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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Der Iviesenzcmn

in all diesen schlagbereiten Männern die eiserne Absicht hervor;' "dem Papste
Urlaub zu geben für alle Zeit." >

Der Herr des Festes aber, Herr Willibald Pirkheinier, saß stolz und froh
an der Spitze dieser wohlerlesenen Gesellschaft gelehrter und berühmter Freunde
und fühlte den Atem einer neuen gewaltigen Zeit über all diesen Häuptern
wehen. Er ahnte nicht, daß in nicht allzuferner Zeit des Papstes Bannfluch
ihn gar hart und unnachsichtlich treffen und in tiefe Bestürzung und Seelennot
versetzen werde. Noch weniger aber konnte er ahnen, daß er selbst einst der freudig
begrüßten neuen Lehre und all diesen streitbaren Männern entmutigt den Rücken
kehren und sich reumütig zur alten Kirche zurückbekennen werde, in Ängsten vor
"barbarischer Zerstörung aller tieferen Wissenschaft und Geistesbildung".

Der Meister aber mit den forschenden Blicken und dem wehmütig gütigen
Lächeln um den schönen Mund, Herr Albrecht Dürer, lauschte den streitbaren
Reden in Andacht und tiefbesinnlicher Freude an allem Lebendigen.

Ihn freute nicht minder als die rauschende Fahrt auf neuen Gotteswegen,
das herbstlich gerodete Laub des wilden Weines, das die grünlich schimmernden
Glaspoknle umrankte, das buntgehäufte lachende Obst auf den zinnernen Schüsseln,
das spiegelnde Lichtergehusch auf den silbernen Tellern und Krüger.

Die Fenster standen hoch der blauen Nacht geöffnet, und über die schlafenden
Dächer des Marktes siedelte der Mond vorüber, blank und kühl.

Die anderen Gäste waren alle längst geschieden, als Dürer in der tiefen
Nacht noch immer an der Seite des Freundes saß. Es war so der beiden
Gepflogenheit nach dem Trubel solcher festlicher Gelage: noch ein letztes gutes
Wort zum letzten Glase zu sprechen.

Dürer mußte vom Kaiser erzählen, wie er ihn "in seinem kleinen Stühle
hoch oben auf der Pfalz" mit Kohle kunterfent, in fiebernder Eile und doch mit
gutem Glück. Der Kaiser habe sich nur schwer zur Ruhe bequemt, und sein
ritterlich lachendes Auge sei wie auf Suche nach Arbeit gewesen inmitten dieses
Stündleins Untätigkeit. Und weiters erzählte er, er habe dem Kaiser eine Skizze
für den Triumphzug entwerfen müssen, und jener habe selbst die Kohle zur Hand
genommen, ihm zu zeigen wie er's meine. Doch sei die Kohle in des Kaisers
Fingern immer wieder abgebrochen, worauf ihn der Kaiser verwundert fragte,
wieso ihm dies nicht auch geschehe. "Da sagte ich: .Gnädigster Kaiser, ich
möchte nit, daß Euer Majestät geschickter zu zeichnen verstünden, denn ich!°"

Da hieb Herr Pirkheinier vor Freude auf den Tisch und lachte, daß die
Lichter zitterten:

"Ihr Leute von der Kunst dürft allzeit freier reden als ein Reichs¬
marschall!"

"Das macht," erwiderte Dürer, "weil wir allzeit zuguderletzt nur Gott
dem Herrn verpflichtet sind."

"Drum seid ihr auch ein hoffärtig Volk!" drohte Pirkheimer mit dem
Finger.


Der Iviesenzcmn

in all diesen schlagbereiten Männern die eiserne Absicht hervor;' „dem Papste
Urlaub zu geben für alle Zeit." >

Der Herr des Festes aber, Herr Willibald Pirkheinier, saß stolz und froh
an der Spitze dieser wohlerlesenen Gesellschaft gelehrter und berühmter Freunde
und fühlte den Atem einer neuen gewaltigen Zeit über all diesen Häuptern
wehen. Er ahnte nicht, daß in nicht allzuferner Zeit des Papstes Bannfluch
ihn gar hart und unnachsichtlich treffen und in tiefe Bestürzung und Seelennot
versetzen werde. Noch weniger aber konnte er ahnen, daß er selbst einst der freudig
begrüßten neuen Lehre und all diesen streitbaren Männern entmutigt den Rücken
kehren und sich reumütig zur alten Kirche zurückbekennen werde, in Ängsten vor
„barbarischer Zerstörung aller tieferen Wissenschaft und Geistesbildung".

Der Meister aber mit den forschenden Blicken und dem wehmütig gütigen
Lächeln um den schönen Mund, Herr Albrecht Dürer, lauschte den streitbaren
Reden in Andacht und tiefbesinnlicher Freude an allem Lebendigen.

Ihn freute nicht minder als die rauschende Fahrt auf neuen Gotteswegen,
das herbstlich gerodete Laub des wilden Weines, das die grünlich schimmernden
Glaspoknle umrankte, das buntgehäufte lachende Obst auf den zinnernen Schüsseln,
das spiegelnde Lichtergehusch auf den silbernen Tellern und Krüger.

Die Fenster standen hoch der blauen Nacht geöffnet, und über die schlafenden
Dächer des Marktes siedelte der Mond vorüber, blank und kühl.

Die anderen Gäste waren alle längst geschieden, als Dürer in der tiefen
Nacht noch immer an der Seite des Freundes saß. Es war so der beiden
Gepflogenheit nach dem Trubel solcher festlicher Gelage: noch ein letztes gutes
Wort zum letzten Glase zu sprechen.

Dürer mußte vom Kaiser erzählen, wie er ihn „in seinem kleinen Stühle
hoch oben auf der Pfalz" mit Kohle kunterfent, in fiebernder Eile und doch mit
gutem Glück. Der Kaiser habe sich nur schwer zur Ruhe bequemt, und sein
ritterlich lachendes Auge sei wie auf Suche nach Arbeit gewesen inmitten dieses
Stündleins Untätigkeit. Und weiters erzählte er, er habe dem Kaiser eine Skizze
für den Triumphzug entwerfen müssen, und jener habe selbst die Kohle zur Hand
genommen, ihm zu zeigen wie er's meine. Doch sei die Kohle in des Kaisers
Fingern immer wieder abgebrochen, worauf ihn der Kaiser verwundert fragte,
wieso ihm dies nicht auch geschehe. „Da sagte ich: .Gnädigster Kaiser, ich
möchte nit, daß Euer Majestät geschickter zu zeichnen verstünden, denn ich!°"

Da hieb Herr Pirkheinier vor Freude auf den Tisch und lachte, daß die
Lichter zitterten:

„Ihr Leute von der Kunst dürft allzeit freier reden als ein Reichs¬
marschall!"

„Das macht," erwiderte Dürer, „weil wir allzeit zuguderletzt nur Gott
dem Herrn verpflichtet sind."

„Drum seid ihr auch ein hoffärtig Volk!" drohte Pirkheimer mit dem
Finger.


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[0337] Der Iviesenzcmn in all diesen schlagbereiten Männern die eiserne Absicht hervor;' „dem Papste Urlaub zu geben für alle Zeit." > Der Herr des Festes aber, Herr Willibald Pirkheinier, saß stolz und froh an der Spitze dieser wohlerlesenen Gesellschaft gelehrter und berühmter Freunde und fühlte den Atem einer neuen gewaltigen Zeit über all diesen Häuptern wehen. Er ahnte nicht, daß in nicht allzuferner Zeit des Papstes Bannfluch ihn gar hart und unnachsichtlich treffen und in tiefe Bestürzung und Seelennot versetzen werde. Noch weniger aber konnte er ahnen, daß er selbst einst der freudig begrüßten neuen Lehre und all diesen streitbaren Männern entmutigt den Rücken kehren und sich reumütig zur alten Kirche zurückbekennen werde, in Ängsten vor „barbarischer Zerstörung aller tieferen Wissenschaft und Geistesbildung". Der Meister aber mit den forschenden Blicken und dem wehmütig gütigen Lächeln um den schönen Mund, Herr Albrecht Dürer, lauschte den streitbaren Reden in Andacht und tiefbesinnlicher Freude an allem Lebendigen. Ihn freute nicht minder als die rauschende Fahrt auf neuen Gotteswegen, das herbstlich gerodete Laub des wilden Weines, das die grünlich schimmernden Glaspoknle umrankte, das buntgehäufte lachende Obst auf den zinnernen Schüsseln, das spiegelnde Lichtergehusch auf den silbernen Tellern und Krüger. Die Fenster standen hoch der blauen Nacht geöffnet, und über die schlafenden Dächer des Marktes siedelte der Mond vorüber, blank und kühl. Die anderen Gäste waren alle längst geschieden, als Dürer in der tiefen Nacht noch immer an der Seite des Freundes saß. Es war so der beiden Gepflogenheit nach dem Trubel solcher festlicher Gelage: noch ein letztes gutes Wort zum letzten Glase zu sprechen. Dürer mußte vom Kaiser erzählen, wie er ihn „in seinem kleinen Stühle hoch oben auf der Pfalz" mit Kohle kunterfent, in fiebernder Eile und doch mit gutem Glück. Der Kaiser habe sich nur schwer zur Ruhe bequemt, und sein ritterlich lachendes Auge sei wie auf Suche nach Arbeit gewesen inmitten dieses Stündleins Untätigkeit. Und weiters erzählte er, er habe dem Kaiser eine Skizze für den Triumphzug entwerfen müssen, und jener habe selbst die Kohle zur Hand genommen, ihm zu zeigen wie er's meine. Doch sei die Kohle in des Kaisers Fingern immer wieder abgebrochen, worauf ihn der Kaiser verwundert fragte, wieso ihm dies nicht auch geschehe. „Da sagte ich: .Gnädigster Kaiser, ich möchte nit, daß Euer Majestät geschickter zu zeichnen verstünden, denn ich!°" Da hieb Herr Pirkheinier vor Freude auf den Tisch und lachte, daß die Lichter zitterten: „Ihr Leute von der Kunst dürft allzeit freier reden als ein Reichs¬ marschall!" „Das macht," erwiderte Dürer, „weil wir allzeit zuguderletzt nur Gott dem Herrn verpflichtet sind." „Drum seid ihr auch ein hoffärtig Volk!" drohte Pirkheimer mit dem Finger.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/337>, abgerufen am 22.07.2024.