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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Beichtvater eines Aaiserpaares

Es wurde zum Verhängnis des jungen Kaisertums, daß es sich wohl oder
übel in erster Linie auf den Klerus stützen mußte, so sehr es sich auch ab und
zu geneigt zeigte, den Liberalen wieder einige Zugeständnisse zu machen, und
daß es sich daher gezwungen sah, nach und nach immer weiter gehende Wünsche
und Forderungen der Kirche zu erfüllen. Mochten der Kaiser und seine ein¬
sichtigeren Räte auch zehnmal geltend machen, daß sich die Negierung durch
die Erfüllung der immer gieriger werdenden Gelüste der Kirche das mexikanische
Volk selbst immer mehr entfremde -- der Klerus drohte sofort mit der Ein¬
stellung seiner Gefolgschaft, sobald man ihm nicht sofort bereitwilligst nachgab.

Auch in Parras und dessen Umgebung waren unter der Herrschaft der
Liberalen eine Anzahl von Klöstern säkularisiert und die zu ihnen gehörigen
Ländereien eingezogen, für staatliche Zwecke verwendet oder verkauft worden.
Diese galt es jetzt für die Kirche zurückzuerobern! Niemanden hielt der Bischof
von Parras für geeigneter, diese Aufgabe zu lösen, als den Cura Fischer, den
er dann auch -- mit allen erforderlichen Vollmachten und Dokumenten ver¬
sehen -- zu dessen im Schlosse Chapultepec bei der Hauptstadt Mexiko residie¬
renden "Landsmanne", dem blondbärtigen Kaiser Maximilian, entsandte.

Und Fischer entledigte sich seines Auftrages in solch glänzender Weise,
daß sämtliche Forderungen seines Bischofs bewilligt wurden.

Der Kaiser stellte nur eine einzige Bedingung, und zwar war das eine
solche, die zur Genüge bewies, daß Fischers Persönlichkeit auch ini Kaiserschlosse
ihre faszinierende Wirkung nicht verfehlt hatte. Kaiser Max verlangte nämlich,
daß Fischer selbst nicht wieder nach Parras zurückkehren, sondern bei ihm in
der Hauptstadt bleiben solle -- und zwar in der Eigenschaft als Beichtvater des
Kaiserpaares!

Fischer scheint keine lange Bedenkzeit nötig gehabt zu haben, um sich
darüber zu entscheiden, ob er dies ihn selbst nicht wenig überraschende Anerbieten
annehmen solle oder nicht. Hatte er hier doch einen Wirkungskreis, wie er
sich ihn ersehnt -- oder wohl vielmehr einen solchen, wie ihn sich der ehr¬
geizige Mann selbst in den kühnsten Träumen kaum je erhofft hatte. Er griff
also mit beiden Händen zu, wenn er auch erst, des besseren Eindrucks wegen,
sich ein wenig sträubte und geschickt den Bescheidenen spielte, der sich erst darüber
klar werden müsse, ob er auch die Kraft und Fähigkeit besitze, die ein solch
hoher und verantwortungsvoller Posten zur Voraussetzung mache. Er spielte
dies Spiel äußerst erfolgreich, denn auch die Kaiserin Charlotte schloß sich der
dringenden Bitte ihres Gemahls immer eindrucksvoller und wärmer an, so daß
Cura Fischer schließlich gar nicht anders konnte, als einzuwilligen, "das schwere
Opfer zu bringen und, den Wünschen des hohen Paares entsprechend, seinen
bescheidenen Posten in der kleinen Stadt im Norden des Landes mit dem ver¬
antwortungsvollen und dornenreichen Posten am Hofe zu vertauschen".

Der neue kaiserliche Beichtvater zeigte bald, was er schon so oft bewiesen
hatte, daß er ein Mann von erstaunlicher Vielseitigkeit war.


Der Beichtvater eines Aaiserpaares

Es wurde zum Verhängnis des jungen Kaisertums, daß es sich wohl oder
übel in erster Linie auf den Klerus stützen mußte, so sehr es sich auch ab und
zu geneigt zeigte, den Liberalen wieder einige Zugeständnisse zu machen, und
daß es sich daher gezwungen sah, nach und nach immer weiter gehende Wünsche
und Forderungen der Kirche zu erfüllen. Mochten der Kaiser und seine ein¬
sichtigeren Räte auch zehnmal geltend machen, daß sich die Negierung durch
die Erfüllung der immer gieriger werdenden Gelüste der Kirche das mexikanische
Volk selbst immer mehr entfremde — der Klerus drohte sofort mit der Ein¬
stellung seiner Gefolgschaft, sobald man ihm nicht sofort bereitwilligst nachgab.

Auch in Parras und dessen Umgebung waren unter der Herrschaft der
Liberalen eine Anzahl von Klöstern säkularisiert und die zu ihnen gehörigen
Ländereien eingezogen, für staatliche Zwecke verwendet oder verkauft worden.
Diese galt es jetzt für die Kirche zurückzuerobern! Niemanden hielt der Bischof
von Parras für geeigneter, diese Aufgabe zu lösen, als den Cura Fischer, den
er dann auch — mit allen erforderlichen Vollmachten und Dokumenten ver¬
sehen — zu dessen im Schlosse Chapultepec bei der Hauptstadt Mexiko residie¬
renden „Landsmanne", dem blondbärtigen Kaiser Maximilian, entsandte.

Und Fischer entledigte sich seines Auftrages in solch glänzender Weise,
daß sämtliche Forderungen seines Bischofs bewilligt wurden.

Der Kaiser stellte nur eine einzige Bedingung, und zwar war das eine
solche, die zur Genüge bewies, daß Fischers Persönlichkeit auch ini Kaiserschlosse
ihre faszinierende Wirkung nicht verfehlt hatte. Kaiser Max verlangte nämlich,
daß Fischer selbst nicht wieder nach Parras zurückkehren, sondern bei ihm in
der Hauptstadt bleiben solle — und zwar in der Eigenschaft als Beichtvater des
Kaiserpaares!

Fischer scheint keine lange Bedenkzeit nötig gehabt zu haben, um sich
darüber zu entscheiden, ob er dies ihn selbst nicht wenig überraschende Anerbieten
annehmen solle oder nicht. Hatte er hier doch einen Wirkungskreis, wie er
sich ihn ersehnt — oder wohl vielmehr einen solchen, wie ihn sich der ehr¬
geizige Mann selbst in den kühnsten Träumen kaum je erhofft hatte. Er griff
also mit beiden Händen zu, wenn er auch erst, des besseren Eindrucks wegen,
sich ein wenig sträubte und geschickt den Bescheidenen spielte, der sich erst darüber
klar werden müsse, ob er auch die Kraft und Fähigkeit besitze, die ein solch
hoher und verantwortungsvoller Posten zur Voraussetzung mache. Er spielte
dies Spiel äußerst erfolgreich, denn auch die Kaiserin Charlotte schloß sich der
dringenden Bitte ihres Gemahls immer eindrucksvoller und wärmer an, so daß
Cura Fischer schließlich gar nicht anders konnte, als einzuwilligen, „das schwere
Opfer zu bringen und, den Wünschen des hohen Paares entsprechend, seinen
bescheidenen Posten in der kleinen Stadt im Norden des Landes mit dem ver¬
antwortungsvollen und dornenreichen Posten am Hofe zu vertauschen".

Der neue kaiserliche Beichtvater zeigte bald, was er schon so oft bewiesen
hatte, daß er ein Mann von erstaunlicher Vielseitigkeit war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/86>, abgerufen am 19.10.2024.