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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Beichtvater eines Aaiserpaares

Die politische Situation hatte sich inzwischen in Mexiko derart mißlich für
die Monarchie gestaltet, daß selbst der größte Staatsmann nicht mehr viel für
sie hätte retten können.

Solange Maximilian noch durch die Bajonette Bazaines gestützt wurde,
hatte der große Fehler seiner Politik, das fortwährend tastende Hin- und Her-
schwanken zwischen Klerikalen und Liberalen, weiter keine ernsten Folgen --
obgleich es sich von selbst versteht, daß er sich mit jedem klaren Zugeständnis
an die Liberalen die Klerikalen entfremdete, und daß auf der anderen Seite mit jeder
Konzession an die Klerikalen eine verstärkteAbkühlung auf der liberalen Seite eintrat.

Wesentlich schlimmer gestaltete sich die Sachlage jedoch sofort, als sich
Napoleon der Dritte zur Rückberufung der Truppen gezwungen sah und als
Maximilian nun ausschließlich auf seine recht unzuverlässigen mexikanischen
Regimenter und auf sein zwar zuverlässiges, aber nur peinlich kleines österreichisch¬
belgisches Freikorps angewiesen blieb.

Der Kaiser war im Sommer des Jahres 1866 erkrankt und hatte sich auf
den Rat seines Leibarztes, des Dr. Basch, zu seiner Erholung nach Orizaba
begeben, dem herrlich am Fuße des gleichnamigen, mit ewigein Schnee bedeckten
Vulkans inmitten von Bananenhainen und Kaffeeplantagen gelegenen Orte
halbwegs zwischen der Hauptstadt und der Hafenstadt Vera Cruz. Von dort
aus unternahm er häufige Ausflüge in die entzückende tropische Umgebung,
wobei ihn Pater Fischer stets zu begleiten pflegte und außer ihm auch noch der
Museumsdirektor Professor Bilenek sowie Dr. Basch.

Um diese Zeit scheint Maximilian von der Überzeugung durchdrungen gewesen
zu sein, daß er sich nicht länger auf dem schwankenden Throne zu halten vermöchte.

In dem von Orizaba aus schnell, leicht und unbemerkt zu erreichenden
Hafen von Vera Cruz lag damals die österreichische Fregatte "Dandolo", und
als Maximilian aus Brüssel die Nachricht von der schweren geistigen Erkrankung
seiner erst kurz zuvor in Europa eingetroffenen Gemahlin erhielt, zögerte er
nicht, von Orizaba ans den größten Teil seiner besonders wertvollen persönlichen
Habe an Bord des genannten Kriegsschiffes zu schicken.

Seinen Kabinettsrat Herzfelv hatte er schon nach Wien vorausgesandt, um
die erforderlichen Arrangements für seine Rückkehr mit seinem Bruder, dem
Kaiser Franz Joseph, zu vereinbaren.

Da -- ganz plötzlich -- wurden alle diese Pläne über den Haufen
geworfen, und Kaiser Max beschloß, auf seinem Posten auszuharren! Ganz
allgemein hieß es sofort, daß diese Kursänderung auf den Einfluß des kurz
zuvor zum Kabincttschef des Kaisers ernannten Fischer zurückzuführen sei.

Bezeichnend hierfür ist, was Masseras in einem kleinen Werke "Un e83a/
ä'lZmpire an Nsxique" von dieser Periode sagt. Es heißt da:

"Die einzige Person, welche absolut freien Zutritt zum Kaiser hatte, war
der Ubbo Fischer, der auf die allermerkwürdigste Weise zu dem fast ausschlie߬
lichen Ratgeber Maximilians geworden war. Die Vergangenheit dieses plötzlich


Der Beichtvater eines Aaiserpaares

Die politische Situation hatte sich inzwischen in Mexiko derart mißlich für
die Monarchie gestaltet, daß selbst der größte Staatsmann nicht mehr viel für
sie hätte retten können.

Solange Maximilian noch durch die Bajonette Bazaines gestützt wurde,
hatte der große Fehler seiner Politik, das fortwährend tastende Hin- und Her-
schwanken zwischen Klerikalen und Liberalen, weiter keine ernsten Folgen —
obgleich es sich von selbst versteht, daß er sich mit jedem klaren Zugeständnis
an die Liberalen die Klerikalen entfremdete, und daß auf der anderen Seite mit jeder
Konzession an die Klerikalen eine verstärkteAbkühlung auf der liberalen Seite eintrat.

Wesentlich schlimmer gestaltete sich die Sachlage jedoch sofort, als sich
Napoleon der Dritte zur Rückberufung der Truppen gezwungen sah und als
Maximilian nun ausschließlich auf seine recht unzuverlässigen mexikanischen
Regimenter und auf sein zwar zuverlässiges, aber nur peinlich kleines österreichisch¬
belgisches Freikorps angewiesen blieb.

Der Kaiser war im Sommer des Jahres 1866 erkrankt und hatte sich auf
den Rat seines Leibarztes, des Dr. Basch, zu seiner Erholung nach Orizaba
begeben, dem herrlich am Fuße des gleichnamigen, mit ewigein Schnee bedeckten
Vulkans inmitten von Bananenhainen und Kaffeeplantagen gelegenen Orte
halbwegs zwischen der Hauptstadt und der Hafenstadt Vera Cruz. Von dort
aus unternahm er häufige Ausflüge in die entzückende tropische Umgebung,
wobei ihn Pater Fischer stets zu begleiten pflegte und außer ihm auch noch der
Museumsdirektor Professor Bilenek sowie Dr. Basch.

Um diese Zeit scheint Maximilian von der Überzeugung durchdrungen gewesen
zu sein, daß er sich nicht länger auf dem schwankenden Throne zu halten vermöchte.

In dem von Orizaba aus schnell, leicht und unbemerkt zu erreichenden
Hafen von Vera Cruz lag damals die österreichische Fregatte „Dandolo", und
als Maximilian aus Brüssel die Nachricht von der schweren geistigen Erkrankung
seiner erst kurz zuvor in Europa eingetroffenen Gemahlin erhielt, zögerte er
nicht, von Orizaba ans den größten Teil seiner besonders wertvollen persönlichen
Habe an Bord des genannten Kriegsschiffes zu schicken.

Seinen Kabinettsrat Herzfelv hatte er schon nach Wien vorausgesandt, um
die erforderlichen Arrangements für seine Rückkehr mit seinem Bruder, dem
Kaiser Franz Joseph, zu vereinbaren.

Da — ganz plötzlich — wurden alle diese Pläne über den Haufen
geworfen, und Kaiser Max beschloß, auf seinem Posten auszuharren! Ganz
allgemein hieß es sofort, daß diese Kursänderung auf den Einfluß des kurz
zuvor zum Kabincttschef des Kaisers ernannten Fischer zurückzuführen sei.

Bezeichnend hierfür ist, was Masseras in einem kleinen Werke „Un e83a/
ä'lZmpire an Nsxique" von dieser Periode sagt. Es heißt da:

„Die einzige Person, welche absolut freien Zutritt zum Kaiser hatte, war
der Ubbo Fischer, der auf die allermerkwürdigste Weise zu dem fast ausschlie߬
lichen Ratgeber Maximilians geworden war. Die Vergangenheit dieses plötzlich


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[0087] Der Beichtvater eines Aaiserpaares Die politische Situation hatte sich inzwischen in Mexiko derart mißlich für die Monarchie gestaltet, daß selbst der größte Staatsmann nicht mehr viel für sie hätte retten können. Solange Maximilian noch durch die Bajonette Bazaines gestützt wurde, hatte der große Fehler seiner Politik, das fortwährend tastende Hin- und Her- schwanken zwischen Klerikalen und Liberalen, weiter keine ernsten Folgen — obgleich es sich von selbst versteht, daß er sich mit jedem klaren Zugeständnis an die Liberalen die Klerikalen entfremdete, und daß auf der anderen Seite mit jeder Konzession an die Klerikalen eine verstärkteAbkühlung auf der liberalen Seite eintrat. Wesentlich schlimmer gestaltete sich die Sachlage jedoch sofort, als sich Napoleon der Dritte zur Rückberufung der Truppen gezwungen sah und als Maximilian nun ausschließlich auf seine recht unzuverlässigen mexikanischen Regimenter und auf sein zwar zuverlässiges, aber nur peinlich kleines österreichisch¬ belgisches Freikorps angewiesen blieb. Der Kaiser war im Sommer des Jahres 1866 erkrankt und hatte sich auf den Rat seines Leibarztes, des Dr. Basch, zu seiner Erholung nach Orizaba begeben, dem herrlich am Fuße des gleichnamigen, mit ewigein Schnee bedeckten Vulkans inmitten von Bananenhainen und Kaffeeplantagen gelegenen Orte halbwegs zwischen der Hauptstadt und der Hafenstadt Vera Cruz. Von dort aus unternahm er häufige Ausflüge in die entzückende tropische Umgebung, wobei ihn Pater Fischer stets zu begleiten pflegte und außer ihm auch noch der Museumsdirektor Professor Bilenek sowie Dr. Basch. Um diese Zeit scheint Maximilian von der Überzeugung durchdrungen gewesen zu sein, daß er sich nicht länger auf dem schwankenden Throne zu halten vermöchte. In dem von Orizaba aus schnell, leicht und unbemerkt zu erreichenden Hafen von Vera Cruz lag damals die österreichische Fregatte „Dandolo", und als Maximilian aus Brüssel die Nachricht von der schweren geistigen Erkrankung seiner erst kurz zuvor in Europa eingetroffenen Gemahlin erhielt, zögerte er nicht, von Orizaba ans den größten Teil seiner besonders wertvollen persönlichen Habe an Bord des genannten Kriegsschiffes zu schicken. Seinen Kabinettsrat Herzfelv hatte er schon nach Wien vorausgesandt, um die erforderlichen Arrangements für seine Rückkehr mit seinem Bruder, dem Kaiser Franz Joseph, zu vereinbaren. Da — ganz plötzlich — wurden alle diese Pläne über den Haufen geworfen, und Kaiser Max beschloß, auf seinem Posten auszuharren! Ganz allgemein hieß es sofort, daß diese Kursänderung auf den Einfluß des kurz zuvor zum Kabincttschef des Kaisers ernannten Fischer zurückzuführen sei. Bezeichnend hierfür ist, was Masseras in einem kleinen Werke „Un e83a/ ä'lZmpire an Nsxique" von dieser Periode sagt. Es heißt da: „Die einzige Person, welche absolut freien Zutritt zum Kaiser hatte, war der Ubbo Fischer, der auf die allermerkwürdigste Weise zu dem fast ausschlie߬ lichen Ratgeber Maximilians geworden war. Die Vergangenheit dieses plötzlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/87>, abgerufen am 19.10.2024.