Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Reichsspiegel die größten Schäden in: Laufe der Jahrzehnte zur Folge gehabt und viele Reichsspiegel die größten Schäden in: Laufe der Jahrzehnte zur Folge gehabt und viele <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320917"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2192" prev="#ID_2191" next="#ID_2193"> die größten Schäden in: Laufe der Jahrzehnte zur Folge gehabt und viele<lb/> grunddeutsche Familien dem Mutterlande entfremdet. Nach Ausscheidung dieses<lb/> Verlustgrundes nähern wir uns dem an sich idealen Prinzin, daß, wer einmal<lb/> Deutscher ist, es auch sein Leben lang bleiben soll, vorausgesetzt, daß ihm der<lb/> Wille hierzu innewohnt. Die Fülle eines freiwilligen Ausscheidens bei den<lb/> Deutschen in: Auslande sind immer seltener geworden. Freiwillig verzichten heut¬<lb/> zutage die Deutschen in verhältnismäßig größerer Anzahl eigentlich nur noch in<lb/> den Vereinigten Staaten von Amerika auf ihre Reichsangehörigkeit. Hierbei<lb/> muß man berücksichtigen, daß ein großer Teil der nach den Vereinigten Staaten<lb/> auswandernden Teutschen dies mit der festen Absicht tut, dort ihre zweite<lb/> Heimat zu finden, und daß auch diejenigen, denen der Gedanke einer einst¬<lb/> maligen Rückkehr in die Heimat stets als wünschenswertes Ziel vor Augen<lb/> bleibt, bei der durch die amerikanischen politischen Zustände gegebenen engen<lb/> Verbindung des wirtschaftlichen und politischen Lebens es für angezeigt halten,<lb/> amerikanische Bürger zu werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse vielleicht noch<lb/> in Brasilien und Argentinien, im übrigen Südamerika dagegen, in Ostasien, im<lb/> Orient, in den englischen Kolonien und in ganz Europa hat der Deutsche nicht<lb/> die geringste Veranlassung, irgendwie freiwillig die Reichsangehörigkeit auf¬<lb/> zugeben. Und wenn auch die häufigen Klagen über mangelhafte Vertretung<lb/> der deutschen Interessen durch die Auslandsbehörden des Reiches nicht immer<lb/> unbegründet sind, so ist das Ansehen des Deutschen Reiches doch viel zu groß,<lb/> um nicht die Zugehörigkeit zu ihm als einen wertvollen Besitz erscheinen zu<lb/> lassen, und es kann erwartet werden, daß das freiwillige Aufgeben der<lb/> Neichsangehörigkeit von Jahr zu Jahr seltener wird. Um so richtiger aber<lb/> ist es, daß der Entwurf des neuen Gesetzes für den unfreiwilligen Erwerb<lb/> einer fremden Staatsangehörigkeit Vorsorge getroffen hat. Es ist nämlich die<lb/> Neuerung in das Gesetz aufgenommen worden, daß derjenige, der in einen<lb/> ausländischen Staatsangehörigkeitsverband eintritt, die Reichsangehörigkeit nicht<lb/> verlieren soll, wenn er auf seinen Antrag vorher die Genehmigung zur Beibehaltung<lb/> derselben erhalten hat. Daß diese Bestimmung manche Bedenken mit sich bringt,<lb/> liegt auf der Hand. Es drängt sich einem das Wort von der Unmöglichkeit,<lb/> zwei Herren dienen zu können, auf, und man könnte es vom moralischen<lb/> Gesichtspunkte aus vielleicht als bedenklich bezeichnen, wenn jemand, wie dies<lb/> in den Vereinigten Staaten von Amerika beim Erwerb des Bürgerrechtes er¬<lb/> forderlich ist, dem deutschen Kaiser durch schriftliche Versicherung an Eidesstatt<lb/> Respekt und Gehorsam aufkündigt, gleichzeitig dabei doch Deutscher bleiben<lb/> kann. An diese Fälle hat die Neichsregierung auch wohl gedacht, als sie an dieser<lb/> Stelle des Gesetzes die Zusatzbestimmung einfügte, daß der Reichskanzler ein für alle<lb/> Mal Personen, welche die Staatsangehörigkeit in einem bestimmten ausländischen<lb/> Staate erwerben, die Genehmigung zur Beibehaltung der Reichsangehörigkeit<lb/> generell versagen kann. Auf der anderen Seite darf man aber nicht<lb/> vergessen, daß in manchen Ländern die Ausübung einer wirklich gewinn-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
Reichsspiegel
die größten Schäden in: Laufe der Jahrzehnte zur Folge gehabt und viele
grunddeutsche Familien dem Mutterlande entfremdet. Nach Ausscheidung dieses
Verlustgrundes nähern wir uns dem an sich idealen Prinzin, daß, wer einmal
Deutscher ist, es auch sein Leben lang bleiben soll, vorausgesetzt, daß ihm der
Wille hierzu innewohnt. Die Fülle eines freiwilligen Ausscheidens bei den
Deutschen in: Auslande sind immer seltener geworden. Freiwillig verzichten heut¬
zutage die Deutschen in verhältnismäßig größerer Anzahl eigentlich nur noch in
den Vereinigten Staaten von Amerika auf ihre Reichsangehörigkeit. Hierbei
muß man berücksichtigen, daß ein großer Teil der nach den Vereinigten Staaten
auswandernden Teutschen dies mit der festen Absicht tut, dort ihre zweite
Heimat zu finden, und daß auch diejenigen, denen der Gedanke einer einst¬
maligen Rückkehr in die Heimat stets als wünschenswertes Ziel vor Augen
bleibt, bei der durch die amerikanischen politischen Zustände gegebenen engen
Verbindung des wirtschaftlichen und politischen Lebens es für angezeigt halten,
amerikanische Bürger zu werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse vielleicht noch
in Brasilien und Argentinien, im übrigen Südamerika dagegen, in Ostasien, im
Orient, in den englischen Kolonien und in ganz Europa hat der Deutsche nicht
die geringste Veranlassung, irgendwie freiwillig die Reichsangehörigkeit auf¬
zugeben. Und wenn auch die häufigen Klagen über mangelhafte Vertretung
der deutschen Interessen durch die Auslandsbehörden des Reiches nicht immer
unbegründet sind, so ist das Ansehen des Deutschen Reiches doch viel zu groß,
um nicht die Zugehörigkeit zu ihm als einen wertvollen Besitz erscheinen zu
lassen, und es kann erwartet werden, daß das freiwillige Aufgeben der
Neichsangehörigkeit von Jahr zu Jahr seltener wird. Um so richtiger aber
ist es, daß der Entwurf des neuen Gesetzes für den unfreiwilligen Erwerb
einer fremden Staatsangehörigkeit Vorsorge getroffen hat. Es ist nämlich die
Neuerung in das Gesetz aufgenommen worden, daß derjenige, der in einen
ausländischen Staatsangehörigkeitsverband eintritt, die Reichsangehörigkeit nicht
verlieren soll, wenn er auf seinen Antrag vorher die Genehmigung zur Beibehaltung
derselben erhalten hat. Daß diese Bestimmung manche Bedenken mit sich bringt,
liegt auf der Hand. Es drängt sich einem das Wort von der Unmöglichkeit,
zwei Herren dienen zu können, auf, und man könnte es vom moralischen
Gesichtspunkte aus vielleicht als bedenklich bezeichnen, wenn jemand, wie dies
in den Vereinigten Staaten von Amerika beim Erwerb des Bürgerrechtes er¬
forderlich ist, dem deutschen Kaiser durch schriftliche Versicherung an Eidesstatt
Respekt und Gehorsam aufkündigt, gleichzeitig dabei doch Deutscher bleiben
kann. An diese Fälle hat die Neichsregierung auch wohl gedacht, als sie an dieser
Stelle des Gesetzes die Zusatzbestimmung einfügte, daß der Reichskanzler ein für alle
Mal Personen, welche die Staatsangehörigkeit in einem bestimmten ausländischen
Staate erwerben, die Genehmigung zur Beibehaltung der Reichsangehörigkeit
generell versagen kann. Auf der anderen Seite darf man aber nicht
vergessen, daß in manchen Ländern die Ausübung einer wirklich gewinn-
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