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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Aus Hebbels Studienzeit

Ubr.: Sr. Hochwohlgeboren dem Herrn Etatsrath und Landvogt Griebel,
Ritter vom Dannebrogsorden und Dannebrogsmann in Heide.

Ew. Hochwohlgeboren werden hochgewogentlichst zu entschuldigen geneigen,
daß ich Sie mit diesen Zeilen zu belästigen wage. Ich wünsche bevorstehenden
Ostern zur Universität abzugehen, um die Rechte zu studiren. bin aber mit
zu geringen Mitteln versehen, als daß ich die evils^la honoriren könnte, und
bedarf, damit ich diese frei erhalte, eines te8ein0minus paupertati3. In der
Voraussetzung, daß Eine Königl. Norderditmarsische Landvogtei diejenige
Behörde sey, bei welcher ich, als geborener Wesselburner, dieses nachzusuchen
habe, erlaube ich mir die ganz gehorsamste Bitte: Ew Hochwohlgeboren wollen
geruhen, mir nach etwa eingezogenen" Bericht des Herrn Kirchspielvogtes Mohr
in Wesselburen, der mir in Uebereinstimmung mit dem Vormünderbuch seines
Kirchspiels ein Zeugniß meines wirklichen Unvermögens nicht vorenthalten wird,
ein te8eine>ilium pAupel'tali8 zukommen zu lassen.


Mit vollkommener Hochachtung
Ew. Hochwohlgeboren
Hamburg, den 10. März 18:.5(i. ganz gehorsamster
Christian Friedrich Hebbel

Adresse: Hamburger Stadtdeich Ur. 178, bei Herrn Weiß.

In die Heidelberger Universitätszeit führt ein Schreiben Hebbels an den
Wesselburener Jugendfreund Jakob Franz, der damals in Kiel Pharmazeutik
studierte. Wenngleich uns der "Hahn Franz" -- so hieß er in Wesselburen
scherzhaft -- dem Namen nach keineswegs unbekannt war, da Hebbel in Tage¬
büchern, Briefen, gelegentlich sogar in dem Epos "Mutter und Kind" seiner
gedenkt, so stand er doch keineswegs im Vordergrund des Interesses, bis
jetzt die im Besitz seiner Nachkommen auf Helgoland aufgetauchten Briefe
Hebbels, deren Publikation N. M. Werner in der Neuen Freien Presse
begann und in der Österreichischen Rundschau abschloß, ihm eine hervor¬
ragende und höchst markante Stellung in Hebbels Biographie zuweisen. , Der
folgende, mir gehörige Brief bedeutet eine nicht ganz unbeträchtliche Ergänzung
der Wernerschem Veröffentlichung. Schon in Wesselburen hatte Franz, aus
behäbigen Verhältnissen stammend, Hebbel versprochen, er werde ihm auf zwei
Jahre jährlich zehn Taler vorschießen, die vor allem der Mutter Hebbels zugute
kommen sollten. So erklärt sich die Abrechnung des "Conto-Corrent" in
diesem Briefe. Hebbel konnte bei mangelndem Reifezeugnis in Heidelberg nicht
immatrikuliert werden; als Hospitant nur besuchte er Kollegien bei Mittermaier über
strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit und hörte bei Thibaut Institutionen. Auf diese
Vorlesung bezieht sich die Bemerkung des Briefes, er habe, "um nicht leeres Stroh zu
dreschen", von seinen zwei Kollegs eines aufgegeben; Thibaut hatte ihm offen erklärt,
daß im Leben aus ihm kein Jurist werden würde. Die entschiedene Abkehr von der
Jurisprudenz führt dann wohl in erster Reihe zu dem Entschluß, von Heidelberg aus
nicht, wie Hebbel in diesen: Briefe noch plant, nach Hamburg oder Berlin, sondern


Aus Hebbels Studienzeit

Ubr.: Sr. Hochwohlgeboren dem Herrn Etatsrath und Landvogt Griebel,
Ritter vom Dannebrogsorden und Dannebrogsmann in Heide.

Ew. Hochwohlgeboren werden hochgewogentlichst zu entschuldigen geneigen,
daß ich Sie mit diesen Zeilen zu belästigen wage. Ich wünsche bevorstehenden
Ostern zur Universität abzugehen, um die Rechte zu studiren. bin aber mit
zu geringen Mitteln versehen, als daß ich die evils^la honoriren könnte, und
bedarf, damit ich diese frei erhalte, eines te8ein0minus paupertati3. In der
Voraussetzung, daß Eine Königl. Norderditmarsische Landvogtei diejenige
Behörde sey, bei welcher ich, als geborener Wesselburner, dieses nachzusuchen
habe, erlaube ich mir die ganz gehorsamste Bitte: Ew Hochwohlgeboren wollen
geruhen, mir nach etwa eingezogenen« Bericht des Herrn Kirchspielvogtes Mohr
in Wesselburen, der mir in Uebereinstimmung mit dem Vormünderbuch seines
Kirchspiels ein Zeugniß meines wirklichen Unvermögens nicht vorenthalten wird,
ein te8eine>ilium pAupel'tali8 zukommen zu lassen.


Mit vollkommener Hochachtung
Ew. Hochwohlgeboren
Hamburg, den 10. März 18:.5(i. ganz gehorsamster
Christian Friedrich Hebbel

Adresse: Hamburger Stadtdeich Ur. 178, bei Herrn Weiß.

In die Heidelberger Universitätszeit führt ein Schreiben Hebbels an den
Wesselburener Jugendfreund Jakob Franz, der damals in Kiel Pharmazeutik
studierte. Wenngleich uns der „Hahn Franz" — so hieß er in Wesselburen
scherzhaft — dem Namen nach keineswegs unbekannt war, da Hebbel in Tage¬
büchern, Briefen, gelegentlich sogar in dem Epos „Mutter und Kind" seiner
gedenkt, so stand er doch keineswegs im Vordergrund des Interesses, bis
jetzt die im Besitz seiner Nachkommen auf Helgoland aufgetauchten Briefe
Hebbels, deren Publikation N. M. Werner in der Neuen Freien Presse
begann und in der Österreichischen Rundschau abschloß, ihm eine hervor¬
ragende und höchst markante Stellung in Hebbels Biographie zuweisen. , Der
folgende, mir gehörige Brief bedeutet eine nicht ganz unbeträchtliche Ergänzung
der Wernerschem Veröffentlichung. Schon in Wesselburen hatte Franz, aus
behäbigen Verhältnissen stammend, Hebbel versprochen, er werde ihm auf zwei
Jahre jährlich zehn Taler vorschießen, die vor allem der Mutter Hebbels zugute
kommen sollten. So erklärt sich die Abrechnung des „Conto-Corrent" in
diesem Briefe. Hebbel konnte bei mangelndem Reifezeugnis in Heidelberg nicht
immatrikuliert werden; als Hospitant nur besuchte er Kollegien bei Mittermaier über
strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit und hörte bei Thibaut Institutionen. Auf diese
Vorlesung bezieht sich die Bemerkung des Briefes, er habe, „um nicht leeres Stroh zu
dreschen", von seinen zwei Kollegs eines aufgegeben; Thibaut hatte ihm offen erklärt,
daß im Leben aus ihm kein Jurist werden würde. Die entschiedene Abkehr von der
Jurisprudenz führt dann wohl in erster Reihe zu dem Entschluß, von Heidelberg aus
nicht, wie Hebbel in diesen: Briefe noch plant, nach Hamburg oder Berlin, sondern


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[0634] Aus Hebbels Studienzeit Ubr.: Sr. Hochwohlgeboren dem Herrn Etatsrath und Landvogt Griebel, Ritter vom Dannebrogsorden und Dannebrogsmann in Heide. Ew. Hochwohlgeboren werden hochgewogentlichst zu entschuldigen geneigen, daß ich Sie mit diesen Zeilen zu belästigen wage. Ich wünsche bevorstehenden Ostern zur Universität abzugehen, um die Rechte zu studiren. bin aber mit zu geringen Mitteln versehen, als daß ich die evils^la honoriren könnte, und bedarf, damit ich diese frei erhalte, eines te8ein0minus paupertati3. In der Voraussetzung, daß Eine Königl. Norderditmarsische Landvogtei diejenige Behörde sey, bei welcher ich, als geborener Wesselburner, dieses nachzusuchen habe, erlaube ich mir die ganz gehorsamste Bitte: Ew Hochwohlgeboren wollen geruhen, mir nach etwa eingezogenen« Bericht des Herrn Kirchspielvogtes Mohr in Wesselburen, der mir in Uebereinstimmung mit dem Vormünderbuch seines Kirchspiels ein Zeugniß meines wirklichen Unvermögens nicht vorenthalten wird, ein te8eine>ilium pAupel'tali8 zukommen zu lassen. Mit vollkommener Hochachtung Ew. Hochwohlgeboren Hamburg, den 10. März 18:.5(i. ganz gehorsamster Christian Friedrich Hebbel Adresse: Hamburger Stadtdeich Ur. 178, bei Herrn Weiß. In die Heidelberger Universitätszeit führt ein Schreiben Hebbels an den Wesselburener Jugendfreund Jakob Franz, der damals in Kiel Pharmazeutik studierte. Wenngleich uns der „Hahn Franz" — so hieß er in Wesselburen scherzhaft — dem Namen nach keineswegs unbekannt war, da Hebbel in Tage¬ büchern, Briefen, gelegentlich sogar in dem Epos „Mutter und Kind" seiner gedenkt, so stand er doch keineswegs im Vordergrund des Interesses, bis jetzt die im Besitz seiner Nachkommen auf Helgoland aufgetauchten Briefe Hebbels, deren Publikation N. M. Werner in der Neuen Freien Presse begann und in der Österreichischen Rundschau abschloß, ihm eine hervor¬ ragende und höchst markante Stellung in Hebbels Biographie zuweisen. , Der folgende, mir gehörige Brief bedeutet eine nicht ganz unbeträchtliche Ergänzung der Wernerschem Veröffentlichung. Schon in Wesselburen hatte Franz, aus behäbigen Verhältnissen stammend, Hebbel versprochen, er werde ihm auf zwei Jahre jährlich zehn Taler vorschießen, die vor allem der Mutter Hebbels zugute kommen sollten. So erklärt sich die Abrechnung des „Conto-Corrent" in diesem Briefe. Hebbel konnte bei mangelndem Reifezeugnis in Heidelberg nicht immatrikuliert werden; als Hospitant nur besuchte er Kollegien bei Mittermaier über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit und hörte bei Thibaut Institutionen. Auf diese Vorlesung bezieht sich die Bemerkung des Briefes, er habe, „um nicht leeres Stroh zu dreschen", von seinen zwei Kollegs eines aufgegeben; Thibaut hatte ihm offen erklärt, daß im Leben aus ihm kein Jurist werden würde. Die entschiedene Abkehr von der Jurisprudenz führt dann wohl in erster Reihe zu dem Entschluß, von Heidelberg aus nicht, wie Hebbel in diesen: Briefe noch plant, nach Hamburg oder Berlin, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/634>, abgerufen am 27.09.2024.