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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Line deutsche katholische Kirche

Luther und Bismarck, die beiden größten Vorkämpfer des Deutschtums,
hatten beide mit scharfem Blick erkannt, daß Rom für Deutschland eine stete
Gefahr bedeutete. Beiden galt das Papsttum als der ärgste Feind. Luther,
weil es den geistigen Fortschritt in der Kirche hinderte, und die Freiheit des
Christenmenschen anzutasten wagte, Bismarck, weil diese kirchlichen Fesseln ihre
rückwirkende Kraft auf das politische Leben Deutschlands ausübten, es ver-
undeutschten, seine Kräfte immer wieder zersplitterten, die Blicke seiner Bürger
von den eigenen Zuständen ablenkten und ihr nationales Empfinden ab¬
stumpften. Er hatte es richtig erkannt, daß das alte Deutsche Reich 1806 im
tiefsten Grunde an dem römischen Einflüsse, der alles deutsche Wesen, allen
deutschen Geist gebannt hatte, zugrunde gegangen war. Ein neues konnte nur
besser gedeihen, wenn es frei von römischem, ausländischem Einflüsse blieb.
Deutsche Freiheit, deutsche Gewissensfreiheit, deutsche politische Freiheit statt der
jedes geistige Emporstreben hemmenden römischen Fesseln. Deutsch mußte Deutsch¬
land denken und fühlen lernen, deutsches Selbstbewußtsein gegenüber den anderen
Nationen mußte in seinen Bürgern erwachen. Die Kräfte Roms hatten das
alles verhindert, ja hatten dem direkt entgegengearbeitet. Diesen gefährlichen
Einfluß zu beseitigen, das machte sich Bismarck in klarer Erkenntnis dessen,
was die deutsche Geschichte lehrte, zur Aufgabe.

Rom durchschaute seine Absichten sehr bald, und nahm nun den Kampf
gegen das neue Deutschland um so heftiger auf. Den von ihm beeinflußten
deutschen Katholiken gelang es sehr schnell, die in den Anfängen längst vor¬
handene Zentrumspartei ins Leben zu rufen, deren Ziel wurde: das deutsche
Kaisertum wie ganz Deutschland überhaupt unter römischen Einfluß zu bringen.
Und mag das Zentrum dies Ziel noch so sehr ableugnen, sein Ziel bleibt es
doch. Es ist und bleibt eine Partei, die nicht deutsche, sondern ausländische
Interessen vertritt. Wenn es das selbst nicht weiß, so ist das nur ein Zeichen
dafür, wie blind Rom seine Gläubigen schon gemacht hat.

Bismarck erkannte die Gefahren, die das Zentrum über Deutschland herauf¬
beschwor, heraufbeschwören mußte. Sollte es dem neuen Deutschen Reiche
ebenso ergehen wie dem alten? Sollte auch das neue Gebilde deutschen Wollens
durch Rom, durch römischen Einfluß, römischen Geist, römisches Wesen, römische
Knechtung und Engherzigkeit zugrunde gehen? Bismarck nahm den Kampf
gegen das Zentrum auf: gegen die undeutschen Deutschen, die sich in den Dienst
einer fremden Macht gestellt hatten, gegen diese Macht selbst, die sich in dreister
Weise in deutsche Angelegenheiten mischte, die sich nicht scheute, in Deutschland gegen
Deutschland zu Hetzen und zu wühlen! Es entbrannte der sogenannte Kulturkampf.

Bismarck unterlag. In Überschätzung seiner eigenen Macht war er falsch
vorgegangen. Nicht der damals unter liberalem Einfluß stehende Staat allein, nicht
die Staatsmänner durften den Kampf aufnehmen und führen, denn das erweckte
den Eindruck, als wolle der Staat die katholische Kirche als solche vernichten.
Der Kampf selbst mußte anderen überlassen werden: den deutschen Katholiken!


Line deutsche katholische Kirche

Luther und Bismarck, die beiden größten Vorkämpfer des Deutschtums,
hatten beide mit scharfem Blick erkannt, daß Rom für Deutschland eine stete
Gefahr bedeutete. Beiden galt das Papsttum als der ärgste Feind. Luther,
weil es den geistigen Fortschritt in der Kirche hinderte, und die Freiheit des
Christenmenschen anzutasten wagte, Bismarck, weil diese kirchlichen Fesseln ihre
rückwirkende Kraft auf das politische Leben Deutschlands ausübten, es ver-
undeutschten, seine Kräfte immer wieder zersplitterten, die Blicke seiner Bürger
von den eigenen Zuständen ablenkten und ihr nationales Empfinden ab¬
stumpften. Er hatte es richtig erkannt, daß das alte Deutsche Reich 1806 im
tiefsten Grunde an dem römischen Einflüsse, der alles deutsche Wesen, allen
deutschen Geist gebannt hatte, zugrunde gegangen war. Ein neues konnte nur
besser gedeihen, wenn es frei von römischem, ausländischem Einflüsse blieb.
Deutsche Freiheit, deutsche Gewissensfreiheit, deutsche politische Freiheit statt der
jedes geistige Emporstreben hemmenden römischen Fesseln. Deutsch mußte Deutsch¬
land denken und fühlen lernen, deutsches Selbstbewußtsein gegenüber den anderen
Nationen mußte in seinen Bürgern erwachen. Die Kräfte Roms hatten das
alles verhindert, ja hatten dem direkt entgegengearbeitet. Diesen gefährlichen
Einfluß zu beseitigen, das machte sich Bismarck in klarer Erkenntnis dessen,
was die deutsche Geschichte lehrte, zur Aufgabe.

Rom durchschaute seine Absichten sehr bald, und nahm nun den Kampf
gegen das neue Deutschland um so heftiger auf. Den von ihm beeinflußten
deutschen Katholiken gelang es sehr schnell, die in den Anfängen längst vor¬
handene Zentrumspartei ins Leben zu rufen, deren Ziel wurde: das deutsche
Kaisertum wie ganz Deutschland überhaupt unter römischen Einfluß zu bringen.
Und mag das Zentrum dies Ziel noch so sehr ableugnen, sein Ziel bleibt es
doch. Es ist und bleibt eine Partei, die nicht deutsche, sondern ausländische
Interessen vertritt. Wenn es das selbst nicht weiß, so ist das nur ein Zeichen
dafür, wie blind Rom seine Gläubigen schon gemacht hat.

Bismarck erkannte die Gefahren, die das Zentrum über Deutschland herauf¬
beschwor, heraufbeschwören mußte. Sollte es dem neuen Deutschen Reiche
ebenso ergehen wie dem alten? Sollte auch das neue Gebilde deutschen Wollens
durch Rom, durch römischen Einfluß, römischen Geist, römisches Wesen, römische
Knechtung und Engherzigkeit zugrunde gehen? Bismarck nahm den Kampf
gegen das Zentrum auf: gegen die undeutschen Deutschen, die sich in den Dienst
einer fremden Macht gestellt hatten, gegen diese Macht selbst, die sich in dreister
Weise in deutsche Angelegenheiten mischte, die sich nicht scheute, in Deutschland gegen
Deutschland zu Hetzen und zu wühlen! Es entbrannte der sogenannte Kulturkampf.

Bismarck unterlag. In Überschätzung seiner eigenen Macht war er falsch
vorgegangen. Nicht der damals unter liberalem Einfluß stehende Staat allein, nicht
die Staatsmänner durften den Kampf aufnehmen und führen, denn das erweckte
den Eindruck, als wolle der Staat die katholische Kirche als solche vernichten.
Der Kampf selbst mußte anderen überlassen werden: den deutschen Katholiken!


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[0314] Line deutsche katholische Kirche Luther und Bismarck, die beiden größten Vorkämpfer des Deutschtums, hatten beide mit scharfem Blick erkannt, daß Rom für Deutschland eine stete Gefahr bedeutete. Beiden galt das Papsttum als der ärgste Feind. Luther, weil es den geistigen Fortschritt in der Kirche hinderte, und die Freiheit des Christenmenschen anzutasten wagte, Bismarck, weil diese kirchlichen Fesseln ihre rückwirkende Kraft auf das politische Leben Deutschlands ausübten, es ver- undeutschten, seine Kräfte immer wieder zersplitterten, die Blicke seiner Bürger von den eigenen Zuständen ablenkten und ihr nationales Empfinden ab¬ stumpften. Er hatte es richtig erkannt, daß das alte Deutsche Reich 1806 im tiefsten Grunde an dem römischen Einflüsse, der alles deutsche Wesen, allen deutschen Geist gebannt hatte, zugrunde gegangen war. Ein neues konnte nur besser gedeihen, wenn es frei von römischem, ausländischem Einflüsse blieb. Deutsche Freiheit, deutsche Gewissensfreiheit, deutsche politische Freiheit statt der jedes geistige Emporstreben hemmenden römischen Fesseln. Deutsch mußte Deutsch¬ land denken und fühlen lernen, deutsches Selbstbewußtsein gegenüber den anderen Nationen mußte in seinen Bürgern erwachen. Die Kräfte Roms hatten das alles verhindert, ja hatten dem direkt entgegengearbeitet. Diesen gefährlichen Einfluß zu beseitigen, das machte sich Bismarck in klarer Erkenntnis dessen, was die deutsche Geschichte lehrte, zur Aufgabe. Rom durchschaute seine Absichten sehr bald, und nahm nun den Kampf gegen das neue Deutschland um so heftiger auf. Den von ihm beeinflußten deutschen Katholiken gelang es sehr schnell, die in den Anfängen längst vor¬ handene Zentrumspartei ins Leben zu rufen, deren Ziel wurde: das deutsche Kaisertum wie ganz Deutschland überhaupt unter römischen Einfluß zu bringen. Und mag das Zentrum dies Ziel noch so sehr ableugnen, sein Ziel bleibt es doch. Es ist und bleibt eine Partei, die nicht deutsche, sondern ausländische Interessen vertritt. Wenn es das selbst nicht weiß, so ist das nur ein Zeichen dafür, wie blind Rom seine Gläubigen schon gemacht hat. Bismarck erkannte die Gefahren, die das Zentrum über Deutschland herauf¬ beschwor, heraufbeschwören mußte. Sollte es dem neuen Deutschen Reiche ebenso ergehen wie dem alten? Sollte auch das neue Gebilde deutschen Wollens durch Rom, durch römischen Einfluß, römischen Geist, römisches Wesen, römische Knechtung und Engherzigkeit zugrunde gehen? Bismarck nahm den Kampf gegen das Zentrum auf: gegen die undeutschen Deutschen, die sich in den Dienst einer fremden Macht gestellt hatten, gegen diese Macht selbst, die sich in dreister Weise in deutsche Angelegenheiten mischte, die sich nicht scheute, in Deutschland gegen Deutschland zu Hetzen und zu wühlen! Es entbrannte der sogenannte Kulturkampf. Bismarck unterlag. In Überschätzung seiner eigenen Macht war er falsch vorgegangen. Nicht der damals unter liberalem Einfluß stehende Staat allein, nicht die Staatsmänner durften den Kampf aufnehmen und führen, denn das erweckte den Eindruck, als wolle der Staat die katholische Kirche als solche vernichten. Der Kampf selbst mußte anderen überlassen werden: den deutschen Katholiken!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/314>, abgerufen am 19.10.2024.