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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Förderung des Handwerks auf Kosten der Industrie?

gesucht, daß auch Fabriklehrlinge zur Gesellenprüfung zugelassen werden sollen,
um als Gesellen oder selbständige Meister im Handwerk ihr Brot verdienen zu
können. In diesen Fällen kommt also die in der Industrie gewonnene Aus¬
bildung der Leute unbedingt dem Handwerke zugute.

In außerordentlich treffender Weise ist für die Behauptung, daß die In¬
dustrie, in erster Linie die Maschinenindustrie, in immer steigendem Maße und
in vorzüglicher Weise für die Ausbildung geeigneten Nachwuchses selbst sorgt,
der Nachweis erbracht worden in dem soeben erschienenen Werk: "Das Lehr¬
lingswesen und die Berufserziehung des gewerblichen Nachwuchses^)."

Aus der Fülle des in diesem Werke beigebrachten statistischen Materials
seien nur einige Zahlen herausgegriffen. Die eingehendsten statistischen Unter¬
suchungen sind von den Gewerbeinspektionen in Hessen gemacht und in ihren
Jahresberichten niedergelegt worden. Aus ihnen ergibt sich eine stetige Zunahme
der Lehrlingshaltung in den Fabrikbetrieben. Im Bezirke Offenbach war z. B.
die Entwicklung folgende:

1901 waren in 338 Betrieben 1171 Lehrlinge
1902 " " 314 " 1202
1903 " " 324 " 1419
1904 " " 483 " 1614
1905 " " 563 " 1626
1906 " " 701 " 1973

Auch die Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählung erweisen eine absolute
Zunahme der Lehrlingshaltnng in der Industrie. So betrug u. a. die Gesamt¬
zahl der Lehrlinge

in den Jahren
189S19N7bei Betrieben der
34815 606Glashütten und Glasveredelung
64058874Eisengießerei und Eisen emaillierung
3592542208Schlosserei, Geldschränkefabrikation
2754755580Maschinen und Apparate
1366516023Wageubau
18135607Elektrische Maschinen, Anlagen
353991Spinnerei
199755Papier- und Pappenfabrikation.

Die angezogene Abhandlung betont dabei besonders, daß die Lehrlings¬
haltung in der Industrie wohl noch sehr viel mehr zugenommen haben würde,
wenn nicht die gesetzlichen Bestimmungen der Reichsgewerbe-Ordnung über
die jugendlichen Arbeiter in erheblichem Umfange die Folge gehabt hätten,



") Schriften der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, Heft 7 der neuen Folge der Schriften
der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtscinrichtungen. Abschnitt K: Der Umfang der Lehrlings¬
haltung in der Industrie, S. 188 bis 242.
Förderung des Handwerks auf Kosten der Industrie?

gesucht, daß auch Fabriklehrlinge zur Gesellenprüfung zugelassen werden sollen,
um als Gesellen oder selbständige Meister im Handwerk ihr Brot verdienen zu
können. In diesen Fällen kommt also die in der Industrie gewonnene Aus¬
bildung der Leute unbedingt dem Handwerke zugute.

In außerordentlich treffender Weise ist für die Behauptung, daß die In¬
dustrie, in erster Linie die Maschinenindustrie, in immer steigendem Maße und
in vorzüglicher Weise für die Ausbildung geeigneten Nachwuchses selbst sorgt,
der Nachweis erbracht worden in dem soeben erschienenen Werk: „Das Lehr¬
lingswesen und die Berufserziehung des gewerblichen Nachwuchses^)."

Aus der Fülle des in diesem Werke beigebrachten statistischen Materials
seien nur einige Zahlen herausgegriffen. Die eingehendsten statistischen Unter¬
suchungen sind von den Gewerbeinspektionen in Hessen gemacht und in ihren
Jahresberichten niedergelegt worden. Aus ihnen ergibt sich eine stetige Zunahme
der Lehrlingshaltung in den Fabrikbetrieben. Im Bezirke Offenbach war z. B.
die Entwicklung folgende:

1901 waren in 338 Betrieben 1171 Lehrlinge
1902 „ „ 314 „ 1202
1903 „ „ 324 „ 1419
1904 „ „ 483 „ 1614
1905 „ „ 563 „ 1626
1906 „ „ 701 „ 1973

Auch die Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählung erweisen eine absolute
Zunahme der Lehrlingshaltnng in der Industrie. So betrug u. a. die Gesamt¬
zahl der Lehrlinge

in den Jahren
189S19N7bei Betrieben der
34815 606Glashütten und Glasveredelung
64058874Eisengießerei und Eisen emaillierung
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1366516023Wageubau
18135607Elektrische Maschinen, Anlagen
353991Spinnerei
199755Papier- und Pappenfabrikation.

Die angezogene Abhandlung betont dabei besonders, daß die Lehrlings¬
haltung in der Industrie wohl noch sehr viel mehr zugenommen haben würde,
wenn nicht die gesetzlichen Bestimmungen der Reichsgewerbe-Ordnung über
die jugendlichen Arbeiter in erheblichem Umfange die Folge gehabt hätten,



") Schriften der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, Heft 7 der neuen Folge der Schriften
der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtscinrichtungen. Abschnitt K: Der Umfang der Lehrlings¬
haltung in der Industrie, S. 188 bis 242.
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[0227] Förderung des Handwerks auf Kosten der Industrie? gesucht, daß auch Fabriklehrlinge zur Gesellenprüfung zugelassen werden sollen, um als Gesellen oder selbständige Meister im Handwerk ihr Brot verdienen zu können. In diesen Fällen kommt also die in der Industrie gewonnene Aus¬ bildung der Leute unbedingt dem Handwerke zugute. In außerordentlich treffender Weise ist für die Behauptung, daß die In¬ dustrie, in erster Linie die Maschinenindustrie, in immer steigendem Maße und in vorzüglicher Weise für die Ausbildung geeigneten Nachwuchses selbst sorgt, der Nachweis erbracht worden in dem soeben erschienenen Werk: „Das Lehr¬ lingswesen und die Berufserziehung des gewerblichen Nachwuchses^)." Aus der Fülle des in diesem Werke beigebrachten statistischen Materials seien nur einige Zahlen herausgegriffen. Die eingehendsten statistischen Unter¬ suchungen sind von den Gewerbeinspektionen in Hessen gemacht und in ihren Jahresberichten niedergelegt worden. Aus ihnen ergibt sich eine stetige Zunahme der Lehrlingshaltung in den Fabrikbetrieben. Im Bezirke Offenbach war z. B. die Entwicklung folgende: 1901 waren in 338 Betrieben 1171 Lehrlinge 1902 „ „ 314 „ 1202 1903 „ „ 324 „ 1419 1904 „ „ 483 „ 1614 1905 „ „ 563 „ 1626 1906 „ „ 701 „ 1973 Auch die Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählung erweisen eine absolute Zunahme der Lehrlingshaltnng in der Industrie. So betrug u. a. die Gesamt¬ zahl der Lehrlinge in den Jahren 189S19N7bei Betrieben der 34815 606Glashütten und Glasveredelung 64058874Eisengießerei und Eisen emaillierung 3592542208Schlosserei, Geldschränkefabrikation 2754755580Maschinen und Apparate 1366516023Wageubau 18135607Elektrische Maschinen, Anlagen 353991Spinnerei 199755Papier- und Pappenfabrikation. Die angezogene Abhandlung betont dabei besonders, daß die Lehrlings¬ haltung in der Industrie wohl noch sehr viel mehr zugenommen haben würde, wenn nicht die gesetzlichen Bestimmungen der Reichsgewerbe-Ordnung über die jugendlichen Arbeiter in erheblichem Umfange die Folge gehabt hätten, ") Schriften der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, Heft 7 der neuen Folge der Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtscinrichtungen. Abschnitt K: Der Umfang der Lehrlings¬ haltung in der Industrie, S. 188 bis 242.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/227>, abgerufen am 01.07.2024.