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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Die Jungliberalcn

Delegierten lehnte den Antrag ab, weil in Baden eine Anzahl von Jugend¬
vereinen entstanden war, die die Altersgrenze nicht eingeführt hatten und die
sich daher dem Reichsverbande nicht anschließen konnten.

Die Altersgrenze beruht auf dem Gedanken, daß die jungliberalen Vereine
nur eine Vorschule der Partei sein und ihre Mitglieder in einem gegebenen
Zeitpunkte an die nationalliberalen Vereine abgeben sollten; sie beruht auf der
ferneren Erwägung, daß Vereine ohne eine derartige Altersgrenze notwendig
zur Bildung einer eigenen Partei hinneigen werden. Es entstehen hieraus für
die Jugendvereine die unerfreulichsten Konsequenzen. Sie sind angewiesen aus
die Arbeit von Leuten, die fast durchweg an dem Aufbau ihres eigenen Lebens
arbeiten und daher verhältnismäßig wenig Zeit und Mittel für eine intensive
politische Tätigkeit aufwenden können. Sie müssen die besten Kenner der
Bewegung selbst und der politischen Verhältnisse fortgesetzt scheiden sehen und
sehen sich häufig ohne zwingende Not des Führers beraubt, für den ein Ersatz
nicht vorhanden ist.

Und doch wird gerade in den Kreisen der nationalliberalcn Jugend mit
großer Entschiedenheit an der Altersgrenze festgehalten. Sie und nur sie
ermöglicht es, den Gedanken durchzuführen, aus dem die ganze Bewegung
entstanden ist, die Jugend dadurch zum politischen Leben heranzuziehen, daß
man sie ihrer eigenen Autonomie überläßt. Die Altersgrenze schützt die Be¬
wegung vor der Verknöcherung, vor dem Klüngeltum, vor der Überschätzung
einzelner Persönlichkeiten. Sie zwingt sie, immer von neuem aus sich heraus
Führer zu erzeugen; sie hält sie in ständiger Verbindung mit der heran¬
wachsenden Generation und deren Empfindungen.

Ausnahmen von der Altersgrenze wurden auf der Vertreterversammlung
in Kaiserslautern für Baden und das rechtsrheinische Bayern gemacht. Ma߬
gebend waren dieselben Gründe, die den Parteitag zur Ablehnung des vor¬
gedachten Antrages des Neichsverbcmdes veranlaßt hatten, nämlich die Rücksicht¬
nahme auf die lokale Eigenart der Vereine in diesen Landesteilen. Praktisch
sind die Anträge kaum geworden. Die Vereine im rechtsrheinischen Bayern
haben sich dem Reichsverbande nicht angeschlossen; in Baden hat sich im Prinzip
die Altersgrenze immer mehr Anerkennung und Geltung verschafft.

Entscheidend für die Beurteilung der Bewegung sind ihre Ziele. Jeder
Verein, der dem Reichsverbande angehört, muß satzungsgemäß "bezwecken, die
Lässigkeit der Jugend gegenüber den Aufgaben des politischen Lebens zu
bekämpfen und seine Mitglieder zur praktischen Arbeit auf dem Boden der
nationalliberalen Grundsätze heranzubilden". Die Vereine sollen politische
Bildungsvereine sein. In die Vereine muß jeder aufgenommen werden, der
auf dem Boden nationalliberaler Grundsätze steht, ohne Rücksicht darauf, ob
seine politische Gesinnung mehr nach rechts oder mehr nach links gerichtet ist.
Es ist also falsch, wenn behauptet wird, die Jugendbewegung stelle eine Organi>
Sallon des linken Flügels der Partei dar.


Die Jungliberalcn

Delegierten lehnte den Antrag ab, weil in Baden eine Anzahl von Jugend¬
vereinen entstanden war, die die Altersgrenze nicht eingeführt hatten und die
sich daher dem Reichsverbande nicht anschließen konnten.

Die Altersgrenze beruht auf dem Gedanken, daß die jungliberalen Vereine
nur eine Vorschule der Partei sein und ihre Mitglieder in einem gegebenen
Zeitpunkte an die nationalliberalen Vereine abgeben sollten; sie beruht auf der
ferneren Erwägung, daß Vereine ohne eine derartige Altersgrenze notwendig
zur Bildung einer eigenen Partei hinneigen werden. Es entstehen hieraus für
die Jugendvereine die unerfreulichsten Konsequenzen. Sie sind angewiesen aus
die Arbeit von Leuten, die fast durchweg an dem Aufbau ihres eigenen Lebens
arbeiten und daher verhältnismäßig wenig Zeit und Mittel für eine intensive
politische Tätigkeit aufwenden können. Sie müssen die besten Kenner der
Bewegung selbst und der politischen Verhältnisse fortgesetzt scheiden sehen und
sehen sich häufig ohne zwingende Not des Führers beraubt, für den ein Ersatz
nicht vorhanden ist.

Und doch wird gerade in den Kreisen der nationalliberalcn Jugend mit
großer Entschiedenheit an der Altersgrenze festgehalten. Sie und nur sie
ermöglicht es, den Gedanken durchzuführen, aus dem die ganze Bewegung
entstanden ist, die Jugend dadurch zum politischen Leben heranzuziehen, daß
man sie ihrer eigenen Autonomie überläßt. Die Altersgrenze schützt die Be¬
wegung vor der Verknöcherung, vor dem Klüngeltum, vor der Überschätzung
einzelner Persönlichkeiten. Sie zwingt sie, immer von neuem aus sich heraus
Führer zu erzeugen; sie hält sie in ständiger Verbindung mit der heran¬
wachsenden Generation und deren Empfindungen.

Ausnahmen von der Altersgrenze wurden auf der Vertreterversammlung
in Kaiserslautern für Baden und das rechtsrheinische Bayern gemacht. Ma߬
gebend waren dieselben Gründe, die den Parteitag zur Ablehnung des vor¬
gedachten Antrages des Neichsverbcmdes veranlaßt hatten, nämlich die Rücksicht¬
nahme auf die lokale Eigenart der Vereine in diesen Landesteilen. Praktisch
sind die Anträge kaum geworden. Die Vereine im rechtsrheinischen Bayern
haben sich dem Reichsverbande nicht angeschlossen; in Baden hat sich im Prinzip
die Altersgrenze immer mehr Anerkennung und Geltung verschafft.

Entscheidend für die Beurteilung der Bewegung sind ihre Ziele. Jeder
Verein, der dem Reichsverbande angehört, muß satzungsgemäß „bezwecken, die
Lässigkeit der Jugend gegenüber den Aufgaben des politischen Lebens zu
bekämpfen und seine Mitglieder zur praktischen Arbeit auf dem Boden der
nationalliberalen Grundsätze heranzubilden". Die Vereine sollen politische
Bildungsvereine sein. In die Vereine muß jeder aufgenommen werden, der
auf dem Boden nationalliberaler Grundsätze steht, ohne Rücksicht darauf, ob
seine politische Gesinnung mehr nach rechts oder mehr nach links gerichtet ist.
Es ist also falsch, wenn behauptet wird, die Jugendbewegung stelle eine Organi>
Sallon des linken Flügels der Partei dar.


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[0168] Die Jungliberalcn Delegierten lehnte den Antrag ab, weil in Baden eine Anzahl von Jugend¬ vereinen entstanden war, die die Altersgrenze nicht eingeführt hatten und die sich daher dem Reichsverbande nicht anschließen konnten. Die Altersgrenze beruht auf dem Gedanken, daß die jungliberalen Vereine nur eine Vorschule der Partei sein und ihre Mitglieder in einem gegebenen Zeitpunkte an die nationalliberalen Vereine abgeben sollten; sie beruht auf der ferneren Erwägung, daß Vereine ohne eine derartige Altersgrenze notwendig zur Bildung einer eigenen Partei hinneigen werden. Es entstehen hieraus für die Jugendvereine die unerfreulichsten Konsequenzen. Sie sind angewiesen aus die Arbeit von Leuten, die fast durchweg an dem Aufbau ihres eigenen Lebens arbeiten und daher verhältnismäßig wenig Zeit und Mittel für eine intensive politische Tätigkeit aufwenden können. Sie müssen die besten Kenner der Bewegung selbst und der politischen Verhältnisse fortgesetzt scheiden sehen und sehen sich häufig ohne zwingende Not des Führers beraubt, für den ein Ersatz nicht vorhanden ist. Und doch wird gerade in den Kreisen der nationalliberalcn Jugend mit großer Entschiedenheit an der Altersgrenze festgehalten. Sie und nur sie ermöglicht es, den Gedanken durchzuführen, aus dem die ganze Bewegung entstanden ist, die Jugend dadurch zum politischen Leben heranzuziehen, daß man sie ihrer eigenen Autonomie überläßt. Die Altersgrenze schützt die Be¬ wegung vor der Verknöcherung, vor dem Klüngeltum, vor der Überschätzung einzelner Persönlichkeiten. Sie zwingt sie, immer von neuem aus sich heraus Führer zu erzeugen; sie hält sie in ständiger Verbindung mit der heran¬ wachsenden Generation und deren Empfindungen. Ausnahmen von der Altersgrenze wurden auf der Vertreterversammlung in Kaiserslautern für Baden und das rechtsrheinische Bayern gemacht. Ma߬ gebend waren dieselben Gründe, die den Parteitag zur Ablehnung des vor¬ gedachten Antrages des Neichsverbcmdes veranlaßt hatten, nämlich die Rücksicht¬ nahme auf die lokale Eigenart der Vereine in diesen Landesteilen. Praktisch sind die Anträge kaum geworden. Die Vereine im rechtsrheinischen Bayern haben sich dem Reichsverbande nicht angeschlossen; in Baden hat sich im Prinzip die Altersgrenze immer mehr Anerkennung und Geltung verschafft. Entscheidend für die Beurteilung der Bewegung sind ihre Ziele. Jeder Verein, der dem Reichsverbande angehört, muß satzungsgemäß „bezwecken, die Lässigkeit der Jugend gegenüber den Aufgaben des politischen Lebens zu bekämpfen und seine Mitglieder zur praktischen Arbeit auf dem Boden der nationalliberalen Grundsätze heranzubilden". Die Vereine sollen politische Bildungsvereine sein. In die Vereine muß jeder aufgenommen werden, der auf dem Boden nationalliberaler Grundsätze steht, ohne Rücksicht darauf, ob seine politische Gesinnung mehr nach rechts oder mehr nach links gerichtet ist. Es ist also falsch, wenn behauptet wird, die Jugendbewegung stelle eine Organi> Sallon des linken Flügels der Partei dar.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/168>, abgerufen am 29.06.2024.