den Abhang des Hügels verstreut, stehen zahlreiche kleine Häuser, in denen sich die Wohnungen der Lamas befinden. Diese Häuser sind ebenfalls von tibetanischer Bauart, d. h. zweistöckige Backsteinhäuser, bei denen das zweite Stockwerk stufen¬ artig hinter das Erdgeschoß zurücktritt. Wir haben eine dieser Lamabehausungen angesehen, die einen recht netten und sauberen Eindruck machte.
Der letzte Tempel, den wir nun noch besichtigten, heißt P'u-ring-sze', doch wird er meist nach einer etwa siebzig Fuß hohen hölzernen, vergoldeten Statue der Göttin Kuau-piu, die sich in demselben befindet, Ta-fo-szL, d. h. Tempel des großen Buddha, genannt. Der Haupttempel hat die Gestalt einer breiten Pagode mit mehreren geschweiften Dächern übereinander. Die ganze Anlage mit den zahlreichen, in verschiedenen Stilarten gehaltenen Nebenbauten ist nicht übel, jedoch nicht entfernt zu vergleichen mit den beiden vorhin beschriebenen Tempeln. Auch bietet dieser Tempel ein Bild trostloser Verwahrlosung.
Hochbefriedigt und mit aufrichtigen: Tante für das liebenswürdige Ent¬ gegenkommen allerseits kehrten wir in unseren Gasthof zurück. Ich sagte dem einen der Mandarine: "Wir sind in Ihrem geehrten Lande allenthalben mit der größten Zuvorkonimenheit behandelt worden und können für die uns erwiesene Gastfreundschaft nicht dankbar genug sein. Man steht, daß das Wort des Konfucius: .Wenn Freunde aus fernen Landen dich besuchen, ist das nicht eine Freude?' auch heute noch in China unvergessen ist." Das klassische Zitat schien ihm Freude zu machen, und er erwiderte: "Das ist doch selbstverständlich und wir sind überzeugt, daß wir in Ihrem geehrten Lande dieselbe Aufnahme finden würden, wie Sie bei uns."
Welchem Umstände wir es zu danken haben, daß wir seit einhundertfünf Jahren die ersten Fremden sind, denen der Zutritt zu diesen verbotenen Tempeln gewährt worden ist, ist uns selbst ein Rätsel. Ich vermute, es ist einfach darauf zurückzuführen, daß wir uns wie gesittete Menschen betrugen, was hier zu Lande unter deu Vertretern der christlichen Zivilisation so selten vorkommt.
I)r. F. schreibt unseren Erfolg dem Skandal zu, den er vor einigen Jahren dort angerichtet hat. Dadurch sei der Präfekt so eingeschüchtert morden, daß er jetzt jedem Fremden zu Diensten stehe. Merkwürdigerweise sind aber seitdem verschiedene Ausländer, u. a. auch Herr und Frau v. P. in Jehol gewesen, ohne Zutritt zu den Tempeln erlangen zu können.
Zurück schlugen wir einen anderen Weg ein, der zwar eine Tagereise weiter, dafür aber um so genußreicher war, als der erste. In einer meist von Mon¬ golen bewohnten Stadt Pa-ton trat plötzlich ein chinesisch gekleideter englischer Missionar an uns heran und lud uns in sehr freundlicher Weise ein, bei ihm abzusteigen. Das lehnten wir dankend ab, da wir uns bereits in unserem Gasthofe häuslich eingerichtet hatten. Dafür nahmen wir aber seine Einladung, wenigstens bei ihm zu essen, gern an. Er war ein ganz netter und freund¬ licher Mann, aber seine Frau, Mrs. Se., die mich durch ihren martialischen schwarzen Schnurrbart an die schwarze Marie in Fehrleiten erinnerte, war tröst-
Briefe aus Lhina
den Abhang des Hügels verstreut, stehen zahlreiche kleine Häuser, in denen sich die Wohnungen der Lamas befinden. Diese Häuser sind ebenfalls von tibetanischer Bauart, d. h. zweistöckige Backsteinhäuser, bei denen das zweite Stockwerk stufen¬ artig hinter das Erdgeschoß zurücktritt. Wir haben eine dieser Lamabehausungen angesehen, die einen recht netten und sauberen Eindruck machte.
Der letzte Tempel, den wir nun noch besichtigten, heißt P'u-ring-sze', doch wird er meist nach einer etwa siebzig Fuß hohen hölzernen, vergoldeten Statue der Göttin Kuau-piu, die sich in demselben befindet, Ta-fo-szL, d. h. Tempel des großen Buddha, genannt. Der Haupttempel hat die Gestalt einer breiten Pagode mit mehreren geschweiften Dächern übereinander. Die ganze Anlage mit den zahlreichen, in verschiedenen Stilarten gehaltenen Nebenbauten ist nicht übel, jedoch nicht entfernt zu vergleichen mit den beiden vorhin beschriebenen Tempeln. Auch bietet dieser Tempel ein Bild trostloser Verwahrlosung.
Hochbefriedigt und mit aufrichtigen: Tante für das liebenswürdige Ent¬ gegenkommen allerseits kehrten wir in unseren Gasthof zurück. Ich sagte dem einen der Mandarine: „Wir sind in Ihrem geehrten Lande allenthalben mit der größten Zuvorkonimenheit behandelt worden und können für die uns erwiesene Gastfreundschaft nicht dankbar genug sein. Man steht, daß das Wort des Konfucius: .Wenn Freunde aus fernen Landen dich besuchen, ist das nicht eine Freude?' auch heute noch in China unvergessen ist." Das klassische Zitat schien ihm Freude zu machen, und er erwiderte: „Das ist doch selbstverständlich und wir sind überzeugt, daß wir in Ihrem geehrten Lande dieselbe Aufnahme finden würden, wie Sie bei uns."
Welchem Umstände wir es zu danken haben, daß wir seit einhundertfünf Jahren die ersten Fremden sind, denen der Zutritt zu diesen verbotenen Tempeln gewährt worden ist, ist uns selbst ein Rätsel. Ich vermute, es ist einfach darauf zurückzuführen, daß wir uns wie gesittete Menschen betrugen, was hier zu Lande unter deu Vertretern der christlichen Zivilisation so selten vorkommt.
I)r. F. schreibt unseren Erfolg dem Skandal zu, den er vor einigen Jahren dort angerichtet hat. Dadurch sei der Präfekt so eingeschüchtert morden, daß er jetzt jedem Fremden zu Diensten stehe. Merkwürdigerweise sind aber seitdem verschiedene Ausländer, u. a. auch Herr und Frau v. P. in Jehol gewesen, ohne Zutritt zu den Tempeln erlangen zu können.
Zurück schlugen wir einen anderen Weg ein, der zwar eine Tagereise weiter, dafür aber um so genußreicher war, als der erste. In einer meist von Mon¬ golen bewohnten Stadt Pa-ton trat plötzlich ein chinesisch gekleideter englischer Missionar an uns heran und lud uns in sehr freundlicher Weise ein, bei ihm abzusteigen. Das lehnten wir dankend ab, da wir uns bereits in unserem Gasthofe häuslich eingerichtet hatten. Dafür nahmen wir aber seine Einladung, wenigstens bei ihm zu essen, gern an. Er war ein ganz netter und freund¬ licher Mann, aber seine Frau, Mrs. Se., die mich durch ihren martialischen schwarzen Schnurrbart an die schwarze Marie in Fehrleiten erinnerte, war tröst-
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Briefe aus Lhina
den Abhang des Hügels verstreut, stehen zahlreiche kleine Häuser, in denen sich
die Wohnungen der Lamas befinden. Diese Häuser sind ebenfalls von tibetanischer
Bauart, d. h. zweistöckige Backsteinhäuser, bei denen das zweite Stockwerk stufen¬
artig hinter das Erdgeschoß zurücktritt. Wir haben eine dieser Lamabehausungen
angesehen, die einen recht netten und sauberen Eindruck machte.
Der letzte Tempel, den wir nun noch besichtigten, heißt P'u-ring-sze', doch
wird er meist nach einer etwa siebzig Fuß hohen hölzernen, vergoldeten Statue
der Göttin Kuau-piu, die sich in demselben befindet, Ta-fo-szL, d. h. Tempel
des großen Buddha, genannt. Der Haupttempel hat die Gestalt einer breiten
Pagode mit mehreren geschweiften Dächern übereinander. Die ganze Anlage
mit den zahlreichen, in verschiedenen Stilarten gehaltenen Nebenbauten ist nicht
übel, jedoch nicht entfernt zu vergleichen mit den beiden vorhin beschriebenen
Tempeln. Auch bietet dieser Tempel ein Bild trostloser Verwahrlosung.
Hochbefriedigt und mit aufrichtigen: Tante für das liebenswürdige Ent¬
gegenkommen allerseits kehrten wir in unseren Gasthof zurück. Ich sagte
dem einen der Mandarine: „Wir sind in Ihrem geehrten Lande allenthalben
mit der größten Zuvorkonimenheit behandelt worden und können für die uns
erwiesene Gastfreundschaft nicht dankbar genug sein. Man steht, daß das Wort
des Konfucius: .Wenn Freunde aus fernen Landen dich besuchen, ist das nicht
eine Freude?' auch heute noch in China unvergessen ist." Das klassische Zitat
schien ihm Freude zu machen, und er erwiderte: „Das ist doch selbstverständlich
und wir sind überzeugt, daß wir in Ihrem geehrten Lande dieselbe Aufnahme
finden würden, wie Sie bei uns."
Welchem Umstände wir es zu danken haben, daß wir seit einhundertfünf
Jahren die ersten Fremden sind, denen der Zutritt zu diesen verbotenen Tempeln
gewährt worden ist, ist uns selbst ein Rätsel. Ich vermute, es ist einfach darauf
zurückzuführen, daß wir uns wie gesittete Menschen betrugen, was hier zu Lande
unter deu Vertretern der christlichen Zivilisation so selten vorkommt.
I)r. F. schreibt unseren Erfolg dem Skandal zu, den er vor einigen Jahren
dort angerichtet hat. Dadurch sei der Präfekt so eingeschüchtert morden,
daß er jetzt jedem Fremden zu Diensten stehe. Merkwürdigerweise sind aber
seitdem verschiedene Ausländer, u. a. auch Herr und Frau v. P. in Jehol
gewesen, ohne Zutritt zu den Tempeln erlangen zu können.
Zurück schlugen wir einen anderen Weg ein, der zwar eine Tagereise weiter,
dafür aber um so genußreicher war, als der erste. In einer meist von Mon¬
golen bewohnten Stadt Pa-ton trat plötzlich ein chinesisch gekleideter englischer
Missionar an uns heran und lud uns in sehr freundlicher Weise ein, bei ihm
abzusteigen. Das lehnten wir dankend ab, da wir uns bereits in unserem
Gasthofe häuslich eingerichtet hatten. Dafür nahmen wir aber seine Einladung,
wenigstens bei ihm zu essen, gern an. Er war ein ganz netter und freund¬
licher Mann, aber seine Frau, Mrs. Se., die mich durch ihren martialischen
schwarzen Schnurrbart an die schwarze Marie in Fehrleiten erinnerte, war tröst-
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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/652>, abgerufen am 24.01.2025.
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