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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Aus der Geschichte des Jesuitenordens

geblich Mühe gaben, die erwünschte Ruhe in der Kirche wieder herzustellen.
Sie gaben zu diesen: Zweck viele heilsame Verordnungen teils über die welt¬
lichen Geschäfte, welche sie (die Jesuiten) sowohl in ihren heiligen Missionen
als außerhalb derselben betreiben, teils in Rücksicht der verdrießlichen Zwistig-
keiten, die von der Gesellschaft wider die ordentlichen Bischöfe, wider die Regular-
orden, wider die milden Stiftungen aller Art in Europa, Asien, Amerika nicht
ohne großen Schaden der Seelen und zum Schrecken der Völker mit solcher
Heftigkeit erregt wurden. Ferner betrafen die Verordnungen unserer Vor¬
gänger ... den Gebrauch und die Erklärung solcher Lehrsätze, welche der
apostolische Stuhl als ärgerlich und der guten Zucht und Sitte offenbar schädlich
mit Recht verdammt hat. . . Nach so vielen und heftigen Stürmen hatten
alle Rechtschaffenen gehofft, einmal den höchst erwünschten Tag anbrechen zu
sehen, der in vollem Maße Frieden und Ruhe brächte. Es entstanden aber...
nur noch gefährlichere und heftigere Stürme, ... so daß sogar unsere in Christo
geliebten Söhne, die Könige von Frankreich, Spanien, Portugal und von beiden
Sizilien sich genötigt sahen, die Jesuiten aus ihren Staaten zu verbannen
und auszustoßen, weil sie dies als das einzige und notwendige Mittel ansahen,
um zu verhindern, daß Christen im heiligen Schoß der Mutterkirche einander
angegriffen und zerrissen. ... So haben die vorgenannten Fürsten unserem
Vorgänger Clemens dem Dreizehnter ihre Gedanken vorgetragen. . . Allein der
Tod dieses Papstes hat den Ausgang dieser Sache unterbrochen. Da wir
nun durch die Gnade Gottes auf den Stuhl Petri gesetzt worden, gelangten
auch an uns sogleich jene Bitten, Forderungen, Wünsche, welche zu gleicher Zeit
von verschiedenen Bischöfen und anderen durch Gelehrsamkeit und Gottesfurcht
ausgezeichneten Männern unterstützt wurden." (Der heutige katholische Klerus nennt
solche Männer Feinde der Kirche Gottes.) "Damit wir aber in einer so schwer¬
wiegenden und wichtigen Angelegenheit den sichersten Entschluß faßten, haben wir
uns Zeit dazu genommen, nicht allein, um der Sache fleißig nachzuforschen, sie reiflich
überlegen und mit Bedacht dabei verfahren zu können, sondern auch um mit
vielen Seufzern und anhaltendem Gebet von dem Vater des Lichts Hilfe und
Beistand zu erflehen. In diesem Anliegen haben wir uns auch durch das
Gebet aller Gläubigen und durch Werke der Gottseligkeit unterstützen lassen. . .
Nach Anwendung so vieler und notwendiger Mittel also, im Vertrauen auf die
Eingebung und den Beistand des göttlichen Geistes wie auch durch Amts¬
pflicht gedrungen, die Ruhe und den Frieden der Christenheit zu erhalten,...
und nachdem wir außerdem noch bemerkt haben, daß es kaum oder gar nicht
möglich sei, daß, so lange sie (die Gesellschaft Jesu) bestehe, der
wahre und dauerhafte Friede der Kirche wieder hergestellt werden könne, ...
heben wir mit reifer Überzeugung, aus gewisser Kenntnis und aus der
apostolischen Macht erwähnte - Gesellschaft auf, unterdrücken sie, löschen
sie aus, schaffen sie ab und heben auf alle und jede ihrer Ämter, Ver¬
waltungen, Häuser, Schulen, Kollegien, Hospizien. . . Und daher erklären


Aus der Geschichte des Jesuitenordens

geblich Mühe gaben, die erwünschte Ruhe in der Kirche wieder herzustellen.
Sie gaben zu diesen: Zweck viele heilsame Verordnungen teils über die welt¬
lichen Geschäfte, welche sie (die Jesuiten) sowohl in ihren heiligen Missionen
als außerhalb derselben betreiben, teils in Rücksicht der verdrießlichen Zwistig-
keiten, die von der Gesellschaft wider die ordentlichen Bischöfe, wider die Regular-
orden, wider die milden Stiftungen aller Art in Europa, Asien, Amerika nicht
ohne großen Schaden der Seelen und zum Schrecken der Völker mit solcher
Heftigkeit erregt wurden. Ferner betrafen die Verordnungen unserer Vor¬
gänger ... den Gebrauch und die Erklärung solcher Lehrsätze, welche der
apostolische Stuhl als ärgerlich und der guten Zucht und Sitte offenbar schädlich
mit Recht verdammt hat. . . Nach so vielen und heftigen Stürmen hatten
alle Rechtschaffenen gehofft, einmal den höchst erwünschten Tag anbrechen zu
sehen, der in vollem Maße Frieden und Ruhe brächte. Es entstanden aber...
nur noch gefährlichere und heftigere Stürme, ... so daß sogar unsere in Christo
geliebten Söhne, die Könige von Frankreich, Spanien, Portugal und von beiden
Sizilien sich genötigt sahen, die Jesuiten aus ihren Staaten zu verbannen
und auszustoßen, weil sie dies als das einzige und notwendige Mittel ansahen,
um zu verhindern, daß Christen im heiligen Schoß der Mutterkirche einander
angegriffen und zerrissen. ... So haben die vorgenannten Fürsten unserem
Vorgänger Clemens dem Dreizehnter ihre Gedanken vorgetragen. . . Allein der
Tod dieses Papstes hat den Ausgang dieser Sache unterbrochen. Da wir
nun durch die Gnade Gottes auf den Stuhl Petri gesetzt worden, gelangten
auch an uns sogleich jene Bitten, Forderungen, Wünsche, welche zu gleicher Zeit
von verschiedenen Bischöfen und anderen durch Gelehrsamkeit und Gottesfurcht
ausgezeichneten Männern unterstützt wurden." (Der heutige katholische Klerus nennt
solche Männer Feinde der Kirche Gottes.) „Damit wir aber in einer so schwer¬
wiegenden und wichtigen Angelegenheit den sichersten Entschluß faßten, haben wir
uns Zeit dazu genommen, nicht allein, um der Sache fleißig nachzuforschen, sie reiflich
überlegen und mit Bedacht dabei verfahren zu können, sondern auch um mit
vielen Seufzern und anhaltendem Gebet von dem Vater des Lichts Hilfe und
Beistand zu erflehen. In diesem Anliegen haben wir uns auch durch das
Gebet aller Gläubigen und durch Werke der Gottseligkeit unterstützen lassen. . .
Nach Anwendung so vieler und notwendiger Mittel also, im Vertrauen auf die
Eingebung und den Beistand des göttlichen Geistes wie auch durch Amts¬
pflicht gedrungen, die Ruhe und den Frieden der Christenheit zu erhalten,...
und nachdem wir außerdem noch bemerkt haben, daß es kaum oder gar nicht
möglich sei, daß, so lange sie (die Gesellschaft Jesu) bestehe, der
wahre und dauerhafte Friede der Kirche wieder hergestellt werden könne, ...
heben wir mit reifer Überzeugung, aus gewisser Kenntnis und aus der
apostolischen Macht erwähnte - Gesellschaft auf, unterdrücken sie, löschen
sie aus, schaffen sie ab und heben auf alle und jede ihrer Ämter, Ver¬
waltungen, Häuser, Schulen, Kollegien, Hospizien. . . Und daher erklären


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[0122] Aus der Geschichte des Jesuitenordens geblich Mühe gaben, die erwünschte Ruhe in der Kirche wieder herzustellen. Sie gaben zu diesen: Zweck viele heilsame Verordnungen teils über die welt¬ lichen Geschäfte, welche sie (die Jesuiten) sowohl in ihren heiligen Missionen als außerhalb derselben betreiben, teils in Rücksicht der verdrießlichen Zwistig- keiten, die von der Gesellschaft wider die ordentlichen Bischöfe, wider die Regular- orden, wider die milden Stiftungen aller Art in Europa, Asien, Amerika nicht ohne großen Schaden der Seelen und zum Schrecken der Völker mit solcher Heftigkeit erregt wurden. Ferner betrafen die Verordnungen unserer Vor¬ gänger ... den Gebrauch und die Erklärung solcher Lehrsätze, welche der apostolische Stuhl als ärgerlich und der guten Zucht und Sitte offenbar schädlich mit Recht verdammt hat. . . Nach so vielen und heftigen Stürmen hatten alle Rechtschaffenen gehofft, einmal den höchst erwünschten Tag anbrechen zu sehen, der in vollem Maße Frieden und Ruhe brächte. Es entstanden aber... nur noch gefährlichere und heftigere Stürme, ... so daß sogar unsere in Christo geliebten Söhne, die Könige von Frankreich, Spanien, Portugal und von beiden Sizilien sich genötigt sahen, die Jesuiten aus ihren Staaten zu verbannen und auszustoßen, weil sie dies als das einzige und notwendige Mittel ansahen, um zu verhindern, daß Christen im heiligen Schoß der Mutterkirche einander angegriffen und zerrissen. ... So haben die vorgenannten Fürsten unserem Vorgänger Clemens dem Dreizehnter ihre Gedanken vorgetragen. . . Allein der Tod dieses Papstes hat den Ausgang dieser Sache unterbrochen. Da wir nun durch die Gnade Gottes auf den Stuhl Petri gesetzt worden, gelangten auch an uns sogleich jene Bitten, Forderungen, Wünsche, welche zu gleicher Zeit von verschiedenen Bischöfen und anderen durch Gelehrsamkeit und Gottesfurcht ausgezeichneten Männern unterstützt wurden." (Der heutige katholische Klerus nennt solche Männer Feinde der Kirche Gottes.) „Damit wir aber in einer so schwer¬ wiegenden und wichtigen Angelegenheit den sichersten Entschluß faßten, haben wir uns Zeit dazu genommen, nicht allein, um der Sache fleißig nachzuforschen, sie reiflich überlegen und mit Bedacht dabei verfahren zu können, sondern auch um mit vielen Seufzern und anhaltendem Gebet von dem Vater des Lichts Hilfe und Beistand zu erflehen. In diesem Anliegen haben wir uns auch durch das Gebet aller Gläubigen und durch Werke der Gottseligkeit unterstützen lassen. . . Nach Anwendung so vieler und notwendiger Mittel also, im Vertrauen auf die Eingebung und den Beistand des göttlichen Geistes wie auch durch Amts¬ pflicht gedrungen, die Ruhe und den Frieden der Christenheit zu erhalten,... und nachdem wir außerdem noch bemerkt haben, daß es kaum oder gar nicht möglich sei, daß, so lange sie (die Gesellschaft Jesu) bestehe, der wahre und dauerhafte Friede der Kirche wieder hergestellt werden könne, ... heben wir mit reifer Überzeugung, aus gewisser Kenntnis und aus der apostolischen Macht erwähnte - Gesellschaft auf, unterdrücken sie, löschen sie aus, schaffen sie ab und heben auf alle und jede ihrer Ämter, Ver¬ waltungen, Häuser, Schulen, Kollegien, Hospizien. . . Und daher erklären

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/122>, abgerufen am 22.07.2024.