Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Reichsspicgel Marokko festsetzen lassen, nicht um sie besonders auszuzeichnen, sondern um die In dem vereinigten Königreiche ist seit Jahren die Gewerkschafts¬ wirtschaftsverhältnisse und Wirtschaftspolitik Belgiens In Brüssel fand am 4. Januar d. Is. eine Versammlung des Verbandes Reichsspicgel Marokko festsetzen lassen, nicht um sie besonders auszuzeichnen, sondern um die In dem vereinigten Königreiche ist seit Jahren die Gewerkschafts¬ wirtschaftsverhältnisse und Wirtschaftspolitik Belgiens In Brüssel fand am 4. Januar d. Is. eine Versammlung des Verbandes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320572"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspicgel</fw><lb/> <p xml:id="ID_562" prev="#ID_561"> Marokko festsetzen lassen, nicht um sie besonders auszuzeichnen, sondern um die<lb/> Position der Franzosen in Marokko selbst zu schwächen und um für die englische<lb/> Politik einen Bundesgenossen zu gewinnen, dessen Häfen sowohl auf derNord-<lb/> wie auf der Südküste des Mittelmeeres Stützpunkte einer englischen, gegen<lb/> Frankreich operierenden Flotte sein würden. Frankreich dürfte in den nächsten<lb/> Wochen und Monaten ein schweres diplomatisches Werk zu leisten haben. Wenn<lb/> es heute in seinem Kampf isoliert ist, so ist daran niemand anders schuld, als<lb/> die Politik des Herrn Delcassö bis zum Jahre 1905.---</p><lb/> <p xml:id="ID_563"> In dem vereinigten Königreiche ist seit Jahren die Gewerkschafts¬<lb/> bewegung zu einer revolutionären, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes<lb/> schwer bedrohenden Gefahr erstarkt. Konnte im vergangenen Sommer die<lb/> Regierung einem alles Räderwerk stillstellenden Generalstreik durch den Hinweis<lb/> auf eine internationale Verwicklung den Boden entziehen, so dürfte bei dem<lb/> bevorstehenden Generalstreik ein ähnliches Manöver keine Wirkung mehr haben.<lb/> Nachdem es vor aller Welt und somit auch vor den englischen Arbeitern offen<lb/> da steht, daß im letzten Sommer und Herbst nicht Deutschland der Friedens¬<lb/> störer war, sondern England, werden die englischen Arbeiter zum zweiten Male<lb/> nicht auf ein Märchen hineinfallen, das wesentlich dazu erfunden wurde, um<lb/> der inneren Schwierigkeiten um so leichter Herr werden zu können. Die deutsche<lb/> Politik hat sich während der ganzen Krise im Sommer so eminent friedlich<lb/> erwiesen, und die wirtschaftlichen Ziele der deutschen Politik in Afrika sind seit<lb/> einem Jahrzehnt mit so konsequenter Ruhe festgehalten worden und stehen als<lb/> friedlicher Konkurrenzkampf so erhaben über den aggressiven Manieren der<lb/> Briten, daß auch die englischen Arbeiter erkannt haben werden, wie wenig<lb/> Gefahr ihnen von deutscher Seite droht. Auf den Schützen springt der Pfeil<lb/> zurück. Im englischen Kohlenbergbau sind rund 1027500 Personen beschäftigt.<lb/> Die Förderung betrug im Jahre 1910 264000433 Tonnen Kohle. Von dieser<lb/> gewaltigen Förderung gehen allein auf den Inlandsbedarf rund 180000000<lb/> Tonnen und von diesen wieder rund 12,5 Millionen Tonnen zur Heizung<lb/> der Eisenbahnlokomotiven ab. Wenn nun auch im Hinblick auf den bevor¬<lb/> stehenden Streik die Eisenbahnen und wohl auch die Staatswerkstätten<lb/> und die Marine vorgesorgt haben, so würde ein Aufstand von längerer<lb/> Dauer viele Fabriken zum Stillstand nötigen und zur Einschränkung von Eisen¬<lb/> bahn- und Schiffsverkehr führen, da in erster Linie die kleinere Hilfsindustrie<lb/><note type="byline"> G. Li,</note> lahm gelegt werden würde. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> wirtschaftsverhältnisse und Wirtschaftspolitik Belgiens</head><lb/> <p xml:id="ID_564" next="#ID_565"> In Brüssel fand am 4. Januar d. Is. eine Versammlung des Verbandes<lb/> zur Verteidigung der Industrie Belgiens statt, um Maßregeln zur Bekämpfung<lb/> des ausländischen Wettbewerbes zu beschließen. Auf der Tagesordnung stand<lb/> auch eine lobende Anerkennung für den Eisenbahnminister, der durch ein Rund¬<lb/> schreiben an alle Behörden angeordnet hat, daß bei Verdingungen von Eisen-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
Reichsspicgel
Marokko festsetzen lassen, nicht um sie besonders auszuzeichnen, sondern um die
Position der Franzosen in Marokko selbst zu schwächen und um für die englische
Politik einen Bundesgenossen zu gewinnen, dessen Häfen sowohl auf derNord-
wie auf der Südküste des Mittelmeeres Stützpunkte einer englischen, gegen
Frankreich operierenden Flotte sein würden. Frankreich dürfte in den nächsten
Wochen und Monaten ein schweres diplomatisches Werk zu leisten haben. Wenn
es heute in seinem Kampf isoliert ist, so ist daran niemand anders schuld, als
die Politik des Herrn Delcassö bis zum Jahre 1905.---
In dem vereinigten Königreiche ist seit Jahren die Gewerkschafts¬
bewegung zu einer revolutionären, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes
schwer bedrohenden Gefahr erstarkt. Konnte im vergangenen Sommer die
Regierung einem alles Räderwerk stillstellenden Generalstreik durch den Hinweis
auf eine internationale Verwicklung den Boden entziehen, so dürfte bei dem
bevorstehenden Generalstreik ein ähnliches Manöver keine Wirkung mehr haben.
Nachdem es vor aller Welt und somit auch vor den englischen Arbeitern offen
da steht, daß im letzten Sommer und Herbst nicht Deutschland der Friedens¬
störer war, sondern England, werden die englischen Arbeiter zum zweiten Male
nicht auf ein Märchen hineinfallen, das wesentlich dazu erfunden wurde, um
der inneren Schwierigkeiten um so leichter Herr werden zu können. Die deutsche
Politik hat sich während der ganzen Krise im Sommer so eminent friedlich
erwiesen, und die wirtschaftlichen Ziele der deutschen Politik in Afrika sind seit
einem Jahrzehnt mit so konsequenter Ruhe festgehalten worden und stehen als
friedlicher Konkurrenzkampf so erhaben über den aggressiven Manieren der
Briten, daß auch die englischen Arbeiter erkannt haben werden, wie wenig
Gefahr ihnen von deutscher Seite droht. Auf den Schützen springt der Pfeil
zurück. Im englischen Kohlenbergbau sind rund 1027500 Personen beschäftigt.
Die Förderung betrug im Jahre 1910 264000433 Tonnen Kohle. Von dieser
gewaltigen Förderung gehen allein auf den Inlandsbedarf rund 180000000
Tonnen und von diesen wieder rund 12,5 Millionen Tonnen zur Heizung
der Eisenbahnlokomotiven ab. Wenn nun auch im Hinblick auf den bevor¬
stehenden Streik die Eisenbahnen und wohl auch die Staatswerkstätten
und die Marine vorgesorgt haben, so würde ein Aufstand von längerer
Dauer viele Fabriken zum Stillstand nötigen und zur Einschränkung von Eisen¬
bahn- und Schiffsverkehr führen, da in erster Linie die kleinere Hilfsindustrie
G. Li, lahm gelegt werden würde.
wirtschaftsverhältnisse und Wirtschaftspolitik Belgiens
In Brüssel fand am 4. Januar d. Is. eine Versammlung des Verbandes
zur Verteidigung der Industrie Belgiens statt, um Maßregeln zur Bekämpfung
des ausländischen Wettbewerbes zu beschließen. Auf der Tagesordnung stand
auch eine lobende Anerkennung für den Eisenbahnminister, der durch ein Rund¬
schreiben an alle Behörden angeordnet hat, daß bei Verdingungen von Eisen-
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