Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.vom "Geschmack" der Völker Studien vor der Lichtbildbühne von Dr, W, Warstat s/^^^X-'' Anstatt dessen hat sich allmählich in den führenden Ländern der Film- vom „Geschmack" der Völker Studien vor der Lichtbildbühne von Dr, W, Warstat s/^^^X-'' Anstatt dessen hat sich allmählich in den führenden Ländern der Film- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320710"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_320416/figures/grenzboten_341895_320416_320710_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> vom „Geschmack" der Völker<lb/> Studien vor der Lichtbildbühne<lb/><note type="byline"> von Dr, W, Warstat</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1206"> s/^^^X-''<lb/> MFÄiÄMi en literarischen Bühnen unserer Großstädte, deren Existenz schon an<lb/> sich kaum als eine mühe- und sorgenlose bezeichnet werden kann,<lb/> wird heute durch die so zahlreich ins Kraut oder besser ins Unkraut<lb/> schießenden „Lichtbildbühnen", durch die Kinematographentheater,<lb/> eine sehr fühlbare Konkurrenz gemacht. Die Mittel, welche man<lb/> zur Bekämpfung dieser Konkurrenz angewendet hat — Veranstaltung ganz billiger<lb/> Volksvorstellungen, Dauervorstellungen ein- und kurzaktiger Stücke u. a. — werden<lb/> so lange wenig Erfolg haben, als die Lichtbildbühne billiger arbeiten kann als<lb/> die literarische Bühne, und so lange, als die Filmindustrie mit feinem Gefühl<lb/> für den Geschmack der Masse deren Sensations- und Neuigkeitshunger zu befriedigen<lb/> versteht. Es ist um so mehr zu bedauern, daß die Lichtbildbühne sich mit dem<lb/> Umherplätschern und Umherstöbern in dieser teils seichten, teils trüben und<lb/> übelriechenden Flut begnügt, als sie die wirkliche Fähigkeit und daher auch die<lb/> Pflicht besitzt, wissens- und geschmacksbildende Werte zu produzieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1207" next="#ID_1208"> Anstatt dessen hat sich allmählich in den führenden Ländern der Film-<lb/> produktion, in Frankreich, in Italien, in Amerika und Dänemark ein jeweilig<lb/> durchaus eigenartiger Stil, ein deutlich bestimmter Geschmack herausgebildet, der<lb/> sich im Charakter der einzelnen Films so stark ausspricht, daß es für einen<lb/> einigermaßen geübten Beobachter keine Schwierigkeit hat, nach dem bloßen Ansehen<lb/> des Films ihn als einen französischen, italienischen, amerikanischen oder dänischen<lb/> zu bestimmen. Es ist bezeichnend, daß das deutsche Fabrikat eine solche „persönliche<lb/> Note" nicht auszuweisen hat. Das liegt zwar in erster Reihe daran, daß die<lb/> deutsche Filmindustrie noch beträchtlich hinter der ausländischen zurücksteht, die<lb/> den Weltmarkt beherrscht, zum Teil aber mit daran, daß wir Deutschen wieder<lb/> einmal bei uns den Schund aufnehmen, der von auswärts kommt. Dafür<lb/> kann man allerdings konstatieren, daß gerade die wissenschaftliche Kinematographie,<lb/> die Kinematographie mit pädagogischen Zwecken im weitesten Sinne, bei uns<lb/> in großer Blüte steht, daß aber gerade diese Gattung der Kinematographie im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0293]
[Abbildung]
vom „Geschmack" der Völker
Studien vor der Lichtbildbühne
von Dr, W, Warstat
s/^^^X-''
MFÄiÄMi en literarischen Bühnen unserer Großstädte, deren Existenz schon an
sich kaum als eine mühe- und sorgenlose bezeichnet werden kann,
wird heute durch die so zahlreich ins Kraut oder besser ins Unkraut
schießenden „Lichtbildbühnen", durch die Kinematographentheater,
eine sehr fühlbare Konkurrenz gemacht. Die Mittel, welche man
zur Bekämpfung dieser Konkurrenz angewendet hat — Veranstaltung ganz billiger
Volksvorstellungen, Dauervorstellungen ein- und kurzaktiger Stücke u. a. — werden
so lange wenig Erfolg haben, als die Lichtbildbühne billiger arbeiten kann als
die literarische Bühne, und so lange, als die Filmindustrie mit feinem Gefühl
für den Geschmack der Masse deren Sensations- und Neuigkeitshunger zu befriedigen
versteht. Es ist um so mehr zu bedauern, daß die Lichtbildbühne sich mit dem
Umherplätschern und Umherstöbern in dieser teils seichten, teils trüben und
übelriechenden Flut begnügt, als sie die wirkliche Fähigkeit und daher auch die
Pflicht besitzt, wissens- und geschmacksbildende Werte zu produzieren.
Anstatt dessen hat sich allmählich in den führenden Ländern der Film-
produktion, in Frankreich, in Italien, in Amerika und Dänemark ein jeweilig
durchaus eigenartiger Stil, ein deutlich bestimmter Geschmack herausgebildet, der
sich im Charakter der einzelnen Films so stark ausspricht, daß es für einen
einigermaßen geübten Beobachter keine Schwierigkeit hat, nach dem bloßen Ansehen
des Films ihn als einen französischen, italienischen, amerikanischen oder dänischen
zu bestimmen. Es ist bezeichnend, daß das deutsche Fabrikat eine solche „persönliche
Note" nicht auszuweisen hat. Das liegt zwar in erster Reihe daran, daß die
deutsche Filmindustrie noch beträchtlich hinter der ausländischen zurücksteht, die
den Weltmarkt beherrscht, zum Teil aber mit daran, daß wir Deutschen wieder
einmal bei uns den Schund aufnehmen, der von auswärts kommt. Dafür
kann man allerdings konstatieren, daß gerade die wissenschaftliche Kinematographie,
die Kinematographie mit pädagogischen Zwecken im weitesten Sinne, bei uns
in großer Blüte steht, daß aber gerade diese Gattung der Kinematographie im
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