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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Probleme des Industriebezirks

kann, und daß die Kosten dieses Transports bei weitem geringer sind als des
Transports der Kohlen, die bisher zur Erzeugung des Gases von den städtischen
Gaswerken bezogen wurden, so konnte die Gegend in weitem Umkreise des
Kohlendistrikts gleichfalls mit billigem Gas versorgt werden.

Der schnelle Fortschritt dieser vor kaum zwei Jahren eingeleiteten Zentrali¬
sierung der Gasversorgung eines Bezirks von der Größe einer Provinz
wird erklärlich durch die Vorgänge, die sich auf dem verwandten Gebiete
der Elektrizitätsversorgung im gleichen Bezirk abgespielt haben. So
hat das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk zu Essen in den
letzten sechs Jahren unter zäher Überwindung erheblicher Widerstände er¬
reicht, daß es fast ein Monopol der Elektrizitätslieferung im ganzen west¬
lichen Teil des Jndustriebezirks und in seiner Umgebung bis nach Eleve und
Köln hin besitzt. Im Laufe der hierdurch hervorgerufenen Kämpfe ist eine
merkliche Wandlung in der Stellung unserer Gemeindeverwaltungen zu privaten
Unternehmungen, die sich mit der Befriedigung öffentlicher Bedürfnisse befassen,
eingetreten. Man könnte an eine auf den eigentlichen Jndustriebezirk beschränkte
Erscheinung glauben. Aber neuerdings ist die Nachricht durch die Zeitungen
gegangen, daß auch die Stadt Königsberg i. Pr. den Betrieb ihres Elektrizitäts¬
werks und sogar ihrer Straßenbahnen an die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft
übertragen hat. Sollten sich nun auch derartige Fälle vermehren, so wäre es doch
voreilig, zu schließen, daß nunmehr der alte Streit über die Vorteile privater
oder öffentlicher Unternehmungsform auf diesem Gebiete so sehr zugunsten der
privaten Unternehmung entschieden sei, daß unsere Städte auch jene höheren
Rücksichten, die ihre Vorliebe für eigenen Betrieb stets unterstützt haben, fallen
lassen mußten. Das ist keineswegs der Fall, wie sich gerade aus der Geschichte
des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes ergibt.

Das im Jahre 1398 auf Grund eines Vertrages mit der Stadt Essen
daselbst von Lahmeyer u. Co. errichtete Elektrizitätswerk, das Rh. W. E., eine
Aktiengesellschaft mit einem Kapital von damals 2,8 Millionen Mark, gelangte
bald durch Übergang der Aktien in den Besitz der Großindustriellen Stinnes
und Thvssen. Hugo Stinnes, eine der markantesten Persönlichkeiten unseres
Unternehmertums, istj der Träger der seitherigen Entwicklung des Werkes.
Es beruht nunmehr auf einem Aktienkapital von 38 Millionen Mark, und
erzeugt 69 Millionen Kilowatt Elektrizität. Unter Berücksichtigung seines Ein¬
flusses auf eine Reihe angeschlossener Elektrizitäts-, Gas- und Straßenbahn-
gesellschaften stellt es eine der größten wirtschaftlichen Unternehmungen Deutsch¬
lands dar. Das ursprüngliche Werk versorgte die Stadt Essen 'und einige
umliegende Gemeinden mit Elektrizität. Es liegt neben der Stinnesschen
Zeche "Viktoria Mathias". Die unmittelbare Benutzung des in den dortigen
Kesseln erzeugten Dampfes als Betriebskraft ergab also bedeutende Ersparnisse,
die Elektrizität konnte anderseits in dem Zechenbetriebe selbst verwendet werden.
So fand das Werk für seine Maschinen gleichmäßige, Tag und Nacht dauernde


Probleme des Industriebezirks

kann, und daß die Kosten dieses Transports bei weitem geringer sind als des
Transports der Kohlen, die bisher zur Erzeugung des Gases von den städtischen
Gaswerken bezogen wurden, so konnte die Gegend in weitem Umkreise des
Kohlendistrikts gleichfalls mit billigem Gas versorgt werden.

Der schnelle Fortschritt dieser vor kaum zwei Jahren eingeleiteten Zentrali¬
sierung der Gasversorgung eines Bezirks von der Größe einer Provinz
wird erklärlich durch die Vorgänge, die sich auf dem verwandten Gebiete
der Elektrizitätsversorgung im gleichen Bezirk abgespielt haben. So
hat das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk zu Essen in den
letzten sechs Jahren unter zäher Überwindung erheblicher Widerstände er¬
reicht, daß es fast ein Monopol der Elektrizitätslieferung im ganzen west¬
lichen Teil des Jndustriebezirks und in seiner Umgebung bis nach Eleve und
Köln hin besitzt. Im Laufe der hierdurch hervorgerufenen Kämpfe ist eine
merkliche Wandlung in der Stellung unserer Gemeindeverwaltungen zu privaten
Unternehmungen, die sich mit der Befriedigung öffentlicher Bedürfnisse befassen,
eingetreten. Man könnte an eine auf den eigentlichen Jndustriebezirk beschränkte
Erscheinung glauben. Aber neuerdings ist die Nachricht durch die Zeitungen
gegangen, daß auch die Stadt Königsberg i. Pr. den Betrieb ihres Elektrizitäts¬
werks und sogar ihrer Straßenbahnen an die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft
übertragen hat. Sollten sich nun auch derartige Fälle vermehren, so wäre es doch
voreilig, zu schließen, daß nunmehr der alte Streit über die Vorteile privater
oder öffentlicher Unternehmungsform auf diesem Gebiete so sehr zugunsten der
privaten Unternehmung entschieden sei, daß unsere Städte auch jene höheren
Rücksichten, die ihre Vorliebe für eigenen Betrieb stets unterstützt haben, fallen
lassen mußten. Das ist keineswegs der Fall, wie sich gerade aus der Geschichte
des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes ergibt.

Das im Jahre 1398 auf Grund eines Vertrages mit der Stadt Essen
daselbst von Lahmeyer u. Co. errichtete Elektrizitätswerk, das Rh. W. E., eine
Aktiengesellschaft mit einem Kapital von damals 2,8 Millionen Mark, gelangte
bald durch Übergang der Aktien in den Besitz der Großindustriellen Stinnes
und Thvssen. Hugo Stinnes, eine der markantesten Persönlichkeiten unseres
Unternehmertums, istj der Träger der seitherigen Entwicklung des Werkes.
Es beruht nunmehr auf einem Aktienkapital von 38 Millionen Mark, und
erzeugt 69 Millionen Kilowatt Elektrizität. Unter Berücksichtigung seines Ein¬
flusses auf eine Reihe angeschlossener Elektrizitäts-, Gas- und Straßenbahn-
gesellschaften stellt es eine der größten wirtschaftlichen Unternehmungen Deutsch¬
lands dar. Das ursprüngliche Werk versorgte die Stadt Essen 'und einige
umliegende Gemeinden mit Elektrizität. Es liegt neben der Stinnesschen
Zeche „Viktoria Mathias". Die unmittelbare Benutzung des in den dortigen
Kesseln erzeugten Dampfes als Betriebskraft ergab also bedeutende Ersparnisse,
die Elektrizität konnte anderseits in dem Zechenbetriebe selbst verwendet werden.
So fand das Werk für seine Maschinen gleichmäßige, Tag und Nacht dauernde


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[0234] Probleme des Industriebezirks kann, und daß die Kosten dieses Transports bei weitem geringer sind als des Transports der Kohlen, die bisher zur Erzeugung des Gases von den städtischen Gaswerken bezogen wurden, so konnte die Gegend in weitem Umkreise des Kohlendistrikts gleichfalls mit billigem Gas versorgt werden. Der schnelle Fortschritt dieser vor kaum zwei Jahren eingeleiteten Zentrali¬ sierung der Gasversorgung eines Bezirks von der Größe einer Provinz wird erklärlich durch die Vorgänge, die sich auf dem verwandten Gebiete der Elektrizitätsversorgung im gleichen Bezirk abgespielt haben. So hat das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk zu Essen in den letzten sechs Jahren unter zäher Überwindung erheblicher Widerstände er¬ reicht, daß es fast ein Monopol der Elektrizitätslieferung im ganzen west¬ lichen Teil des Jndustriebezirks und in seiner Umgebung bis nach Eleve und Köln hin besitzt. Im Laufe der hierdurch hervorgerufenen Kämpfe ist eine merkliche Wandlung in der Stellung unserer Gemeindeverwaltungen zu privaten Unternehmungen, die sich mit der Befriedigung öffentlicher Bedürfnisse befassen, eingetreten. Man könnte an eine auf den eigentlichen Jndustriebezirk beschränkte Erscheinung glauben. Aber neuerdings ist die Nachricht durch die Zeitungen gegangen, daß auch die Stadt Königsberg i. Pr. den Betrieb ihres Elektrizitäts¬ werks und sogar ihrer Straßenbahnen an die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft übertragen hat. Sollten sich nun auch derartige Fälle vermehren, so wäre es doch voreilig, zu schließen, daß nunmehr der alte Streit über die Vorteile privater oder öffentlicher Unternehmungsform auf diesem Gebiete so sehr zugunsten der privaten Unternehmung entschieden sei, daß unsere Städte auch jene höheren Rücksichten, die ihre Vorliebe für eigenen Betrieb stets unterstützt haben, fallen lassen mußten. Das ist keineswegs der Fall, wie sich gerade aus der Geschichte des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes ergibt. Das im Jahre 1398 auf Grund eines Vertrages mit der Stadt Essen daselbst von Lahmeyer u. Co. errichtete Elektrizitätswerk, das Rh. W. E., eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von damals 2,8 Millionen Mark, gelangte bald durch Übergang der Aktien in den Besitz der Großindustriellen Stinnes und Thvssen. Hugo Stinnes, eine der markantesten Persönlichkeiten unseres Unternehmertums, istj der Träger der seitherigen Entwicklung des Werkes. Es beruht nunmehr auf einem Aktienkapital von 38 Millionen Mark, und erzeugt 69 Millionen Kilowatt Elektrizität. Unter Berücksichtigung seines Ein¬ flusses auf eine Reihe angeschlossener Elektrizitäts-, Gas- und Straßenbahn- gesellschaften stellt es eine der größten wirtschaftlichen Unternehmungen Deutsch¬ lands dar. Das ursprüngliche Werk versorgte die Stadt Essen 'und einige umliegende Gemeinden mit Elektrizität. Es liegt neben der Stinnesschen Zeche „Viktoria Mathias". Die unmittelbare Benutzung des in den dortigen Kesseln erzeugten Dampfes als Betriebskraft ergab also bedeutende Ersparnisse, die Elektrizität konnte anderseits in dem Zechenbetriebe selbst verwendet werden. So fand das Werk für seine Maschinen gleichmäßige, Tag und Nacht dauernde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/234>, abgerufen am 27.09.2024.