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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Malerei der Gegenwart

diesen herben Impressionismus der deutschen Malerei erobert hat und viele
Künstler auf seinem Werk fußen, ist es nicht schwer, Impressionist zu sei" --
so wenig, daß die Bewegung zum größten Teile bereits ins Breite gegangen,
verflacht und überholt ist. Unvergänglich aber ist der Ruhm Liebermauns,
eine bedeutungsvolle Epoche der deutschen Malerei eingeleitet zu haben. Er
bleibt wohl für immer ihr größter Künstler, dein es gegeben ist, auf allen
Gebieten das Bedeutende zu leisten: in Landschaft, Porträt, Figurenbild, ja
auch in der Historie, obgleich hier der konsequente Naturalismus in wichtigen
Dingen versagt, ja versagen muß. Es gilt von ihm Ähnliches wie von Klingers
großen Bildern.

Wie hoch das Verdienst Liebermanns und seine ethische Strenge zu werten
sind, das erkennt man, wenn man neben seine Werke jene Akademiker stellt,
die aus demselben Menzel eine ganz andere Folgerung als er gezogen und
damit den Geschmack des neuen Reiches nach 1870 ausgedrückt haben. Es
sind die Maler mit dem Blick für alles inhaltlich Wesentliche, aber malerisch
nichtssagende, die wie Anton von Werner und seine Gesinnungsgenossen ent¬
weder patriotische Historiendarstellung betrieben oder wie Kraus und Meyer¬
heim das breite Publikum mit Genrebildern entzückten. Denn diese kannten
nicht den Menzel der Frühzeit, sie hielten sich an den späten Zeichner, dessen
peinliche Detailtreue ihrer Auffassung von Kunst als "Nachahmung der Natur"
entsprach. Schon heute weiß man auch in weiteren Kreisen, daß diese Auf¬
fassung irrig war, und daß alles, was die Werner und Kraus gemacht haben,
so wenig Kunst ist wie die Photographie. Ja, eine Photographie kann, wenn
sie mit Geschmack und Verstand gemacht wird, zum Kunstgewerbe zählen; jene
Bilder aber sind nicht einmal Kunstgewerbe.

Im weiteren Sinne und eum Ara.no Z-Als kann man auch einen Viel¬
könner wie Arthur Kampf und den nüchternen Armeleutemaler Baluschek zu
dieser Art Menzelschule rechnen. Sie stehen selbstverständlich künstlerisch höher,
aber viel größer ist ihr Ehrgeiz nicht. Als Akademiker mit modernem
(impressionistischen) Einschlag hat Kampf eine besondere Bedeutung. Aber es
gibt unter seinen sehr zahlreichen Werken kaum vieles, das aus der Freude
am rein Malerischen geboren ist; die Tendenz, die Historie überwiegt.

Liebermann hat selbstverständlich Schule gemacht. Direkt oder indirekt
hängt der ganze deutsche Impressionismus mit seiner starken Kunst zusammen.
Denn wie sehr der französische Impressionismus dem deutschen auch an inner¬
licher Kultur überlegen ist, die stärkeren Persönlichkeiten in Deutschland sind
viel unabhängiger von ihm als es scheint.

Mitstrebende, von Liebermann Befreundete, sind in erster Linie Max
Slevogt und Lovis Corinth. Beide zog es mit richtigem Gefühl für die
Gefährlichkeit der künstlerischen Atmosphäre Münchens von dort nach Berlin,
wo sie in Liebermanns Nähe ihren positiven Reichtum entwickeln konnten.
Slevogt ist der stärkere Phantasiemensch mit dein beweglicheren Temperamente.


Die deutsche Malerei der Gegenwart

diesen herben Impressionismus der deutschen Malerei erobert hat und viele
Künstler auf seinem Werk fußen, ist es nicht schwer, Impressionist zu sei« —
so wenig, daß die Bewegung zum größten Teile bereits ins Breite gegangen,
verflacht und überholt ist. Unvergänglich aber ist der Ruhm Liebermauns,
eine bedeutungsvolle Epoche der deutschen Malerei eingeleitet zu haben. Er
bleibt wohl für immer ihr größter Künstler, dein es gegeben ist, auf allen
Gebieten das Bedeutende zu leisten: in Landschaft, Porträt, Figurenbild, ja
auch in der Historie, obgleich hier der konsequente Naturalismus in wichtigen
Dingen versagt, ja versagen muß. Es gilt von ihm Ähnliches wie von Klingers
großen Bildern.

Wie hoch das Verdienst Liebermanns und seine ethische Strenge zu werten
sind, das erkennt man, wenn man neben seine Werke jene Akademiker stellt,
die aus demselben Menzel eine ganz andere Folgerung als er gezogen und
damit den Geschmack des neuen Reiches nach 1870 ausgedrückt haben. Es
sind die Maler mit dem Blick für alles inhaltlich Wesentliche, aber malerisch
nichtssagende, die wie Anton von Werner und seine Gesinnungsgenossen ent¬
weder patriotische Historiendarstellung betrieben oder wie Kraus und Meyer¬
heim das breite Publikum mit Genrebildern entzückten. Denn diese kannten
nicht den Menzel der Frühzeit, sie hielten sich an den späten Zeichner, dessen
peinliche Detailtreue ihrer Auffassung von Kunst als „Nachahmung der Natur"
entsprach. Schon heute weiß man auch in weiteren Kreisen, daß diese Auf¬
fassung irrig war, und daß alles, was die Werner und Kraus gemacht haben,
so wenig Kunst ist wie die Photographie. Ja, eine Photographie kann, wenn
sie mit Geschmack und Verstand gemacht wird, zum Kunstgewerbe zählen; jene
Bilder aber sind nicht einmal Kunstgewerbe.

Im weiteren Sinne und eum Ara.no Z-Als kann man auch einen Viel¬
könner wie Arthur Kampf und den nüchternen Armeleutemaler Baluschek zu
dieser Art Menzelschule rechnen. Sie stehen selbstverständlich künstlerisch höher,
aber viel größer ist ihr Ehrgeiz nicht. Als Akademiker mit modernem
(impressionistischen) Einschlag hat Kampf eine besondere Bedeutung. Aber es
gibt unter seinen sehr zahlreichen Werken kaum vieles, das aus der Freude
am rein Malerischen geboren ist; die Tendenz, die Historie überwiegt.

Liebermann hat selbstverständlich Schule gemacht. Direkt oder indirekt
hängt der ganze deutsche Impressionismus mit seiner starken Kunst zusammen.
Denn wie sehr der französische Impressionismus dem deutschen auch an inner¬
licher Kultur überlegen ist, die stärkeren Persönlichkeiten in Deutschland sind
viel unabhängiger von ihm als es scheint.

Mitstrebende, von Liebermann Befreundete, sind in erster Linie Max
Slevogt und Lovis Corinth. Beide zog es mit richtigem Gefühl für die
Gefährlichkeit der künstlerischen Atmosphäre Münchens von dort nach Berlin,
wo sie in Liebermanns Nähe ihren positiven Reichtum entwickeln konnten.
Slevogt ist der stärkere Phantasiemensch mit dein beweglicheren Temperamente.


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[0566] Die deutsche Malerei der Gegenwart diesen herben Impressionismus der deutschen Malerei erobert hat und viele Künstler auf seinem Werk fußen, ist es nicht schwer, Impressionist zu sei« — so wenig, daß die Bewegung zum größten Teile bereits ins Breite gegangen, verflacht und überholt ist. Unvergänglich aber ist der Ruhm Liebermauns, eine bedeutungsvolle Epoche der deutschen Malerei eingeleitet zu haben. Er bleibt wohl für immer ihr größter Künstler, dein es gegeben ist, auf allen Gebieten das Bedeutende zu leisten: in Landschaft, Porträt, Figurenbild, ja auch in der Historie, obgleich hier der konsequente Naturalismus in wichtigen Dingen versagt, ja versagen muß. Es gilt von ihm Ähnliches wie von Klingers großen Bildern. Wie hoch das Verdienst Liebermanns und seine ethische Strenge zu werten sind, das erkennt man, wenn man neben seine Werke jene Akademiker stellt, die aus demselben Menzel eine ganz andere Folgerung als er gezogen und damit den Geschmack des neuen Reiches nach 1870 ausgedrückt haben. Es sind die Maler mit dem Blick für alles inhaltlich Wesentliche, aber malerisch nichtssagende, die wie Anton von Werner und seine Gesinnungsgenossen ent¬ weder patriotische Historiendarstellung betrieben oder wie Kraus und Meyer¬ heim das breite Publikum mit Genrebildern entzückten. Denn diese kannten nicht den Menzel der Frühzeit, sie hielten sich an den späten Zeichner, dessen peinliche Detailtreue ihrer Auffassung von Kunst als „Nachahmung der Natur" entsprach. Schon heute weiß man auch in weiteren Kreisen, daß diese Auf¬ fassung irrig war, und daß alles, was die Werner und Kraus gemacht haben, so wenig Kunst ist wie die Photographie. Ja, eine Photographie kann, wenn sie mit Geschmack und Verstand gemacht wird, zum Kunstgewerbe zählen; jene Bilder aber sind nicht einmal Kunstgewerbe. Im weiteren Sinne und eum Ara.no Z-Als kann man auch einen Viel¬ könner wie Arthur Kampf und den nüchternen Armeleutemaler Baluschek zu dieser Art Menzelschule rechnen. Sie stehen selbstverständlich künstlerisch höher, aber viel größer ist ihr Ehrgeiz nicht. Als Akademiker mit modernem (impressionistischen) Einschlag hat Kampf eine besondere Bedeutung. Aber es gibt unter seinen sehr zahlreichen Werken kaum vieles, das aus der Freude am rein Malerischen geboren ist; die Tendenz, die Historie überwiegt. Liebermann hat selbstverständlich Schule gemacht. Direkt oder indirekt hängt der ganze deutsche Impressionismus mit seiner starken Kunst zusammen. Denn wie sehr der französische Impressionismus dem deutschen auch an inner¬ licher Kultur überlegen ist, die stärkeren Persönlichkeiten in Deutschland sind viel unabhängiger von ihm als es scheint. Mitstrebende, von Liebermann Befreundete, sind in erster Linie Max Slevogt und Lovis Corinth. Beide zog es mit richtigem Gefühl für die Gefährlichkeit der künstlerischen Atmosphäre Münchens von dort nach Berlin, wo sie in Liebermanns Nähe ihren positiven Reichtum entwickeln konnten. Slevogt ist der stärkere Phantasiemensch mit dein beweglicheren Temperamente.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/566>, abgerufen am 27.09.2024.