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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Probleme des Industriebezirks

Beschäftigung. Wichtiger noch war, daß es durch den Besitzwechsel in einen
Zusammenhang großer Bergwerksunternehmungen eingetreten war, die Lieferung
der Elektrizität an diese erlangte, oder wo einzelne Zechen bereits mit eigenen
Elektrizitätsanlagen versehen waren, mit ihnen ein Vertragsverhältnis eingehen
konnte, wonach das Rh. W. E. im Bedarfsfalle ihnen die über der Leistungs¬
fähigkeit der eigenen Maschinen erforderliche Elektrizität liefert, also Reserve¬
anlagen erspart, seinerseits aber zeitweilig nicht verwendbare elektrische Kraft in
seine Leitungen aufnimmt.

Es ist bekannt, daß mit der Menge und gleichmäßigen Abgabe der erzeugten
Kraft die Erzeugung der Elektrizität sich bedeutend verbilligt. Darauf fußt
technisch der Plan der Erweiterung des Rh. W. E. Es ging darauf aus, feinen
Absatz vermöge der weiten Leitungsfähigkeit des elektrischen Stromes über die
ganze Gegend zu verbreiten, zugleich aber durch Vereinbarungen mit den Ge¬
meinden, denen finanzielle Vorteile, eine Abgabe nach dem Maßstabe des
Absatzes im Gemeindebezirk zugesichert wurde, sich ein Monopol der Versorgung
zu verschaffen. Außerordentlich kräftige Maschinen wurden aufgestellt, für die
Fortleitung des Stromes mit Rücksicht auf das künftige Wachsen des Verbrauchs
von vornherein starke Leitungen gewählt, und sogleich der Grundsatz verfolgt,
diese Leitungen nur unterirdisch zu verlegen. Großabnehmern wurden sehr
günstige Bedingungen gestellt und sie damit schnell gewonnen. Außer den Berg¬
werken war es n amentlich der Eisenbahnfiskus, der mit dem Rh. W. E. wegen
Beleuchtung der Bahnhöfe abschloß und ihm das wichtige Recht verlieh, zur
Legung der Kabel die Bahndämme benutzen und aus diesen Leitungen auch andere
Konsumenten versorgen zu dürfen. Damit konnte das Rh. W. E. so ziemlich in
jede Gemeinde eindringen und die wichtigsten gewerblichen Betriebe, soweit sie
Bahnanschluß hatten, als Abnehmer gewinnen.

Von Gemeinden schlossen sich mehrere gern an, zumal das Rh. W. E. ihnen
die Wahl ließ, als Großabnehmer aufzutreten und die erhaltene Elektrizität
durch ein ihnen gehöriges Leitungsnetz selbst den Einwohnern zu liefern. Die
Widerstrebenden waren in keiner günstigen Lage. Ihr Machtmittel ist das
Verfügungsrecht über die öffentlichen Straßen, die zur Fortführung der Kabel
erforderlich waren, aber die besten Kunden konnten auf dem Umwege der
Eisenbahn gewonnen werden. So zerrann für viele der Traum eines eigenen Elek¬
trizitätswerks. Wollten sie sich nun aber die unleugbar mit der billigen ElektriMts-
lieferung verbundenen Vorzüge sichern, so mußten sie auch auf die Bedingungen des
Rh. W. E. eingehen, die auf Erringung einer dauernden Monopolstellung aus¬
gingen: Vertragsdauer von dreißig Jahren, Lieferungsmonopol zu gebundenem
Tarif, Monopol der Benutzung der Straßen zu Leitungen, womit das Eindringen
anderer Elektrizitätsgesellschaften verhindert wurde, und ein Vorzugsrecht nach
Ablauf der Vertragszeit.

Das hierin zutage tretende Streben mußte Bedenken hinsichtlich der freien
'Entwicklung der kommunalen Betätigung auf einem so wichtigen und zukunfts-


Probleme des Industriebezirks

Beschäftigung. Wichtiger noch war, daß es durch den Besitzwechsel in einen
Zusammenhang großer Bergwerksunternehmungen eingetreten war, die Lieferung
der Elektrizität an diese erlangte, oder wo einzelne Zechen bereits mit eigenen
Elektrizitätsanlagen versehen waren, mit ihnen ein Vertragsverhältnis eingehen
konnte, wonach das Rh. W. E. im Bedarfsfalle ihnen die über der Leistungs¬
fähigkeit der eigenen Maschinen erforderliche Elektrizität liefert, also Reserve¬
anlagen erspart, seinerseits aber zeitweilig nicht verwendbare elektrische Kraft in
seine Leitungen aufnimmt.

Es ist bekannt, daß mit der Menge und gleichmäßigen Abgabe der erzeugten
Kraft die Erzeugung der Elektrizität sich bedeutend verbilligt. Darauf fußt
technisch der Plan der Erweiterung des Rh. W. E. Es ging darauf aus, feinen
Absatz vermöge der weiten Leitungsfähigkeit des elektrischen Stromes über die
ganze Gegend zu verbreiten, zugleich aber durch Vereinbarungen mit den Ge¬
meinden, denen finanzielle Vorteile, eine Abgabe nach dem Maßstabe des
Absatzes im Gemeindebezirk zugesichert wurde, sich ein Monopol der Versorgung
zu verschaffen. Außerordentlich kräftige Maschinen wurden aufgestellt, für die
Fortleitung des Stromes mit Rücksicht auf das künftige Wachsen des Verbrauchs
von vornherein starke Leitungen gewählt, und sogleich der Grundsatz verfolgt,
diese Leitungen nur unterirdisch zu verlegen. Großabnehmern wurden sehr
günstige Bedingungen gestellt und sie damit schnell gewonnen. Außer den Berg¬
werken war es n amentlich der Eisenbahnfiskus, der mit dem Rh. W. E. wegen
Beleuchtung der Bahnhöfe abschloß und ihm das wichtige Recht verlieh, zur
Legung der Kabel die Bahndämme benutzen und aus diesen Leitungen auch andere
Konsumenten versorgen zu dürfen. Damit konnte das Rh. W. E. so ziemlich in
jede Gemeinde eindringen und die wichtigsten gewerblichen Betriebe, soweit sie
Bahnanschluß hatten, als Abnehmer gewinnen.

Von Gemeinden schlossen sich mehrere gern an, zumal das Rh. W. E. ihnen
die Wahl ließ, als Großabnehmer aufzutreten und die erhaltene Elektrizität
durch ein ihnen gehöriges Leitungsnetz selbst den Einwohnern zu liefern. Die
Widerstrebenden waren in keiner günstigen Lage. Ihr Machtmittel ist das
Verfügungsrecht über die öffentlichen Straßen, die zur Fortführung der Kabel
erforderlich waren, aber die besten Kunden konnten auf dem Umwege der
Eisenbahn gewonnen werden. So zerrann für viele der Traum eines eigenen Elek¬
trizitätswerks. Wollten sie sich nun aber die unleugbar mit der billigen ElektriMts-
lieferung verbundenen Vorzüge sichern, so mußten sie auch auf die Bedingungen des
Rh. W. E. eingehen, die auf Erringung einer dauernden Monopolstellung aus¬
gingen: Vertragsdauer von dreißig Jahren, Lieferungsmonopol zu gebundenem
Tarif, Monopol der Benutzung der Straßen zu Leitungen, womit das Eindringen
anderer Elektrizitätsgesellschaften verhindert wurde, und ein Vorzugsrecht nach
Ablauf der Vertragszeit.

Das hierin zutage tretende Streben mußte Bedenken hinsichtlich der freien
'Entwicklung der kommunalen Betätigung auf einem so wichtigen und zukunfts-


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[0235] Probleme des Industriebezirks Beschäftigung. Wichtiger noch war, daß es durch den Besitzwechsel in einen Zusammenhang großer Bergwerksunternehmungen eingetreten war, die Lieferung der Elektrizität an diese erlangte, oder wo einzelne Zechen bereits mit eigenen Elektrizitätsanlagen versehen waren, mit ihnen ein Vertragsverhältnis eingehen konnte, wonach das Rh. W. E. im Bedarfsfalle ihnen die über der Leistungs¬ fähigkeit der eigenen Maschinen erforderliche Elektrizität liefert, also Reserve¬ anlagen erspart, seinerseits aber zeitweilig nicht verwendbare elektrische Kraft in seine Leitungen aufnimmt. Es ist bekannt, daß mit der Menge und gleichmäßigen Abgabe der erzeugten Kraft die Erzeugung der Elektrizität sich bedeutend verbilligt. Darauf fußt technisch der Plan der Erweiterung des Rh. W. E. Es ging darauf aus, feinen Absatz vermöge der weiten Leitungsfähigkeit des elektrischen Stromes über die ganze Gegend zu verbreiten, zugleich aber durch Vereinbarungen mit den Ge¬ meinden, denen finanzielle Vorteile, eine Abgabe nach dem Maßstabe des Absatzes im Gemeindebezirk zugesichert wurde, sich ein Monopol der Versorgung zu verschaffen. Außerordentlich kräftige Maschinen wurden aufgestellt, für die Fortleitung des Stromes mit Rücksicht auf das künftige Wachsen des Verbrauchs von vornherein starke Leitungen gewählt, und sogleich der Grundsatz verfolgt, diese Leitungen nur unterirdisch zu verlegen. Großabnehmern wurden sehr günstige Bedingungen gestellt und sie damit schnell gewonnen. Außer den Berg¬ werken war es n amentlich der Eisenbahnfiskus, der mit dem Rh. W. E. wegen Beleuchtung der Bahnhöfe abschloß und ihm das wichtige Recht verlieh, zur Legung der Kabel die Bahndämme benutzen und aus diesen Leitungen auch andere Konsumenten versorgen zu dürfen. Damit konnte das Rh. W. E. so ziemlich in jede Gemeinde eindringen und die wichtigsten gewerblichen Betriebe, soweit sie Bahnanschluß hatten, als Abnehmer gewinnen. Von Gemeinden schlossen sich mehrere gern an, zumal das Rh. W. E. ihnen die Wahl ließ, als Großabnehmer aufzutreten und die erhaltene Elektrizität durch ein ihnen gehöriges Leitungsnetz selbst den Einwohnern zu liefern. Die Widerstrebenden waren in keiner günstigen Lage. Ihr Machtmittel ist das Verfügungsrecht über die öffentlichen Straßen, die zur Fortführung der Kabel erforderlich waren, aber die besten Kunden konnten auf dem Umwege der Eisenbahn gewonnen werden. So zerrann für viele der Traum eines eigenen Elek¬ trizitätswerks. Wollten sie sich nun aber die unleugbar mit der billigen ElektriMts- lieferung verbundenen Vorzüge sichern, so mußten sie auch auf die Bedingungen des Rh. W. E. eingehen, die auf Erringung einer dauernden Monopolstellung aus¬ gingen: Vertragsdauer von dreißig Jahren, Lieferungsmonopol zu gebundenem Tarif, Monopol der Benutzung der Straßen zu Leitungen, womit das Eindringen anderer Elektrizitätsgesellschaften verhindert wurde, und ein Vorzugsrecht nach Ablauf der Vertragszeit. Das hierin zutage tretende Streben mußte Bedenken hinsichtlich der freien 'Entwicklung der kommunalen Betätigung auf einem so wichtigen und zukunfts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/235>, abgerufen am 09.01.2025.