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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Die deutsche Diamantenregie

Der Hauptunterschied der Systeme liegt nicht allein darin, daß für die eng¬
lischen Diamanten die Zentralhandelsstelle in der Heimat, für die deutschen aber
im Auslande ist, sondern er liegt vor allem darin, daß die englischen Diamanten
prinzipiell nicht an eine bestimmte Händlergruppe verkauft werden. Gewiß
mag es zweckmäßig erscheinen, einen, wenn auch ausländischen, so doch neutralen
Zwischenhändler zu haben, der die deutsche Produknon zu ihrem allergrößten
Teile aufzunehmen und an den Kleinkonsum abzusetzen vermag. Dennoch hat
das zentralisierte Verkaufssystem der deutschen Diamantenregie auch seine großen
Nachteile.

Zunächst wird durch die dauernde Verkaufsverbindung mit dem Antwerpener
Syndikat die Bildung eines wirklich deutschen Diamantenmarktes vereitelt. Dann
aber kann die Regie in eine derartige Abhängigkeit von dem Antwerpener
Syndikat gebracht werden, daß bei schlechter Konjunktur das Syndikat die deutsche
Produktion nur weniger willig und auch nur zu einem niedrigeren Preise über¬
nehmen könnte, als es der Marktlage entspräche. Die deutsche Regie muß
aber mit solchen kritischen Zeiten rechnen. Auch die südafrikanische Premier¬
mine hatte ursprünglich mit einer bestimmten Handelsfirma einen General¬
vertrieb so ertrag abgeschlossen, ist aber in der Folge von diesem System
abgekommen. Gerade eine dezentralisierte Vertriebsorganisation hat den großen
Vorzug, daß ihr ein Stamm einer größeren Anzahl Handelsfirmen, von denen
jede auch in Zeiten schlechter Konjunktur einen gewissen Bedarf hat, in seiner
Gesamtheit die Abnahme einer erheblichen Menge zu leidlichen Preisen garantiert.
Endlich ist noch ein weiterer sehr erheblicher Nachteil des zentralisierten deutschen
Systems zu betonen: Die Konkurrenz und die zur Aufbietung gelangenden
Serien sichern der Regie eine bessere Kontrolle über den Wert der Steine als
der zentrale Verkauf an ein bestimmtes Syndikat! Mit Rücksicht auf die Klagen,
die von einzelnen Diamantengesellschaften dauernd erhoben werden, dürste der
deutschen Diamantenregie solche Wertkontrolle durch den freien Wettbewerb sehr
erwünscht sein, zumal ihre eigene Arbeits- und Sortierorganisation doch erst in
der Ausbildung begriffen ist.

Es darf die Erwartung ausgesprochen werden, daß die Regie bestrebt sein
wird, allmählich einen deutschen Diamantenhandel zu entwickeln, der sie von
der Vormundschaft der Antwerpener Händlergruppe befreit, und zwar müßten
die zweckentsprechenden Vorkehrungen so zeitig wie möglich getroffen werden,
da eine eintretende Krisis am Diamantenmarkt jeden Systemwechsel wesentlich
erschweren würde. Der Vertrag der Regie mit dem belgischen Händlersyndikat
läuft bis Mitte des Jahres 1912, so daß es an der Zeit wäre, der Frage
der Bildung eines deutschen Händlersyndikats näher zu treten. Es hat denn
auch kürzlich in Hanau eine wichtige Besprechung dieser Angelegenheit statt¬
gefunden, wobei der Unterstaatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Conze und
der Reichskommissar für die Deutsche Diamantregie-Gesellschaft Dr. v. Jakobs
anwesend waren, um sich über die Verhältnisse der Hanauer Diamantschleifereien


Die deutsche Diamantenregie

Der Hauptunterschied der Systeme liegt nicht allein darin, daß für die eng¬
lischen Diamanten die Zentralhandelsstelle in der Heimat, für die deutschen aber
im Auslande ist, sondern er liegt vor allem darin, daß die englischen Diamanten
prinzipiell nicht an eine bestimmte Händlergruppe verkauft werden. Gewiß
mag es zweckmäßig erscheinen, einen, wenn auch ausländischen, so doch neutralen
Zwischenhändler zu haben, der die deutsche Produknon zu ihrem allergrößten
Teile aufzunehmen und an den Kleinkonsum abzusetzen vermag. Dennoch hat
das zentralisierte Verkaufssystem der deutschen Diamantenregie auch seine großen
Nachteile.

Zunächst wird durch die dauernde Verkaufsverbindung mit dem Antwerpener
Syndikat die Bildung eines wirklich deutschen Diamantenmarktes vereitelt. Dann
aber kann die Regie in eine derartige Abhängigkeit von dem Antwerpener
Syndikat gebracht werden, daß bei schlechter Konjunktur das Syndikat die deutsche
Produktion nur weniger willig und auch nur zu einem niedrigeren Preise über¬
nehmen könnte, als es der Marktlage entspräche. Die deutsche Regie muß
aber mit solchen kritischen Zeiten rechnen. Auch die südafrikanische Premier¬
mine hatte ursprünglich mit einer bestimmten Handelsfirma einen General¬
vertrieb so ertrag abgeschlossen, ist aber in der Folge von diesem System
abgekommen. Gerade eine dezentralisierte Vertriebsorganisation hat den großen
Vorzug, daß ihr ein Stamm einer größeren Anzahl Handelsfirmen, von denen
jede auch in Zeiten schlechter Konjunktur einen gewissen Bedarf hat, in seiner
Gesamtheit die Abnahme einer erheblichen Menge zu leidlichen Preisen garantiert.
Endlich ist noch ein weiterer sehr erheblicher Nachteil des zentralisierten deutschen
Systems zu betonen: Die Konkurrenz und die zur Aufbietung gelangenden
Serien sichern der Regie eine bessere Kontrolle über den Wert der Steine als
der zentrale Verkauf an ein bestimmtes Syndikat! Mit Rücksicht auf die Klagen,
die von einzelnen Diamantengesellschaften dauernd erhoben werden, dürste der
deutschen Diamantenregie solche Wertkontrolle durch den freien Wettbewerb sehr
erwünscht sein, zumal ihre eigene Arbeits- und Sortierorganisation doch erst in
der Ausbildung begriffen ist.

Es darf die Erwartung ausgesprochen werden, daß die Regie bestrebt sein
wird, allmählich einen deutschen Diamantenhandel zu entwickeln, der sie von
der Vormundschaft der Antwerpener Händlergruppe befreit, und zwar müßten
die zweckentsprechenden Vorkehrungen so zeitig wie möglich getroffen werden,
da eine eintretende Krisis am Diamantenmarkt jeden Systemwechsel wesentlich
erschweren würde. Der Vertrag der Regie mit dem belgischen Händlersyndikat
läuft bis Mitte des Jahres 1912, so daß es an der Zeit wäre, der Frage
der Bildung eines deutschen Händlersyndikats näher zu treten. Es hat denn
auch kürzlich in Hanau eine wichtige Besprechung dieser Angelegenheit statt¬
gefunden, wobei der Unterstaatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Conze und
der Reichskommissar für die Deutsche Diamantregie-Gesellschaft Dr. v. Jakobs
anwesend waren, um sich über die Verhältnisse der Hanauer Diamantschleifereien


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[0548] Die deutsche Diamantenregie Der Hauptunterschied der Systeme liegt nicht allein darin, daß für die eng¬ lischen Diamanten die Zentralhandelsstelle in der Heimat, für die deutschen aber im Auslande ist, sondern er liegt vor allem darin, daß die englischen Diamanten prinzipiell nicht an eine bestimmte Händlergruppe verkauft werden. Gewiß mag es zweckmäßig erscheinen, einen, wenn auch ausländischen, so doch neutralen Zwischenhändler zu haben, der die deutsche Produknon zu ihrem allergrößten Teile aufzunehmen und an den Kleinkonsum abzusetzen vermag. Dennoch hat das zentralisierte Verkaufssystem der deutschen Diamantenregie auch seine großen Nachteile. Zunächst wird durch die dauernde Verkaufsverbindung mit dem Antwerpener Syndikat die Bildung eines wirklich deutschen Diamantenmarktes vereitelt. Dann aber kann die Regie in eine derartige Abhängigkeit von dem Antwerpener Syndikat gebracht werden, daß bei schlechter Konjunktur das Syndikat die deutsche Produktion nur weniger willig und auch nur zu einem niedrigeren Preise über¬ nehmen könnte, als es der Marktlage entspräche. Die deutsche Regie muß aber mit solchen kritischen Zeiten rechnen. Auch die südafrikanische Premier¬ mine hatte ursprünglich mit einer bestimmten Handelsfirma einen General¬ vertrieb so ertrag abgeschlossen, ist aber in der Folge von diesem System abgekommen. Gerade eine dezentralisierte Vertriebsorganisation hat den großen Vorzug, daß ihr ein Stamm einer größeren Anzahl Handelsfirmen, von denen jede auch in Zeiten schlechter Konjunktur einen gewissen Bedarf hat, in seiner Gesamtheit die Abnahme einer erheblichen Menge zu leidlichen Preisen garantiert. Endlich ist noch ein weiterer sehr erheblicher Nachteil des zentralisierten deutschen Systems zu betonen: Die Konkurrenz und die zur Aufbietung gelangenden Serien sichern der Regie eine bessere Kontrolle über den Wert der Steine als der zentrale Verkauf an ein bestimmtes Syndikat! Mit Rücksicht auf die Klagen, die von einzelnen Diamantengesellschaften dauernd erhoben werden, dürste der deutschen Diamantenregie solche Wertkontrolle durch den freien Wettbewerb sehr erwünscht sein, zumal ihre eigene Arbeits- und Sortierorganisation doch erst in der Ausbildung begriffen ist. Es darf die Erwartung ausgesprochen werden, daß die Regie bestrebt sein wird, allmählich einen deutschen Diamantenhandel zu entwickeln, der sie von der Vormundschaft der Antwerpener Händlergruppe befreit, und zwar müßten die zweckentsprechenden Vorkehrungen so zeitig wie möglich getroffen werden, da eine eintretende Krisis am Diamantenmarkt jeden Systemwechsel wesentlich erschweren würde. Der Vertrag der Regie mit dem belgischen Händlersyndikat läuft bis Mitte des Jahres 1912, so daß es an der Zeit wäre, der Frage der Bildung eines deutschen Händlersyndikats näher zu treten. Es hat denn auch kürzlich in Hanau eine wichtige Besprechung dieser Angelegenheit statt¬ gefunden, wobei der Unterstaatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Conze und der Reichskommissar für die Deutsche Diamantregie-Gesellschaft Dr. v. Jakobs anwesend waren, um sich über die Verhältnisse der Hanauer Diamantschleifereien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/548>, abgerufen am 23.07.2024.