Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Probleme des Jndustriebezirks Worte des früheren Düsseldorfer Oberbürgermeisters Marx, daß es in der wirt¬ Schon hat sich der Streit der Theoretiker der Erscheinung bemächtigt. Diese Gedanken sind es, die auch heute die weitere Ausbreitung solcher Grenzboten I 1912 29
Probleme des Jndustriebezirks Worte des früheren Düsseldorfer Oberbürgermeisters Marx, daß es in der wirt¬ Schon hat sich der Streit der Theoretiker der Erscheinung bemächtigt. Diese Gedanken sind es, die auch heute die weitere Ausbreitung solcher Grenzboten I 1912 29
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Probleme des Jndustriebezirks
Worte des früheren Düsseldorfer Oberbürgermeisters Marx, daß es in der wirt¬
schaftlichen Betätigung der Städte ein moti me tanMrs nicht mehr gebet
Schon hat sich der Streit der Theoretiker der Erscheinung bemächtigt.
Man erblickt von einer Seite darin die Anfänge einer Art „Munizipalsozialismus",
der Beschaffung wirtschaftlicher Güter mittels Monopolbetriebes der organisierten
Gesamtheit, unter Ausschaltung der privaten Unternehmung. Einzelne italienische
Städte sind an die praktische Ausgestaltung dieser Idee herangegangen. Für
unsere deutschen Städte trifft dies nun sicher nicht zu. Der Gedanke sozialistischer
Versuche, einer Feindschaft gegen die private Unternehmung liegt ihren liberalen Ver¬
waltungen fern. Einseitig ist es aber auch, von einem Munizipal„industrialismus"
zu sprechen, einem Streben nach Gewinn durch Beteiligung der Stadt am
gewerblichen Leben. Wer die Berichte über „Kommunalbetriebe" durchblättert,
die vom „Verein für Sozialpolitik" aus einer Reihe von Städten ver¬
öffentlicht sind, erkennt sofort, daß nicht der in Aussicht stehende finanzielle
Gewinn die Städte zur Übernahme und Gründung solcher Unternehmungen
veranlaßte. Vielmehr stand in erster Linie die Rücksicht auf das Allgemeinwohl,
das Interesse an: dauernden ordnungsmäßigen Betrieb jener Werke, an der
Güte und Zugänglichkeit ihrer Leistungen für das ganze Stadtgebiet. Ein
ideeller Trieb tritt hinzu: das Gelingen des Unternehmens erweckt nicht bloß
Befriedigung über die günstigen finanziellen Ergebnisse, sondern auch den Bürger¬
stolz an einer musterhaften Einrichtung der eigenen Stadt, die Freude über den
Erfolg der hineingesteckten selbstlosen Arbeit.
Diese Gedanken sind es, die auch heute die weitere Ausbreitung solcher
städtischen Unternehmungen fördern. Auffallen muß es daher, daß nach neueren
Nachrichten eine rückläufige Bewegung einzutreten scheint. Im Ruhrkohlenrevier
hat eine ganze Reihe von Städten ihre Gaswerke stillgelegt und bezieht ihr
Gas von den Koksöfen großer Zechen. Es handelt sich da um ganz gewaltige
Gasmengen, und die Bewegung beschränkt sich nicht bloß auf das eigentliche
Kohlenrevier, sondern hat auch nach Barmer, Nemscheid, Solingen übergegriffen,
wohin das Gas durch leistungsfähige Fernleitungen befördert wird. Bleibt
hier auch den Städten die Verwaltung des Leitungsnetzes und die Bestimmung
über Abgabe und Preis des Gases, so geraten sie doch in eine von vornherein
keineswegs unbedenklich scheinende Abhängigkeit vom Betriebe ihrer Lieferanten,
und z. B. im Falle eines Streiks in den Bergwerken könnten daraus schwere
Schädigungen entstehen, ohne daß der Stadt eine Einwirkung zur Beseitigung
gegeben wäre. Die Vorteile sind freilich unverkennbar. Die Masse des in den
Koksöfen entstehenden Gases, das früher unbenutzt in der Luft verloren ging,
kann auch heute noch nicht vollständig im Betriebe der Zechen selbst verbraucht werden.
Nachdem man aber gelernt hatte, es in solcher Reinheit herzustellen, daß es auch zur
Beleuchtung dienen kann, lag es nahe, es billig an die größten Verbraucher des
Artikels, an die Gemeinden, abzugeben. Und da zugleich die Erfahrung lehrte, daß
es auf weite Strecken, bis über 50 Kilometer, ohne großen Verlust geleitet werden
Grenzboten I 1912 29
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