vorgehen einzelner Per¬ sonen, die sich unter allerlei Formen zu Wasser und zu Lande dem Kanal nähern können. Mag der Kanal auch noch so gut bewacht und geschützt werden, so muß doch immer mit der Möglichkeit einer längeren Betriebsstörung gerechnet werden. Tritt diese aber ein, so sind die in der Ostsee befindlichen Flottenteile so gut wie abgeschnitten, und zur Untätigkeit verdammt. Es wird keine Aussicht bestehen, daß sie angesichts der überlegenen feindlichen Flotte um Jütland herum die Vereinigung mit den in der Nordsee befindlichen Teilen ausführen können. Wilhelmshaven allein genügt aber nicht als Flottenstützpunkt. Es ist nicht vor¬ teilhaft, alle seine Kräfte auf einem einzigen Puukt zu vereinigen. Eine gewisse Verteilung der Kräfte ist vorzuziehen. Auch im Interesse der ganzen Küsten¬ verteidigung und der Verhinderung einer feindlichen Blockade ist es geboten, neben dem großen Kriegshafen noch weitere, kleinere Stützpunkte zu besitzen, von denen ans namentlich der kleine Krieg geführt werden kann. Hierfür eignet sich nun Emden in vorzüglicher Weise. Der rechte Flügel der deutschen Nordseestellung, die Elbmündung, ist durch die Befestigungsanlagen bei Kuxhaven und Brunsbüttel gesichert. In der Mitte liegt Wilhelmshaven. Der linke Flügel entbehrt noch eines solchen Schutzes, den ein Flottenstützpunkt bei Emden in Zukunft gewähren würde. Er erhält eine besondere Bedeutung durch die vor¬ gelagerte Insel Borkum, auf der bereits Befestigungen errichtet sind und die eine ständige Friedensgarnison erhalten hat. Dadurch ist auch Emden selbst bereits gesichert, da es einer feindlichen Flotte unmöglich geworden ist, ohne weiteres in die Emsmündung einzulaufen. Im Anschluß an das befestigte Borkum wird sich eine energische und wirkungsvolle Durchführung des kleinen Krieges ermög¬ lichen lassen. Gerade die schwierigen Schiffahrtsverhältnisse der Nordsee mit ihrem engen, häufig wechselnden Fahrwasser bieten hierzu die beste Gelegenheit. Sie erschweren dem Gegner die Durchführung der Blockade, können sie sogar unmöglich machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/374>, abgerufen am 23.07.2024.