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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Aus der Geschichte des Jesuitenordens

wir. daß alle und jede Gewalt des Generals (des Oberhaupts der Jesuiten
in Rom), der Provinzialen, der Visitatoren und aller anderen Vorgesetzten
erwähnter Gesellschaft auf immer vernichtet bleiben sollen. . . . Wir wollen
ferner, daß, wenn einige von der aufgehobenen Gesellschaft sich bisher
in Kollegien und Schulen mit dem Unterricht der Jugend beschäftigten,
ihnen alle Leitung und Verwaltung genommen werde und nur denjenigen in
Zukunft zu lehren gestattet werde, die von ihren Arbeiten etwas Gutes hoffen
lassen und zugleich jenen unnützen Streitigkeiten und laxen Lehrmeinungen
(die berüchtigte Moraltheologie sKasuistikj der Jesuiten I), woraus so viel
Unruhe entstanden, völlig entsagen. . . . Was die heiligen Missionen betrifft,
für welche wir ebenfalls alles, was wegen Aufhebung dieser Gesellschaft ver¬
ordnet worden, verstanden haben wollen, so behalten wir uns noch vor, die¬
jenigen Mittel zu bestimmen, durch welche die Bekehrung der Ungläubigen . . .
leichter und sicherer erreicht wird. . . . Wir verbieten auch, daß irgend jemand nach
Bekanntmachung dieses Breves sich unterstehen soll, unter dem Vorwande einer
Bitte, Appelation, Deklaration oder Konsultation über entstandene Zweifel die
Vollziehung desselben im geringsten aufhalte. Denn wir wollen, daß von nun
an sogleich die Aufhebung und Unterdrückung des Ordens vollzogen werde bei
Strafe des uns und unseren Nachfolgern vorbehaltenen größeren Bannes,
welcher gegen alle, die sich unterfangen sollten, der Erfüllung dieser unserer
Verordnung Hindernisse in den Weg zu legen, sogleich verhängt werden soll."

"Wir ernähren alle christlichen Fürsten, daß sie mit der ihnen zustehenden
Macht, Gewalt und Ansehen ... aus Achtung und Gehorsam gegen den aposto¬
lischen Stuhl alle ihre Kräfte aufwenden, um dies unser Breve in vollkommene
Vollziehung zubringen und demselben entsprechende Verordnungen ergehen lassen."
(Ist in Deutschland u. a. geschehen durch Reichsgesetz.)

"Dieses Breve soll für immer fest, unverrückt und wirksam sein und
bleiben, ganz ohne Rückhalt befolgt und von allen und jedem, die es angeht
und in Zukunft angehen wird" (das sind doch ganz besonders alle späteren
Päpste!) "unverletzt beobachtet und gehalten werden."

"Und es soll auch, und nicht anders, in allen und jeden vorbemerkten
Punkten durch alle und jede ordentliche Obrigkeiten, auch durch die Auditoren
der Rechtssachen des heiligen Palastes, durch die Kardinäle der heiligen römischen
Kirche, durch die Legaten a latere, durch die Nuntien des apostolischen Stuhles
und andere, in welchen: Amte und Ansehen sie auch stehen, in allen Rechtssachen
und Instanzen gerichtet und entschieden werden, und alles nichtig und unkrüftig
sein, was dawider von jemandem, wes Standes er auch sein möchte. . .,
geschehen wird."

Dies der Wortlaut der wichtigsten Stellen des päpstlichen Aufhebungs-
breves vom Jahre 1773. Man hätte meinen sollen, daß nach einer so feierlichen
päpstlichen Kundgebung kein Mitglied der römisch-katholischen Kirche, am wenigsten
ein Papst, je auf den Gedanken hätte kommen können, den so verurteilten, für


Aus der Geschichte des Jesuitenordens

wir. daß alle und jede Gewalt des Generals (des Oberhaupts der Jesuiten
in Rom), der Provinzialen, der Visitatoren und aller anderen Vorgesetzten
erwähnter Gesellschaft auf immer vernichtet bleiben sollen. . . . Wir wollen
ferner, daß, wenn einige von der aufgehobenen Gesellschaft sich bisher
in Kollegien und Schulen mit dem Unterricht der Jugend beschäftigten,
ihnen alle Leitung und Verwaltung genommen werde und nur denjenigen in
Zukunft zu lehren gestattet werde, die von ihren Arbeiten etwas Gutes hoffen
lassen und zugleich jenen unnützen Streitigkeiten und laxen Lehrmeinungen
(die berüchtigte Moraltheologie sKasuistikj der Jesuiten I), woraus so viel
Unruhe entstanden, völlig entsagen. . . . Was die heiligen Missionen betrifft,
für welche wir ebenfalls alles, was wegen Aufhebung dieser Gesellschaft ver¬
ordnet worden, verstanden haben wollen, so behalten wir uns noch vor, die¬
jenigen Mittel zu bestimmen, durch welche die Bekehrung der Ungläubigen . . .
leichter und sicherer erreicht wird. . . . Wir verbieten auch, daß irgend jemand nach
Bekanntmachung dieses Breves sich unterstehen soll, unter dem Vorwande einer
Bitte, Appelation, Deklaration oder Konsultation über entstandene Zweifel die
Vollziehung desselben im geringsten aufhalte. Denn wir wollen, daß von nun
an sogleich die Aufhebung und Unterdrückung des Ordens vollzogen werde bei
Strafe des uns und unseren Nachfolgern vorbehaltenen größeren Bannes,
welcher gegen alle, die sich unterfangen sollten, der Erfüllung dieser unserer
Verordnung Hindernisse in den Weg zu legen, sogleich verhängt werden soll."

„Wir ernähren alle christlichen Fürsten, daß sie mit der ihnen zustehenden
Macht, Gewalt und Ansehen ... aus Achtung und Gehorsam gegen den aposto¬
lischen Stuhl alle ihre Kräfte aufwenden, um dies unser Breve in vollkommene
Vollziehung zubringen und demselben entsprechende Verordnungen ergehen lassen."
(Ist in Deutschland u. a. geschehen durch Reichsgesetz.)

„Dieses Breve soll für immer fest, unverrückt und wirksam sein und
bleiben, ganz ohne Rückhalt befolgt und von allen und jedem, die es angeht
und in Zukunft angehen wird" (das sind doch ganz besonders alle späteren
Päpste!) „unverletzt beobachtet und gehalten werden."

„Und es soll auch, und nicht anders, in allen und jeden vorbemerkten
Punkten durch alle und jede ordentliche Obrigkeiten, auch durch die Auditoren
der Rechtssachen des heiligen Palastes, durch die Kardinäle der heiligen römischen
Kirche, durch die Legaten a latere, durch die Nuntien des apostolischen Stuhles
und andere, in welchen: Amte und Ansehen sie auch stehen, in allen Rechtssachen
und Instanzen gerichtet und entschieden werden, und alles nichtig und unkrüftig
sein, was dawider von jemandem, wes Standes er auch sein möchte. . .,
geschehen wird."

Dies der Wortlaut der wichtigsten Stellen des päpstlichen Aufhebungs-
breves vom Jahre 1773. Man hätte meinen sollen, daß nach einer so feierlichen
päpstlichen Kundgebung kein Mitglied der römisch-katholischen Kirche, am wenigsten
ein Papst, je auf den Gedanken hätte kommen können, den so verurteilten, für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/123>, abgerufen am 23.07.2024.