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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Die Iungliberalen

durch den kürzeren Ausdruck "jungliberal" ersetzten. Diese Namensänderung
sollte keine Abweichung von der bisher eingehaltenen politischen Richtung an¬
deuten; rein praktische Gründe ließen die Änderung des Namens rätlich
erscheinen.

Von rechts und von links hat man versucht, die Zugehörigkeit der jung-
liberalen Bewegung zur nationalliberalen Partei anzuzweifeln und zu ver¬
dächtigen. Aus eigener Wissenschaft können wir versichern, daß niemals --
auch in den Zeiten, in denen tiefgehende Zwistigkeiten mit der Partei bestanden --
der Gedanke einer Absplitterung von der Partei erwogen worden ist. Das
Bewußtsein der Zusammengehörigkeit hat bei all denen, die berufen waren, sei
es im Reichsverbande, sei es in den einzelnen Vereinen, die Bewegung zu leiten,
jede Mißstimmung überwunden; auch dann, wenn über Einzelfragen gestritten,
wohl auch heiß gekämpft wurde, waren sich alt und jung über die Gesamt¬
richtung der politischen Überzeugung stets einig. Eine einzige betrübliche Aus¬
nahme muß festgestellt werden: die bayerischen Jungliberalen, die unter der
Führung des radikal gesonnener Kaufmanns Hübsch seit langem ihre eigenen
Wege wandelten, zerschnitten 1909 das Tischtuch zwischen sich und dem Neichs-
verbande und suchten und fanden näheren Anschluß am Freisinn, lieferten damit
aber auch den Beweis, daß solche Bestrebungen innerhalb des Neichsverbandes
unzulässig sind.

Auch darüber besteht kein Zweifel, daß die Jungliberalen sich stets inner¬
halb des Parteiprogramms gehalten haben. Ein besonders scharfer Gegner
der Jugendbewegung glaubt in dieser Beziehung ihr vorwerfen zu können, daß
der jungliberale Delegiertentag von Hannover (1906) die "grundsätzliche" Ein¬
führung des Neichstagswahlrechts in den Einzelstaaten gefordert hat, während
der 1908 in Magdeburg beschlossene Aufruf für die preußischen Abgeordneten¬
wahlen erklärt: "Von der Einführung des Neichstagswahlrechts ist abzusehen."
Indessen hat er nicht den Nachweis zu erbringen vermocht, daß auch nach 1908
die preußischen Jungliberalen für eine weitergehende Forderung als die Magde¬
burger Forderungen eingetreten sind, und damit entfällt die Notwendigkeit, auf
die Frage einzugehen, ob und in welchen: Umfange der Magdeburger Beschluß
als ein dauernder Programmpunkt anzusehen ist.

Was der Organisation ihre Eigenart gibt, ist die Altersgrenze. Nur solche
Vereine können sich dem Neichsverbande anschließen, "welche als ordentliche
Mitglieder Personen unter vierzig Jahren führen". Im Parteistatut ist eine
entsprechende Bestimmung nicht enthalten, so daß der Reichsverband in der
Lage ist, die Bestimmung jederzeit aufzuheben. Es ist dies nicht eine Lücke des
Statuts; bei der Beratung auf dem Allgemeinen Delegiertentage in Dresden
wurde gerade vom Neichsverbande der Antrag gestellt, daß nur die ihm
angeschlossenen Vereine als Jugendvereine zur Organisation der Partei zu gehören
hätten; bei der Annahme des Antrages würde die Aufnahme der Altersgrenze
in das Statut die notwendige Folge gewesen sein. Aber die Mehrheit der


Die Iungliberalen

durch den kürzeren Ausdruck „jungliberal" ersetzten. Diese Namensänderung
sollte keine Abweichung von der bisher eingehaltenen politischen Richtung an¬
deuten; rein praktische Gründe ließen die Änderung des Namens rätlich
erscheinen.

Von rechts und von links hat man versucht, die Zugehörigkeit der jung-
liberalen Bewegung zur nationalliberalen Partei anzuzweifeln und zu ver¬
dächtigen. Aus eigener Wissenschaft können wir versichern, daß niemals —
auch in den Zeiten, in denen tiefgehende Zwistigkeiten mit der Partei bestanden —
der Gedanke einer Absplitterung von der Partei erwogen worden ist. Das
Bewußtsein der Zusammengehörigkeit hat bei all denen, die berufen waren, sei
es im Reichsverbande, sei es in den einzelnen Vereinen, die Bewegung zu leiten,
jede Mißstimmung überwunden; auch dann, wenn über Einzelfragen gestritten,
wohl auch heiß gekämpft wurde, waren sich alt und jung über die Gesamt¬
richtung der politischen Überzeugung stets einig. Eine einzige betrübliche Aus¬
nahme muß festgestellt werden: die bayerischen Jungliberalen, die unter der
Führung des radikal gesonnener Kaufmanns Hübsch seit langem ihre eigenen
Wege wandelten, zerschnitten 1909 das Tischtuch zwischen sich und dem Neichs-
verbande und suchten und fanden näheren Anschluß am Freisinn, lieferten damit
aber auch den Beweis, daß solche Bestrebungen innerhalb des Neichsverbandes
unzulässig sind.

Auch darüber besteht kein Zweifel, daß die Jungliberalen sich stets inner¬
halb des Parteiprogramms gehalten haben. Ein besonders scharfer Gegner
der Jugendbewegung glaubt in dieser Beziehung ihr vorwerfen zu können, daß
der jungliberale Delegiertentag von Hannover (1906) die „grundsätzliche" Ein¬
führung des Neichstagswahlrechts in den Einzelstaaten gefordert hat, während
der 1908 in Magdeburg beschlossene Aufruf für die preußischen Abgeordneten¬
wahlen erklärt: „Von der Einführung des Neichstagswahlrechts ist abzusehen."
Indessen hat er nicht den Nachweis zu erbringen vermocht, daß auch nach 1908
die preußischen Jungliberalen für eine weitergehende Forderung als die Magde¬
burger Forderungen eingetreten sind, und damit entfällt die Notwendigkeit, auf
die Frage einzugehen, ob und in welchen: Umfange der Magdeburger Beschluß
als ein dauernder Programmpunkt anzusehen ist.

Was der Organisation ihre Eigenart gibt, ist die Altersgrenze. Nur solche
Vereine können sich dem Neichsverbande anschließen, „welche als ordentliche
Mitglieder Personen unter vierzig Jahren führen". Im Parteistatut ist eine
entsprechende Bestimmung nicht enthalten, so daß der Reichsverband in der
Lage ist, die Bestimmung jederzeit aufzuheben. Es ist dies nicht eine Lücke des
Statuts; bei der Beratung auf dem Allgemeinen Delegiertentage in Dresden
wurde gerade vom Neichsverbande der Antrag gestellt, daß nur die ihm
angeschlossenen Vereine als Jugendvereine zur Organisation der Partei zu gehören
hätten; bei der Annahme des Antrages würde die Aufnahme der Altersgrenze
in das Statut die notwendige Folge gewesen sein. Aber die Mehrheit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/167>, abgerufen am 26.06.2024.