Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Reichsspiegel Reichsangehörigkeit Der Reichstag hat die erste Lesung des Entwurfes eines neuen Neichs- Reichsspiegel Reichsangehörigkeit Der Reichstag hat die erste Lesung des Entwurfes eines neuen Neichs- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320916"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_320416/figures/grenzboten_341895_320416_320916_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Reichsspiegel<lb/></head><lb/> <div n="2"> <head> Reichsangehörigkeit</head><lb/> <p xml:id="ID_2191" next="#ID_2192"> Der Reichstag hat die erste Lesung des Entwurfes eines neuen Neichs-<lb/> und Staatsangehörigkeitsgesetzes beendigt und ihn einer Kommission von ein¬<lb/> undzwanzig Mitgliedern zur weiteren Bearbeitung überwiesen. Soviel Wünsche<lb/> und Abänderungsvorschläge auch von den einzelnen Rednern vorgebracht sind,<lb/> so findet der Grundzug des neuen Gesetzes doch die Zustimmung der Vertreter<lb/> aller Parteien einschließlich der Sozialdemokratie. Und dieser Grundzug ist die<lb/> möglichste Erschwerung des Verlustes der Reichsangehörigkeit. England geht<lb/> in seinen gesetzlichen Bestimmungen so weit, daß es an die Stelle einer mög¬<lb/> lichsten Erschwerung des Verlustes der Staatsangehörigkeit, wie wir sie erreichen<lb/> wollen, die volle Unmöglichkeit setzt. Wer die Verhältnisse der europäischen<lb/> Kolonien im Auslande kennt, der weiß, daß das englische Gesetz im großen<lb/> und ganzen recht daran getan und unzweifelhaft viel dazu beigetragen hat, das<lb/> Ausehen und den Einfluß des britischen Elements im Auslande zu verstärken.<lb/> Das Deutsche Reich sollte an sich das gleiche Interesse haben, denn die Deutschen,<lb/> welche vor allem als Kaufleute sowie auch als Beamte im Auslande ihren<lb/> Lebenserwerb suchen, gehören ebenso, wie dies bei den Engländern der Fall<lb/> ist. zu den besten Teilen der Nation. Selbst zu den Zeiten, in dem die jähr¬<lb/> liche Auswanderung Deutscher nach Nord- und Südamerika in die Hundert¬<lb/> tausende ging, sind es nicht die schlechtesten gewesen, die das Vaterland verlor,<lb/> sondern eS waren Angehörige uuserer strebsamsten und intelligentesten bürgerlichen<lb/> Kreise und unseres kräftigsten Bauernstandes. Je weniger von diesen Ausland-<lb/> Deutschen dem Vaterlande verloren gehen und je enger man ihre Interessen an<lb/> die des Heimatlandes knüpft, um so mehr wird unser Ansehen in der Welt<lb/> steigen, wird sich die Sicherheit für die Aufrechterhaltung unseres Warenexportes<lb/> vermehren und wird damit nicht nur der Nationalreichtum des Deutschen<lb/> Reiches selbst, sondern vor allem auch sein politischer Einfluß in der Welt<lb/> zunehmen. Es ist daher höchste Zeit, daß in dem neuen Gesetz mit der<lb/> alten Bestimmung ausgeräumt wird, nach der ein Deutscher durch ununter¬<lb/> brochenen zehnjährigen Aufenthalt im Auslande, falls er sich nicht in die<lb/> Matrikel des zuständigen Konsulats eintragen läßt, der Neichsangehörigkeit<lb/> verloren geht. Diese Bestimmung, die die schwerste staatsbürgerliche Kon¬<lb/> sequenz an die Nichterfüllung einer rein formalen Forderung knüpfte, hat</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0499]
[Abbildung]
Reichsspiegel
Reichsangehörigkeit
Der Reichstag hat die erste Lesung des Entwurfes eines neuen Neichs-
und Staatsangehörigkeitsgesetzes beendigt und ihn einer Kommission von ein¬
undzwanzig Mitgliedern zur weiteren Bearbeitung überwiesen. Soviel Wünsche
und Abänderungsvorschläge auch von den einzelnen Rednern vorgebracht sind,
so findet der Grundzug des neuen Gesetzes doch die Zustimmung der Vertreter
aller Parteien einschließlich der Sozialdemokratie. Und dieser Grundzug ist die
möglichste Erschwerung des Verlustes der Reichsangehörigkeit. England geht
in seinen gesetzlichen Bestimmungen so weit, daß es an die Stelle einer mög¬
lichsten Erschwerung des Verlustes der Staatsangehörigkeit, wie wir sie erreichen
wollen, die volle Unmöglichkeit setzt. Wer die Verhältnisse der europäischen
Kolonien im Auslande kennt, der weiß, daß das englische Gesetz im großen
und ganzen recht daran getan und unzweifelhaft viel dazu beigetragen hat, das
Ausehen und den Einfluß des britischen Elements im Auslande zu verstärken.
Das Deutsche Reich sollte an sich das gleiche Interesse haben, denn die Deutschen,
welche vor allem als Kaufleute sowie auch als Beamte im Auslande ihren
Lebenserwerb suchen, gehören ebenso, wie dies bei den Engländern der Fall
ist. zu den besten Teilen der Nation. Selbst zu den Zeiten, in dem die jähr¬
liche Auswanderung Deutscher nach Nord- und Südamerika in die Hundert¬
tausende ging, sind es nicht die schlechtesten gewesen, die das Vaterland verlor,
sondern eS waren Angehörige uuserer strebsamsten und intelligentesten bürgerlichen
Kreise und unseres kräftigsten Bauernstandes. Je weniger von diesen Ausland-
Deutschen dem Vaterlande verloren gehen und je enger man ihre Interessen an
die des Heimatlandes knüpft, um so mehr wird unser Ansehen in der Welt
steigen, wird sich die Sicherheit für die Aufrechterhaltung unseres Warenexportes
vermehren und wird damit nicht nur der Nationalreichtum des Deutschen
Reiches selbst, sondern vor allem auch sein politischer Einfluß in der Welt
zunehmen. Es ist daher höchste Zeit, daß in dem neuen Gesetz mit der
alten Bestimmung ausgeräumt wird, nach der ein Deutscher durch ununter¬
brochenen zehnjährigen Aufenthalt im Auslande, falls er sich nicht in die
Matrikel des zuständigen Konsulats eintragen läßt, der Neichsangehörigkeit
verloren geht. Diese Bestimmung, die die schwerste staatsbürgerliche Kon¬
sequenz an die Nichterfüllung einer rein formalen Forderung knüpfte, hat
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |