Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Föderalistische und unitarische Parteien gedehnteren Eisenbahngemeinschaft geeignet sei, die selbständigen Entschlüsse dieser "Im Reichstag haben wir als Landsleute uns zusammengefunden, und es ") Vgl. "Handbuch der Politik". Berlin und Leipzig, 1912, Bd. II, S. 6.
Föderalistische und unitarische Parteien gedehnteren Eisenbahngemeinschaft geeignet sei, die selbständigen Entschlüsse dieser „Im Reichstag haben wir als Landsleute uns zusammengefunden, und es ») Vgl. „Handbuch der Politik". Berlin und Leipzig, 1912, Bd. II, S. 6.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321100"/> <fw type="header" place="top"> Föderalistische und unitarische Parteien</fw><lb/> <p xml:id="ID_16" prev="#ID_15"> gedehnteren Eisenbahngemeinschaft geeignet sei, die selbständigen Entschlüsse dieser<lb/> Staaten in der allerwichtigsten Betriebsverwaltung zu hemmen. — Das hätte<lb/> mit denselben Worten auch ein Vertreter des Zentrums erklären können. Diese<lb/> und andere, unschwer beizubringende Beispiele machen es nicht ganz leicht,<lb/> Prof. von Below in allen Teilen zuzustimmen, wenn er sagt: „Die nationale<lb/> Idee ist für sie (die Konservativen) zu einer Grundlage ihrer politischen Haltung<lb/> geworden. . . . Hiernach steht es von vornherein fest, daß alle partiknlaristischen<lb/> Tendenzen aus den heutigen konservativen Kreisen verbannt sind. Die sächsischen<lb/> Konservativen z. B. wissen heute nichts mehr vom Partikularismus. Die Partei<lb/> verlangt nicht den Einheitsstaat und fordert Achtung der Einrichtungen der<lb/> Einzelstaaten aus grundsätzlicher Pietät gegen das historisch Überlieferte. Allein<lb/> es wird sich nicht nachweisen lassen, daß die Konservativen irgendwo die freie<lb/> Bewegung des Reiches hindern, wo das nationale Interesse sie heischt*)." Ich<lb/> muß mich demgegenüber einem anderen kompetenten Beurteiler, Prof. Heinrich<lb/> Triepel, anschließen, der in seiner sehr beachtenswerten staatsrechtlich-politischen<lb/> Studie „Unitarismus und Föderalismus im Deutschen Reiche" (Tübingen 1907)<lb/> die Meinung vertritt, daß, wenn man die politischen Parteien in unitarische<lb/> und föderalistische einteilen wollte, man die konservative im großen und ganzen<lb/> als eine föderalistische bezeichnen müsse. Allerdings wird man das den Kon¬<lb/> servativen — im Gegensatz zum Zentrum; vgl. die Ursachen der Reichstags¬<lb/> auflösung von 1906 — zugestehen müssen, daß sie, wo es sich darum handelte,<lb/> die Machtmittel des Reiches zu fördern und seine Stellung dem Auslande<lb/> gegenüber zu festigen, nicht versagten und daß sie dort, wo die Erhaltung der<lb/> Selbständigkeit und Eigenart der Gliedstaaten nicht berührt wurde, bereit waren,<lb/> an der Stärkung des Reiches mitzuarbeiten; ich brauche nur an ihre Stellung<lb/> ZU den Militär- und Flottenvorlagen, an ihre Stellung zu den Kolonien u. tgi.<lb/> zu erinnern. Schwierigkeiten ergeben sich für sie aber jedesmal da, wo uni¬<lb/> tarische und partikulare Bestrebungen in Konkurrenz miteinander treten, wo eine<lb/> Stärkung und ein Ausbau des Reiches sich nur auf Kosten der Zuständigkeit<lb/> der Einzelstaaten durchführen lassen. In solchen Fällen pflegen die Konservativen<lb/> — konservativ, das will hier sagen: föderalistisch, zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_17" next="#ID_18"> „Im Reichstag haben wir als Landsleute uns zusammengefunden, und es<lb/> soll das nationale Interesse sein, was uns am innigsten vereinigt. Den neuen<lb/> Provinzen werden wir zu beweisen haben, daß Preußisch und Deutsch Eins und<lb/> dasselbe ist und daß Deutschland gewinnt, was Preußen erwirbt. Undeutsche<lb/> Gesinnung ist bei uns nicht heimisch. Wir setzen das Vaterland stets über die<lb/> Partei, wir stellen das Nationalinteresse über alles. Der zu einem .Deutschen<lb/> Reich' sich entfaltende norddeutsche Bund, hervorgegangen aus dem Zollverein,<lb/> erscheint uns als die deutsche Weiterbildung der preußischen Monarchie." Diese<lb/> Sätze finden sich in der ersten programmmatischen Kundgebung der Freikonser¬<lb/> vativen oder Reichspartei, die sich 1867 bildete und „sich vor allem die Aufgabe</p><lb/> <note xml:id="FID_3" place="foot"> ») Vgl. „Handbuch der Politik". Berlin und Leipzig, 1912, Bd. II, S. 6.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Föderalistische und unitarische Parteien
gedehnteren Eisenbahngemeinschaft geeignet sei, die selbständigen Entschlüsse dieser
Staaten in der allerwichtigsten Betriebsverwaltung zu hemmen. — Das hätte
mit denselben Worten auch ein Vertreter des Zentrums erklären können. Diese
und andere, unschwer beizubringende Beispiele machen es nicht ganz leicht,
Prof. von Below in allen Teilen zuzustimmen, wenn er sagt: „Die nationale
Idee ist für sie (die Konservativen) zu einer Grundlage ihrer politischen Haltung
geworden. . . . Hiernach steht es von vornherein fest, daß alle partiknlaristischen
Tendenzen aus den heutigen konservativen Kreisen verbannt sind. Die sächsischen
Konservativen z. B. wissen heute nichts mehr vom Partikularismus. Die Partei
verlangt nicht den Einheitsstaat und fordert Achtung der Einrichtungen der
Einzelstaaten aus grundsätzlicher Pietät gegen das historisch Überlieferte. Allein
es wird sich nicht nachweisen lassen, daß die Konservativen irgendwo die freie
Bewegung des Reiches hindern, wo das nationale Interesse sie heischt*)." Ich
muß mich demgegenüber einem anderen kompetenten Beurteiler, Prof. Heinrich
Triepel, anschließen, der in seiner sehr beachtenswerten staatsrechtlich-politischen
Studie „Unitarismus und Föderalismus im Deutschen Reiche" (Tübingen 1907)
die Meinung vertritt, daß, wenn man die politischen Parteien in unitarische
und föderalistische einteilen wollte, man die konservative im großen und ganzen
als eine föderalistische bezeichnen müsse. Allerdings wird man das den Kon¬
servativen — im Gegensatz zum Zentrum; vgl. die Ursachen der Reichstags¬
auflösung von 1906 — zugestehen müssen, daß sie, wo es sich darum handelte,
die Machtmittel des Reiches zu fördern und seine Stellung dem Auslande
gegenüber zu festigen, nicht versagten und daß sie dort, wo die Erhaltung der
Selbständigkeit und Eigenart der Gliedstaaten nicht berührt wurde, bereit waren,
an der Stärkung des Reiches mitzuarbeiten; ich brauche nur an ihre Stellung
ZU den Militär- und Flottenvorlagen, an ihre Stellung zu den Kolonien u. tgi.
zu erinnern. Schwierigkeiten ergeben sich für sie aber jedesmal da, wo uni¬
tarische und partikulare Bestrebungen in Konkurrenz miteinander treten, wo eine
Stärkung und ein Ausbau des Reiches sich nur auf Kosten der Zuständigkeit
der Einzelstaaten durchführen lassen. In solchen Fällen pflegen die Konservativen
— konservativ, das will hier sagen: föderalistisch, zu sein.
„Im Reichstag haben wir als Landsleute uns zusammengefunden, und es
soll das nationale Interesse sein, was uns am innigsten vereinigt. Den neuen
Provinzen werden wir zu beweisen haben, daß Preußisch und Deutsch Eins und
dasselbe ist und daß Deutschland gewinnt, was Preußen erwirbt. Undeutsche
Gesinnung ist bei uns nicht heimisch. Wir setzen das Vaterland stets über die
Partei, wir stellen das Nationalinteresse über alles. Der zu einem .Deutschen
Reich' sich entfaltende norddeutsche Bund, hervorgegangen aus dem Zollverein,
erscheint uns als die deutsche Weiterbildung der preußischen Monarchie." Diese
Sätze finden sich in der ersten programmmatischen Kundgebung der Freikonser¬
vativen oder Reichspartei, die sich 1867 bildete und „sich vor allem die Aufgabe
») Vgl. „Handbuch der Politik". Berlin und Leipzig, 1912, Bd. II, S. 6.
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