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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Beichtvater eines Kaiserpaares

wie aus der Versenkung aufgetauchten neuen Günstlings des Kaisers war ganz
in Dunkel gehüllt und ist es zum großen Teil auch noch. Man sagte, daß er
auf irgendeine Weise, durch eine morganatische Ehe oder sonstwie, in Beziehungen
zu der mürttembergischen Königsfamilie stünde, auch soll er mehrere Jahre ein
sehr bewegtes Leben in den Vereinigten Staaten geführt haben, bis er schließlich
nach einer Reihe von Wechselfällen aller Art katholischer Priester zu Parras im
nördlichen Mexiko wurde. Wie er aber von dort aus plötzlich zu der intimen
Vertrauensstellung bei dem Monarchen gelangt ist, das vermag niemand mit
Genauigkeit anzugeben. Sofort mit seinem plötzlichen Auftauchen übte er auch
einen ganz beispiellosen Einfluß aus. Eins ist ganz sicher, seinem Einflüsse
und dem ausgedehnten Gebrauche, deu er davon machte, ist es zuzuschreiben,
daß der Plan der Abreise resp. Flucht des Kaisers aus Mexiko, welcher ihn
schon nach Orizaba geführt hatte, unausgeführt blieb! Man kann mit Recht
sagen, daß Fischer die Triebfeder von allem war, was sich in dieser Periode ab¬
spielte, und infolgedessen auch dieHauptursache von allem, was dann später geschah."

Eingehend beschäftigt sich auch Carlos v. Gagern (ein preußischer Offizier,
der auf republikanischer Seite gegen Maximilian focht) in seinein interessanten
Buche "Tote und Lebende" (Berlin 1884) mit Cura Fischer.

Einer der Hauptgegner Fischers war offenbar auch der bereits erwähnte
Dr. Basch. Es ist das um so erklärlicher, als Basch in seiner Eigenschaft als
Leibarzt des Kaisers diesem bisher als Vertrauter am nächsten gestanden hatte,
aus welcher Stellung er sich nun gewissermaßen über Nacht durch den ganz
plötzlich "hineingeschneiten" katholischen Priester verdrängt sah. Basch und
Fischers andere Feinde und Widersacher gaben sich die erdenklichste Mühe, seinen
Charakter zu verdächtigen und ihm selbstsüchtige Beweggründe für seine Hand¬
lungsweise unterzuschieben.

Soweit aus dem vorliegenden Quellenmaterial hervorgeht, tut man ihm
aber darin unrecht. Er mag sich selbst in bezug auf die Stärke der klerikalen
Partei und auf ihren Einfluß geirrt haben, daraus geht aber noch lange nicht
hervor, daß er den Kaiser absichtlich getäuscht hätteI

So erklärt Basch in seinen "Erinnerungen", er habe dem öligen Priester
nie getraut und habe immer seine Bedenken in bezug auf die Ehrlichkeit und
Aufrichtigkeit Fischers gehabt. Der Kaiser selbst sei leider zu spät zu dieser
Erkenntnis gelangt, habe er doch im Gefängnis zu Queretaro ausgerufen:
"Pater Fischer hat mich mit dem Konkordat belogen und betrogen!" Aber,
wie gesagt, ein ganz einwandfreier Zeuge ist Basch aus dem zuvor angeführten
Grunde auch nicht.

Wenn aber d'Hericault in seiner Schrift: .Maximilian et le Nexique"
behauptet, man habe dem Cura Fischer durch den Bankier Martin Duran die
Summe von 150000 Dollar angeboten, wenn er den Kaiser zur Flucht aus
Mexiko bewegen wolle, so ist es doch entschieden ein Zeugnis für, aber nicht
gegen Fischers Ehrlichkeit der Überzeugung, wenn er dem Kaiser arriel, zu bleiben!


Der Beichtvater eines Kaiserpaares

wie aus der Versenkung aufgetauchten neuen Günstlings des Kaisers war ganz
in Dunkel gehüllt und ist es zum großen Teil auch noch. Man sagte, daß er
auf irgendeine Weise, durch eine morganatische Ehe oder sonstwie, in Beziehungen
zu der mürttembergischen Königsfamilie stünde, auch soll er mehrere Jahre ein
sehr bewegtes Leben in den Vereinigten Staaten geführt haben, bis er schließlich
nach einer Reihe von Wechselfällen aller Art katholischer Priester zu Parras im
nördlichen Mexiko wurde. Wie er aber von dort aus plötzlich zu der intimen
Vertrauensstellung bei dem Monarchen gelangt ist, das vermag niemand mit
Genauigkeit anzugeben. Sofort mit seinem plötzlichen Auftauchen übte er auch
einen ganz beispiellosen Einfluß aus. Eins ist ganz sicher, seinem Einflüsse
und dem ausgedehnten Gebrauche, deu er davon machte, ist es zuzuschreiben,
daß der Plan der Abreise resp. Flucht des Kaisers aus Mexiko, welcher ihn
schon nach Orizaba geführt hatte, unausgeführt blieb! Man kann mit Recht
sagen, daß Fischer die Triebfeder von allem war, was sich in dieser Periode ab¬
spielte, und infolgedessen auch dieHauptursache von allem, was dann später geschah."

Eingehend beschäftigt sich auch Carlos v. Gagern (ein preußischer Offizier,
der auf republikanischer Seite gegen Maximilian focht) in seinein interessanten
Buche „Tote und Lebende" (Berlin 1884) mit Cura Fischer.

Einer der Hauptgegner Fischers war offenbar auch der bereits erwähnte
Dr. Basch. Es ist das um so erklärlicher, als Basch in seiner Eigenschaft als
Leibarzt des Kaisers diesem bisher als Vertrauter am nächsten gestanden hatte,
aus welcher Stellung er sich nun gewissermaßen über Nacht durch den ganz
plötzlich „hineingeschneiten" katholischen Priester verdrängt sah. Basch und
Fischers andere Feinde und Widersacher gaben sich die erdenklichste Mühe, seinen
Charakter zu verdächtigen und ihm selbstsüchtige Beweggründe für seine Hand¬
lungsweise unterzuschieben.

Soweit aus dem vorliegenden Quellenmaterial hervorgeht, tut man ihm
aber darin unrecht. Er mag sich selbst in bezug auf die Stärke der klerikalen
Partei und auf ihren Einfluß geirrt haben, daraus geht aber noch lange nicht
hervor, daß er den Kaiser absichtlich getäuscht hätteI

So erklärt Basch in seinen „Erinnerungen", er habe dem öligen Priester
nie getraut und habe immer seine Bedenken in bezug auf die Ehrlichkeit und
Aufrichtigkeit Fischers gehabt. Der Kaiser selbst sei leider zu spät zu dieser
Erkenntnis gelangt, habe er doch im Gefängnis zu Queretaro ausgerufen:
„Pater Fischer hat mich mit dem Konkordat belogen und betrogen!" Aber,
wie gesagt, ein ganz einwandfreier Zeuge ist Basch aus dem zuvor angeführten
Grunde auch nicht.

Wenn aber d'Hericault in seiner Schrift: .Maximilian et le Nexique"
behauptet, man habe dem Cura Fischer durch den Bankier Martin Duran die
Summe von 150000 Dollar angeboten, wenn er den Kaiser zur Flucht aus
Mexiko bewegen wolle, so ist es doch entschieden ein Zeugnis für, aber nicht
gegen Fischers Ehrlichkeit der Überzeugung, wenn er dem Kaiser arriel, zu bleiben!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/88>, abgerufen am 26.09.2024.