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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Ans der Geschichte des Jesuitenordens

immer aufgehobenen Orden trotz der vorerwähnten Androhung des größeren
Bannes wieder ins Leben zu rufen. Aber das Undenkbare, das Unmögliche
geschah doch. Nicht Jahrhunderte, nein einundvierzig Jahre, also schon ein
Menschenalter nach seiner Aufhebung durch Papst Clemens den Vierzehnten,
nämlich im Jahre 1814, wurde der Jesuitenorden wieder hergestellt durch Pius
den Siebenten, Papst derselben römisch - katholischen'Kirche! Die Ewigkeit, für
welche Clemens den Orden abgeschafft hatte, hat also nicht lange gedauert; und
die Gründe, mit welchen Pius der Siebente die Wiedereinsetzung des Ordens
zu rechtfertigen suchte, sind das diametrale Gegenteil dessen, was Clemens in
derselben Sache einundvierzig Jahre vorher in so feierlicher Weise nnter Berufung
auf göttliche Eingebung der Christenheit verkündet hatte.

Folgendes der Wortlaut der entscheidenden Stellen der Bulle, durch welche
Pius der Siebente den Jesuitenorden im Jahre 1814 wieder einsetzte:

"Für die Wiederherstellung der Gesellschaft Jesu werden täglich mit fast
allgemeiner Übereinstimmung der Christenheit dringende und wiederholte Bitten
vor uns gebracht von Exzbischöfen, Bischöfen . . . vorzüglich nachdem sich der
Ruf überall verbreitet hat von den segensreichen Früchten, welche diese Gesell¬
schaft in den gedachten Ländern hervorgebracht hat, so daß man hoffen durfte,
ihr Anwachs werde dem Acker des Herr" zur Zierde gereichen. . . . Und es
ist unumgänglich nötig, daß wir einem so gerechten und allgemeinen Verlangen
unsere Zustimmung nicht versagen. Denn wir würden uns des schwersten Ver¬
gehens vor dem Antlitz Gottes schuldig achten müssen, wenn wir . . . jene
heilsamen Hilfsmittel anzuwenden vergäßen, welche Gott der Herr durch seine
besondere Vorsehung uns darreicht. . . . Durch so erhabene Ursachen, durch so
viele und wichtige Entscheidungsgründe bewogen, haben wir uns vorgenommen,
dasjenige endlich auszuführen, was schon vom ersten Anfang unserer päpstlichen
Regierung" (also im Jahre 1800, d. i. nur siebenundzwanzig Jahre nach der
Aufhebung des Ordens durch Clemens den Vierzehnten) "unser lebhafter
Wunsch war. Nachdem wir also den göttlichen Beistand durch heiße Gebete
anzurufen, auch die Meinung und den Rat mehrerer unserer ehrwürdigen
Brüder, der Kardinäle der heiligen römischen Kirche, angehört, haben wir mit
voller Kenntnis und aus der Fülle unserer apostolischen Macht anzuordnen und
zu verfügen beschlossen, wie wir denn wirklich durch unsere gegenwärtige für
immer" ("für immer" hatte auch Clemens den Orden abgeschafft) "gültige
Verordnung verfügen und beschließen, daß alle Verwilligungen, welche von uns
für das russische Kaisertum und das Königreich beider Sizilien ausgefertigt
worden sind" (nämlich die Wiedereinsetzung des Jesuitenordens in diesen beiden
Staaten), "von jetzt an auch für alle anderen Staaten und Länder
gelten sollen. . . . Auch erklären wir, daß sie (die Jesuiten) ... die Macht
haben sollen, sich der Erziehung der katholischen Jugend zu widmen." . . .
"Endlich empfehlen wir die Gesellschaft und ihre Mitglieder inständigst unseren
lieben Söhnen in Jesu Christo, den erhabenen und edlen Fürsten und zeitlichen


Ans der Geschichte des Jesuitenordens

immer aufgehobenen Orden trotz der vorerwähnten Androhung des größeren
Bannes wieder ins Leben zu rufen. Aber das Undenkbare, das Unmögliche
geschah doch. Nicht Jahrhunderte, nein einundvierzig Jahre, also schon ein
Menschenalter nach seiner Aufhebung durch Papst Clemens den Vierzehnten,
nämlich im Jahre 1814, wurde der Jesuitenorden wieder hergestellt durch Pius
den Siebenten, Papst derselben römisch - katholischen'Kirche! Die Ewigkeit, für
welche Clemens den Orden abgeschafft hatte, hat also nicht lange gedauert; und
die Gründe, mit welchen Pius der Siebente die Wiedereinsetzung des Ordens
zu rechtfertigen suchte, sind das diametrale Gegenteil dessen, was Clemens in
derselben Sache einundvierzig Jahre vorher in so feierlicher Weise nnter Berufung
auf göttliche Eingebung der Christenheit verkündet hatte.

Folgendes der Wortlaut der entscheidenden Stellen der Bulle, durch welche
Pius der Siebente den Jesuitenorden im Jahre 1814 wieder einsetzte:

„Für die Wiederherstellung der Gesellschaft Jesu werden täglich mit fast
allgemeiner Übereinstimmung der Christenheit dringende und wiederholte Bitten
vor uns gebracht von Exzbischöfen, Bischöfen . . . vorzüglich nachdem sich der
Ruf überall verbreitet hat von den segensreichen Früchten, welche diese Gesell¬
schaft in den gedachten Ländern hervorgebracht hat, so daß man hoffen durfte,
ihr Anwachs werde dem Acker des Herr» zur Zierde gereichen. . . . Und es
ist unumgänglich nötig, daß wir einem so gerechten und allgemeinen Verlangen
unsere Zustimmung nicht versagen. Denn wir würden uns des schwersten Ver¬
gehens vor dem Antlitz Gottes schuldig achten müssen, wenn wir . . . jene
heilsamen Hilfsmittel anzuwenden vergäßen, welche Gott der Herr durch seine
besondere Vorsehung uns darreicht. . . . Durch so erhabene Ursachen, durch so
viele und wichtige Entscheidungsgründe bewogen, haben wir uns vorgenommen,
dasjenige endlich auszuführen, was schon vom ersten Anfang unserer päpstlichen
Regierung" (also im Jahre 1800, d. i. nur siebenundzwanzig Jahre nach der
Aufhebung des Ordens durch Clemens den Vierzehnten) „unser lebhafter
Wunsch war. Nachdem wir also den göttlichen Beistand durch heiße Gebete
anzurufen, auch die Meinung und den Rat mehrerer unserer ehrwürdigen
Brüder, der Kardinäle der heiligen römischen Kirche, angehört, haben wir mit
voller Kenntnis und aus der Fülle unserer apostolischen Macht anzuordnen und
zu verfügen beschlossen, wie wir denn wirklich durch unsere gegenwärtige für
immer" („für immer" hatte auch Clemens den Orden abgeschafft) „gültige
Verordnung verfügen und beschließen, daß alle Verwilligungen, welche von uns
für das russische Kaisertum und das Königreich beider Sizilien ausgefertigt
worden sind" (nämlich die Wiedereinsetzung des Jesuitenordens in diesen beiden
Staaten), „von jetzt an auch für alle anderen Staaten und Länder
gelten sollen. . . . Auch erklären wir, daß sie (die Jesuiten) ... die Macht
haben sollen, sich der Erziehung der katholischen Jugend zu widmen." . . .
„Endlich empfehlen wir die Gesellschaft und ihre Mitglieder inständigst unseren
lieben Söhnen in Jesu Christo, den erhabenen und edlen Fürsten und zeitlichen


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[0124] Ans der Geschichte des Jesuitenordens immer aufgehobenen Orden trotz der vorerwähnten Androhung des größeren Bannes wieder ins Leben zu rufen. Aber das Undenkbare, das Unmögliche geschah doch. Nicht Jahrhunderte, nein einundvierzig Jahre, also schon ein Menschenalter nach seiner Aufhebung durch Papst Clemens den Vierzehnten, nämlich im Jahre 1814, wurde der Jesuitenorden wieder hergestellt durch Pius den Siebenten, Papst derselben römisch - katholischen'Kirche! Die Ewigkeit, für welche Clemens den Orden abgeschafft hatte, hat also nicht lange gedauert; und die Gründe, mit welchen Pius der Siebente die Wiedereinsetzung des Ordens zu rechtfertigen suchte, sind das diametrale Gegenteil dessen, was Clemens in derselben Sache einundvierzig Jahre vorher in so feierlicher Weise nnter Berufung auf göttliche Eingebung der Christenheit verkündet hatte. Folgendes der Wortlaut der entscheidenden Stellen der Bulle, durch welche Pius der Siebente den Jesuitenorden im Jahre 1814 wieder einsetzte: „Für die Wiederherstellung der Gesellschaft Jesu werden täglich mit fast allgemeiner Übereinstimmung der Christenheit dringende und wiederholte Bitten vor uns gebracht von Exzbischöfen, Bischöfen . . . vorzüglich nachdem sich der Ruf überall verbreitet hat von den segensreichen Früchten, welche diese Gesell¬ schaft in den gedachten Ländern hervorgebracht hat, so daß man hoffen durfte, ihr Anwachs werde dem Acker des Herr» zur Zierde gereichen. . . . Und es ist unumgänglich nötig, daß wir einem so gerechten und allgemeinen Verlangen unsere Zustimmung nicht versagen. Denn wir würden uns des schwersten Ver¬ gehens vor dem Antlitz Gottes schuldig achten müssen, wenn wir . . . jene heilsamen Hilfsmittel anzuwenden vergäßen, welche Gott der Herr durch seine besondere Vorsehung uns darreicht. . . . Durch so erhabene Ursachen, durch so viele und wichtige Entscheidungsgründe bewogen, haben wir uns vorgenommen, dasjenige endlich auszuführen, was schon vom ersten Anfang unserer päpstlichen Regierung" (also im Jahre 1800, d. i. nur siebenundzwanzig Jahre nach der Aufhebung des Ordens durch Clemens den Vierzehnten) „unser lebhafter Wunsch war. Nachdem wir also den göttlichen Beistand durch heiße Gebete anzurufen, auch die Meinung und den Rat mehrerer unserer ehrwürdigen Brüder, der Kardinäle der heiligen römischen Kirche, angehört, haben wir mit voller Kenntnis und aus der Fülle unserer apostolischen Macht anzuordnen und zu verfügen beschlossen, wie wir denn wirklich durch unsere gegenwärtige für immer" („für immer" hatte auch Clemens den Orden abgeschafft) „gültige Verordnung verfügen und beschließen, daß alle Verwilligungen, welche von uns für das russische Kaisertum und das Königreich beider Sizilien ausgefertigt worden sind" (nämlich die Wiedereinsetzung des Jesuitenordens in diesen beiden Staaten), „von jetzt an auch für alle anderen Staaten und Länder gelten sollen. . . . Auch erklären wir, daß sie (die Jesuiten) ... die Macht haben sollen, sich der Erziehung der katholischen Jugend zu widmen." . . . „Endlich empfehlen wir die Gesellschaft und ihre Mitglieder inständigst unseren lieben Söhnen in Jesu Christo, den erhabenen und edlen Fürsten und zeitlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/124>, abgerufen am 23.07.2024.