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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Födcralistischc und unita'ische Partei""

nachdem jener 1866 zu Grabe getragen, diese 1867 gegründet worden war,
um zu wissen, daß sie die unitarische Partei par excellence ist. Wenn das
erste Programm des Nationalvereins vom 14. August 1859 davon sprach, daß
politische Parteiforderungen der großen gemeinsamen Aufgabe der deutschen
Einigung unterzuordnen seien, daß eine einheitliche deutsche Verfassung herbei¬
zuführen und der deutsche Bundestag durch eine feste, starke und bleibende
Zentralregierung zu ersetzen sei, so sind das Gedanken, die die Nationalliberale
Partei von der Stunde ihrer Geburt an zu den ihrigen machte. "Unser Wahl¬
spruch ist: Der deutsche Staat und die deutsche Freiheit müssen gleichzeitig mit
denselben Mitteln errungen werden ... Die Einigung des ganzen Deutschlands
unter einer und derselben Verfassung ist uns die höchste Ausgabe der Gegen¬
wart . . . Wir sind entschlossen, die Bundeskompetenz zu befestigen und über
alle gemeinsamen Angelegenheiten auszudehnen." Das sind einige der ent¬
scheidenden Sätze des ersten Programms der Nationalliberalen Partei aus dem
Jahre 1867. Und nachdem am 18. Januar 1871 dem Deutschen Reiche ein
deutscher Kaiser entstanden war, da schrieb sie wenige Tage später (25. Januar
1871) die Worte: "Dem Zuge der Ereignisse folgend, tritt jetzt an uns die
Aufgabe, den anerkannten Mängeln der Verfassung ödes Norddeutschen Bundes^
abzuhelfen und unser öffentliches Wirken einer Reform zu widmen, welche bei
der ehrlichen Achtung des Bundesstaats die Zentralgewalt des Reiches bis zur
Machtfülle einer wirksamen und wohlgeordneten Staatslenkung stärkt." Das
sind nicht nicht nur Worte geblieben, sondern ihnen sind die Taten gefolgt, so
daß die Nationalliberale Partei in der Folge mit Fug als die Partei der
Reichsgründung bezeichnet werden konnte. Es ist hinreichend bekannt, welche
eminenten Verdienste sie sich um das wiedererstandene Deutschland erworben
hat; in entscheidender Weise hat sie den inneren Ausbau des Reiches, die Aus¬
gestaltung seiner Organisation, die Übertragung hinreichender Arbeitsgebiete auf
es, das Zustandekommen im unitarischen Sinne wirkender Gesetze beeinflußt.
Nur weniges braucht zum Belege dessen erwähnt zu werden. Um die Schaffung
eines einheitlichen deutschen Privatrechts, wie wir es heute in unserm Bürger¬
lichen Gesetzbuch besitzen, hat sich die Nationalliberale Partei ebenso große Ver¬
dienste erworben wie um die Schaffung eines Deutschen Strafgesetzbuches und
anderer wichtiger "Reichsjustizgesetze"; ein einheitliches Reichsvereinsgesetz hatte
von jeher zu einer ihrer wichtigsten Forderungen gehört; der Ausbau der
obersten Reichsbehörden, die Schaffung verantwortlicher Reichsministerien, die
Verstärkung der Befugnis des Neichsschatzamtes usw. sind von ihr mit
besonderem Eifer betrieben worden. -- Fragt man sich, ob die Nationalliberale
Partei ihren unitarischen Bestrebungen auch in den ihrer parlamentarischen
Blütezeit folgenden Jahrzehnten treu geblieben ist, so kann man in. E. diese
Frage nur bejahen. Sie ist bei voller Wahrung der verfassungsmäßigen
Rechte der Einzelstaaten für eine weitere Entwicklung der Reichseinrichtungen
im nationalen Geiste eingetreten, sie hat sich getreu ihrer Forderung: eine


Födcralistischc und unita'ische Partei»»

nachdem jener 1866 zu Grabe getragen, diese 1867 gegründet worden war,
um zu wissen, daß sie die unitarische Partei par excellence ist. Wenn das
erste Programm des Nationalvereins vom 14. August 1859 davon sprach, daß
politische Parteiforderungen der großen gemeinsamen Aufgabe der deutschen
Einigung unterzuordnen seien, daß eine einheitliche deutsche Verfassung herbei¬
zuführen und der deutsche Bundestag durch eine feste, starke und bleibende
Zentralregierung zu ersetzen sei, so sind das Gedanken, die die Nationalliberale
Partei von der Stunde ihrer Geburt an zu den ihrigen machte. „Unser Wahl¬
spruch ist: Der deutsche Staat und die deutsche Freiheit müssen gleichzeitig mit
denselben Mitteln errungen werden ... Die Einigung des ganzen Deutschlands
unter einer und derselben Verfassung ist uns die höchste Ausgabe der Gegen¬
wart . . . Wir sind entschlossen, die Bundeskompetenz zu befestigen und über
alle gemeinsamen Angelegenheiten auszudehnen." Das sind einige der ent¬
scheidenden Sätze des ersten Programms der Nationalliberalen Partei aus dem
Jahre 1867. Und nachdem am 18. Januar 1871 dem Deutschen Reiche ein
deutscher Kaiser entstanden war, da schrieb sie wenige Tage später (25. Januar
1871) die Worte: „Dem Zuge der Ereignisse folgend, tritt jetzt an uns die
Aufgabe, den anerkannten Mängeln der Verfassung ödes Norddeutschen Bundes^
abzuhelfen und unser öffentliches Wirken einer Reform zu widmen, welche bei
der ehrlichen Achtung des Bundesstaats die Zentralgewalt des Reiches bis zur
Machtfülle einer wirksamen und wohlgeordneten Staatslenkung stärkt." Das
sind nicht nicht nur Worte geblieben, sondern ihnen sind die Taten gefolgt, so
daß die Nationalliberale Partei in der Folge mit Fug als die Partei der
Reichsgründung bezeichnet werden konnte. Es ist hinreichend bekannt, welche
eminenten Verdienste sie sich um das wiedererstandene Deutschland erworben
hat; in entscheidender Weise hat sie den inneren Ausbau des Reiches, die Aus¬
gestaltung seiner Organisation, die Übertragung hinreichender Arbeitsgebiete auf
es, das Zustandekommen im unitarischen Sinne wirkender Gesetze beeinflußt.
Nur weniges braucht zum Belege dessen erwähnt zu werden. Um die Schaffung
eines einheitlichen deutschen Privatrechts, wie wir es heute in unserm Bürger¬
lichen Gesetzbuch besitzen, hat sich die Nationalliberale Partei ebenso große Ver¬
dienste erworben wie um die Schaffung eines Deutschen Strafgesetzbuches und
anderer wichtiger „Reichsjustizgesetze"; ein einheitliches Reichsvereinsgesetz hatte
von jeher zu einer ihrer wichtigsten Forderungen gehört; der Ausbau der
obersten Reichsbehörden, die Schaffung verantwortlicher Reichsministerien, die
Verstärkung der Befugnis des Neichsschatzamtes usw. sind von ihr mit
besonderem Eifer betrieben worden. — Fragt man sich, ob die Nationalliberale
Partei ihren unitarischen Bestrebungen auch in den ihrer parlamentarischen
Blütezeit folgenden Jahrzehnten treu geblieben ist, so kann man in. E. diese
Frage nur bejahen. Sie ist bei voller Wahrung der verfassungsmäßigen
Rechte der Einzelstaaten für eine weitere Entwicklung der Reichseinrichtungen
im nationalen Geiste eingetreten, sie hat sich getreu ihrer Forderung: eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/19>, abgerufen am 01.07.2024.