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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Der Wiesenzaun
Line Dürer-Novelle
Von Franz Aarl Ginzkcy
6.

Herr Pirkheimer ließ es sich nicht nehmen, bald nach Dürers Heimkehr
ein üppiges Gastmahl in seinem Hause zu geben, dem geliebten Meister und
seinen großen Erfolgen vor dem Kaiser zu Ehren. Er hatte dazu, in seiner
politischen Art das Erfreuliche mit dem Nützlichen verbindend, eine Anzahl ihm
befreundeter "Martinicmer" geladen, wie sich damals in Nürnberg die Anhänger
Luthers bezeichneten. Da war vor allem Herr Professor Christoph Schenrl,
vormals Kollege Luthers in Wittenberg, der sich sein Plätzchen gleich zur Linken
des Gastherrn gesichert hatte und ihn, des herrlichen Schmauses froh, verklärten
Blickes betrachtete. Er würgte gleich zu Anfang an einer Rede, die er auch
nicht lange behalten konnte und worin er von Herrn Pirkheimer dithyrambisch
behauptete, daß ihm keiner im ganzen Reiche nach mannigfaltiger Gelehrsamkeit,
Rednergabe, Staatsklugheit und hinwieder nach Ahnenruhm, Reichtum und aus¬
nehmender Gestalt gleichgekommen sei.

Dies mochte aber Dürern, der zur Rechten des geschmeichelt lächelnden
Hausherrn saß, gar wenig behagen. Der Meister besaß keinen Sinn für
Solcherlei schwülstige Feierlichkeiten, und so tat er nun, um das Gleichgewicht
wieder herzustellen, was die Laune des Augenblicks ihm eingab -- er schnupperte
an Pirkheimers Ärmel herum und sagte dann: "Du hast dich parfümieret,
o Willibald! O sag, wie kann ein alter Landsknecht, wie du, sich noch mit Zibet
schmieren!"

Da lachten sie alle und Herr Pirkheimer nicht zuletzt, und es war für
diesen Abend gar viel an heiterer Menschlichkeit gerettet.

Doch blieb auch dem Ernst sein wohlgemessen Teil. Herr Staupitz,
Generaloikar der deutschen Augustiner, war auch zu Gaste, ein kühner, wort-
geivaltiger Mann, den man auch "die Zunge des Apostel Paulus" nannte.
Dieser sowohl als der scharfkantige Stadtschreiber Herr Lazarus Spengler
erzählten in flammender Rede vom großen Ringen des Mannes aus Witten¬
berg, und es brach aus dumpfem Grollen allmählig und immer unwiderstehlicher




Der Wiesenzaun
Line Dürer-Novelle
Von Franz Aarl Ginzkcy
6.

Herr Pirkheimer ließ es sich nicht nehmen, bald nach Dürers Heimkehr
ein üppiges Gastmahl in seinem Hause zu geben, dem geliebten Meister und
seinen großen Erfolgen vor dem Kaiser zu Ehren. Er hatte dazu, in seiner
politischen Art das Erfreuliche mit dem Nützlichen verbindend, eine Anzahl ihm
befreundeter „Martinicmer" geladen, wie sich damals in Nürnberg die Anhänger
Luthers bezeichneten. Da war vor allem Herr Professor Christoph Schenrl,
vormals Kollege Luthers in Wittenberg, der sich sein Plätzchen gleich zur Linken
des Gastherrn gesichert hatte und ihn, des herrlichen Schmauses froh, verklärten
Blickes betrachtete. Er würgte gleich zu Anfang an einer Rede, die er auch
nicht lange behalten konnte und worin er von Herrn Pirkheimer dithyrambisch
behauptete, daß ihm keiner im ganzen Reiche nach mannigfaltiger Gelehrsamkeit,
Rednergabe, Staatsklugheit und hinwieder nach Ahnenruhm, Reichtum und aus¬
nehmender Gestalt gleichgekommen sei.

Dies mochte aber Dürern, der zur Rechten des geschmeichelt lächelnden
Hausherrn saß, gar wenig behagen. Der Meister besaß keinen Sinn für
Solcherlei schwülstige Feierlichkeiten, und so tat er nun, um das Gleichgewicht
wieder herzustellen, was die Laune des Augenblicks ihm eingab — er schnupperte
an Pirkheimers Ärmel herum und sagte dann: „Du hast dich parfümieret,
o Willibald! O sag, wie kann ein alter Landsknecht, wie du, sich noch mit Zibet
schmieren!"

Da lachten sie alle und Herr Pirkheimer nicht zuletzt, und es war für
diesen Abend gar viel an heiterer Menschlichkeit gerettet.

Doch blieb auch dem Ernst sein wohlgemessen Teil. Herr Staupitz,
Generaloikar der deutschen Augustiner, war auch zu Gaste, ein kühner, wort-
geivaltiger Mann, den man auch „die Zunge des Apostel Paulus" nannte.
Dieser sowohl als der scharfkantige Stadtschreiber Herr Lazarus Spengler
erzählten in flammender Rede vom großen Ringen des Mannes aus Witten¬
berg, und es brach aus dumpfem Grollen allmählig und immer unwiderstehlicher


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[0336] [Abbildung] Der Wiesenzaun Line Dürer-Novelle Von Franz Aarl Ginzkcy 6. Herr Pirkheimer ließ es sich nicht nehmen, bald nach Dürers Heimkehr ein üppiges Gastmahl in seinem Hause zu geben, dem geliebten Meister und seinen großen Erfolgen vor dem Kaiser zu Ehren. Er hatte dazu, in seiner politischen Art das Erfreuliche mit dem Nützlichen verbindend, eine Anzahl ihm befreundeter „Martinicmer" geladen, wie sich damals in Nürnberg die Anhänger Luthers bezeichneten. Da war vor allem Herr Professor Christoph Schenrl, vormals Kollege Luthers in Wittenberg, der sich sein Plätzchen gleich zur Linken des Gastherrn gesichert hatte und ihn, des herrlichen Schmauses froh, verklärten Blickes betrachtete. Er würgte gleich zu Anfang an einer Rede, die er auch nicht lange behalten konnte und worin er von Herrn Pirkheimer dithyrambisch behauptete, daß ihm keiner im ganzen Reiche nach mannigfaltiger Gelehrsamkeit, Rednergabe, Staatsklugheit und hinwieder nach Ahnenruhm, Reichtum und aus¬ nehmender Gestalt gleichgekommen sei. Dies mochte aber Dürern, der zur Rechten des geschmeichelt lächelnden Hausherrn saß, gar wenig behagen. Der Meister besaß keinen Sinn für Solcherlei schwülstige Feierlichkeiten, und so tat er nun, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, was die Laune des Augenblicks ihm eingab — er schnupperte an Pirkheimers Ärmel herum und sagte dann: „Du hast dich parfümieret, o Willibald! O sag, wie kann ein alter Landsknecht, wie du, sich noch mit Zibet schmieren!" Da lachten sie alle und Herr Pirkheimer nicht zuletzt, und es war für diesen Abend gar viel an heiterer Menschlichkeit gerettet. Doch blieb auch dem Ernst sein wohlgemessen Teil. Herr Staupitz, Generaloikar der deutschen Augustiner, war auch zu Gaste, ein kühner, wort- geivaltiger Mann, den man auch „die Zunge des Apostel Paulus" nannte. Dieser sowohl als der scharfkantige Stadtschreiber Herr Lazarus Spengler erzählten in flammender Rede vom großen Ringen des Mannes aus Witten¬ berg, und es brach aus dumpfem Grollen allmählig und immer unwiderstehlicher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/336>, abgerufen am 22.07.2024.