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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Föderalistische und unitarischc Parteien

stellte, die Politik Bismarcks so nachdrücklich wie möglich zu unterstützen"
Schon die Tatsache, daß sich die Reichspartei die Förderung der Bismarckschen
Politik am Ende der sechziger Jahre, d. i. der Bismarckschen Einheitsbestrebungen,
zur wichtigsten Aufgabe setzte, läßt ebenso wie ihr Name darauf schließen, daß
diese Partei dem Einheitsgedanken mit wärmerer Liebe gegenüberstand und
gegenübersteht, ihn wärmer propagierte und ihn mit größerer Bereitwilligkeit
förderte als ihre konservative Schwesterpartei. Und in der Tat ist die Reichs¬
partei namentlich in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens bereit gewesen,
das Reich mit derjenigen Machtfülle auszustatten, deren es zur staatlichen
Einigung der Nation bedürfte (vgl. Wahlaufruf vom 6. Juni 1898). Allein
es ist doch nicht zu vergessen, daß die Neichspartei den Deutsch-Konservativen
innerlich sehr nahe steht, daß sie wie diese auf konservativem - wenn
auch um einiges freieren, liberaleren konservativem Boden -- gegründet
ist. Dieser preußisch - konservative Grundcharakter hat dem deutschnationalen
Gedanken der Neichspartei eine ganz bestimmte preußisch-partikularistische Note
gegeben: ihr erscheint das Reich lediglich als die deutsche Weiterbildung der
preußischen Monarchie. Daraus folgt, daß die Reichspartei geneigt ist, solche
Bestrebungen zur Stärkung des Reiches und seiner Institutionen zu unterstützen,
bei denen Preußen nichts zu opfern braucht, die im Gegenteil eine Stärkung
der Stellung Preußens im Reiche bedeuten. Preußisch und deutsch ist ihr
identisch; preußisch-deutsch ist ihr Unitarismus, nicht deutsch schlechthin. Daher
konnte die Freikonservative Partei in ihrem Wahlaufruf vom 17. September 1888
mit Recht sagen, daß sie die Förderung einer auf die Festigung des Reiches
und die Stärkung des nationalen Bewußtseins gerichteten Reichspolitik für eine
der vornehmsten Aufgaben des preußischen Staates wie der preußischen Landes¬
vertretung halte. Die Reichspartei kann deshalb Preußen und seinem Parlament
eine Förderung unitarischer Tendenzen empfehlen, da diejenigen unitarischen
Bestrebungen, die sie überhaupt für unterstützenswert hält, nie eine Minderung,
sondern nur eine Stärkung preußischen Einflusses im Reich bedeuten werden.
In dieser Richtung ist in. E. recht bezeichnend, daß der sreikonservative Abgeordnete
Frhr. von Zedlitz in der Frage der Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen,
die unter Umständen Preußens Einfluß ganz gewaltig steigern könnte, keineswegs
auf einem so schroff ablehnenden Standpunkt steht wie sein deutsch-konservativer
Kollege Herr von Pappenheim. Ersterer bemerkte am 23. Januar zu dieser
Angelegenheit, der Gedanke einer Erweiterung der Eisenbahngemeinschaft finde
bei der Regierung zwar lebhaften Widerstand, aber eine ganze Reihe praktischer
Schwierigkeiten würde vielleicht durch sie beseitigt werden -- eine Äußerung,
aus der nur zu entnehmen ist, daß die Freikonservativen bereit sind, wenn nicht
den Gedanken positiv zu fördern, so doch wenigstens ihn gegebenenfalls zu
prüfen und an ihm mitzuarbeiten.

Man braucht sich nur der Tatsache zu erinnern, daß es der Deutsche
Nationalverein war, dessen politisches Erbe die Nationalliberale Partei antrat,


Föderalistische und unitarischc Parteien

stellte, die Politik Bismarcks so nachdrücklich wie möglich zu unterstützen"
Schon die Tatsache, daß sich die Reichspartei die Förderung der Bismarckschen
Politik am Ende der sechziger Jahre, d. i. der Bismarckschen Einheitsbestrebungen,
zur wichtigsten Aufgabe setzte, läßt ebenso wie ihr Name darauf schließen, daß
diese Partei dem Einheitsgedanken mit wärmerer Liebe gegenüberstand und
gegenübersteht, ihn wärmer propagierte und ihn mit größerer Bereitwilligkeit
förderte als ihre konservative Schwesterpartei. Und in der Tat ist die Reichs¬
partei namentlich in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens bereit gewesen,
das Reich mit derjenigen Machtfülle auszustatten, deren es zur staatlichen
Einigung der Nation bedürfte (vgl. Wahlaufruf vom 6. Juni 1898). Allein
es ist doch nicht zu vergessen, daß die Neichspartei den Deutsch-Konservativen
innerlich sehr nahe steht, daß sie wie diese auf konservativem - wenn
auch um einiges freieren, liberaleren konservativem Boden — gegründet
ist. Dieser preußisch - konservative Grundcharakter hat dem deutschnationalen
Gedanken der Neichspartei eine ganz bestimmte preußisch-partikularistische Note
gegeben: ihr erscheint das Reich lediglich als die deutsche Weiterbildung der
preußischen Monarchie. Daraus folgt, daß die Reichspartei geneigt ist, solche
Bestrebungen zur Stärkung des Reiches und seiner Institutionen zu unterstützen,
bei denen Preußen nichts zu opfern braucht, die im Gegenteil eine Stärkung
der Stellung Preußens im Reiche bedeuten. Preußisch und deutsch ist ihr
identisch; preußisch-deutsch ist ihr Unitarismus, nicht deutsch schlechthin. Daher
konnte die Freikonservative Partei in ihrem Wahlaufruf vom 17. September 1888
mit Recht sagen, daß sie die Förderung einer auf die Festigung des Reiches
und die Stärkung des nationalen Bewußtseins gerichteten Reichspolitik für eine
der vornehmsten Aufgaben des preußischen Staates wie der preußischen Landes¬
vertretung halte. Die Reichspartei kann deshalb Preußen und seinem Parlament
eine Förderung unitarischer Tendenzen empfehlen, da diejenigen unitarischen
Bestrebungen, die sie überhaupt für unterstützenswert hält, nie eine Minderung,
sondern nur eine Stärkung preußischen Einflusses im Reich bedeuten werden.
In dieser Richtung ist in. E. recht bezeichnend, daß der sreikonservative Abgeordnete
Frhr. von Zedlitz in der Frage der Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen,
die unter Umständen Preußens Einfluß ganz gewaltig steigern könnte, keineswegs
auf einem so schroff ablehnenden Standpunkt steht wie sein deutsch-konservativer
Kollege Herr von Pappenheim. Ersterer bemerkte am 23. Januar zu dieser
Angelegenheit, der Gedanke einer Erweiterung der Eisenbahngemeinschaft finde
bei der Regierung zwar lebhaften Widerstand, aber eine ganze Reihe praktischer
Schwierigkeiten würde vielleicht durch sie beseitigt werden — eine Äußerung,
aus der nur zu entnehmen ist, daß die Freikonservativen bereit sind, wenn nicht
den Gedanken positiv zu fördern, so doch wenigstens ihn gegebenenfalls zu
prüfen und an ihm mitzuarbeiten.

Man braucht sich nur der Tatsache zu erinnern, daß es der Deutsche
Nationalverein war, dessen politisches Erbe die Nationalliberale Partei antrat,


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[0018] Föderalistische und unitarischc Parteien stellte, die Politik Bismarcks so nachdrücklich wie möglich zu unterstützen" Schon die Tatsache, daß sich die Reichspartei die Förderung der Bismarckschen Politik am Ende der sechziger Jahre, d. i. der Bismarckschen Einheitsbestrebungen, zur wichtigsten Aufgabe setzte, läßt ebenso wie ihr Name darauf schließen, daß diese Partei dem Einheitsgedanken mit wärmerer Liebe gegenüberstand und gegenübersteht, ihn wärmer propagierte und ihn mit größerer Bereitwilligkeit förderte als ihre konservative Schwesterpartei. Und in der Tat ist die Reichs¬ partei namentlich in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens bereit gewesen, das Reich mit derjenigen Machtfülle auszustatten, deren es zur staatlichen Einigung der Nation bedürfte (vgl. Wahlaufruf vom 6. Juni 1898). Allein es ist doch nicht zu vergessen, daß die Neichspartei den Deutsch-Konservativen innerlich sehr nahe steht, daß sie wie diese auf konservativem - wenn auch um einiges freieren, liberaleren konservativem Boden — gegründet ist. Dieser preußisch - konservative Grundcharakter hat dem deutschnationalen Gedanken der Neichspartei eine ganz bestimmte preußisch-partikularistische Note gegeben: ihr erscheint das Reich lediglich als die deutsche Weiterbildung der preußischen Monarchie. Daraus folgt, daß die Reichspartei geneigt ist, solche Bestrebungen zur Stärkung des Reiches und seiner Institutionen zu unterstützen, bei denen Preußen nichts zu opfern braucht, die im Gegenteil eine Stärkung der Stellung Preußens im Reiche bedeuten. Preußisch und deutsch ist ihr identisch; preußisch-deutsch ist ihr Unitarismus, nicht deutsch schlechthin. Daher konnte die Freikonservative Partei in ihrem Wahlaufruf vom 17. September 1888 mit Recht sagen, daß sie die Förderung einer auf die Festigung des Reiches und die Stärkung des nationalen Bewußtseins gerichteten Reichspolitik für eine der vornehmsten Aufgaben des preußischen Staates wie der preußischen Landes¬ vertretung halte. Die Reichspartei kann deshalb Preußen und seinem Parlament eine Förderung unitarischer Tendenzen empfehlen, da diejenigen unitarischen Bestrebungen, die sie überhaupt für unterstützenswert hält, nie eine Minderung, sondern nur eine Stärkung preußischen Einflusses im Reich bedeuten werden. In dieser Richtung ist in. E. recht bezeichnend, daß der sreikonservative Abgeordnete Frhr. von Zedlitz in der Frage der Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen, die unter Umständen Preußens Einfluß ganz gewaltig steigern könnte, keineswegs auf einem so schroff ablehnenden Standpunkt steht wie sein deutsch-konservativer Kollege Herr von Pappenheim. Ersterer bemerkte am 23. Januar zu dieser Angelegenheit, der Gedanke einer Erweiterung der Eisenbahngemeinschaft finde bei der Regierung zwar lebhaften Widerstand, aber eine ganze Reihe praktischer Schwierigkeiten würde vielleicht durch sie beseitigt werden — eine Äußerung, aus der nur zu entnehmen ist, daß die Freikonservativen bereit sind, wenn nicht den Gedanken positiv zu fördern, so doch wenigstens ihn gegebenenfalls zu prüfen und an ihm mitzuarbeiten. Man braucht sich nur der Tatsache zu erinnern, daß es der Deutsche Nationalverein war, dessen politisches Erbe die Nationalliberale Partei antrat,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/18>, abgerufen am 03.07.2024.