Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel der Lächerlichkeit preis, und das muß als Dokument der Geschichte unserer Zeit Herr Claß meint, das stimme nichts Er hatte nämlich, wie er selbst sagt, Es ist unglaublich, daß einem Manne mit so miserablen geographischen Die Magdeburgische Zeitung ist anderer Ansicht. Sie schreibt zu dem G, Li. Deutsch - englische Handelsbeziehungen Die Regelung unseres Zollverhältnisses zum Britischen Reiche ist bisher durch Reichsspiegel der Lächerlichkeit preis, und das muß als Dokument der Geschichte unserer Zeit Herr Claß meint, das stimme nichts Er hatte nämlich, wie er selbst sagt, Es ist unglaublich, daß einem Manne mit so miserablen geographischen Die Magdeburgische Zeitung ist anderer Ansicht. Sie schreibt zu dem G, Li. Deutsch - englische Handelsbeziehungen Die Regelung unseres Zollverhältnisses zum Britischen Reiche ist bisher durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320065"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2003" prev="#ID_2002"> der Lächerlichkeit preis, und das muß als Dokument der Geschichte unserer Zeit<lb/> festgehalten werden. Herr Rechtsanwalt Heinrich Claß, Vorsitzender des<lb/> Altdeutschen Verbandes und somit alleinberechtigter und. ausschließlich befähigter<lb/> Wahrer der deutschen Ehre und Leiter von Deutschlands Weltallpolitik, korrigiert<lb/> die Auslassungen des Herrn v. Kiderlen in der Budgetkommission des Reichs¬<lb/> tags, die da lauteten: „Die Broschüre (Marokko deutsch) ^würde übrigens<lb/> anders beurteilt worden sein, wenn sie vollständig erschienen wäre, denn weiter<lb/> habe darin gestanden, wir sollten nicht nur Marokko,'sondern auch das Rhone-<lb/> Departement uns friedlich aneignen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2004"> Herr Claß meint, das stimme nichts Er hatte nämlich, wie er selbst sagt,<lb/> geschrieben: „Als Friedenspreis solle manWandabtretungen von Nancy nord¬<lb/> westlich bis zur Mündung der Somme, südwestlich !von da bis Toulon ins<lb/> Auge fassen..... Diese im Entwurf stehenden Ausführungen waren so gemeint,<lb/> daß sie der Erhaltung des Friedens dienen sollten..."</p><lb/> <p xml:id="ID_2005"> Es ist unglaublich, daß einem Manne mit so miserablen geographischen<lb/> Kenntnissen, dem es nicht stets gegenwärtig ist, daß Toulon nicht im Rhone-<lb/> Departement, sondern im benachbarten Departement Var liegt, die Leitung der<lb/> deutschen auswärtigen Politik anvertraut werden konnte. Wie konnte der Kaiser<lb/> auch nur Herrn Rechtsanwalt Heinrich Claß aus Mainz übersehen?!</p><lb/> <p xml:id="ID_2006"> Die Magdeburgische Zeitung ist anderer Ansicht. Sie schreibt zu dem<lb/> Briefe des Herrn Claß: „Kann man es danach Herrn v. Kiderlen verdenken,<lb/> wenn er hier seiner Neigung, Witze zu machen, nicht zu widerstehen vermag?"</p><lb/> <note type="byline"> G, Li.</note><lb/> </div> <div n="2"> <head> Deutsch - englische Handelsbeziehungen</head><lb/> <p xml:id="ID_2007"> Die Regelung unseres Zollverhältnisses zum Britischen Reiche ist bisher durch<lb/> Reichsgesetz in der Regel ans die Dauer von zwei Jahren erfolgt. Das letzte Gesetz<lb/> datiert vom Dezember 1909 und läuft am 31. Dezember 1911 ab. Durch das<lb/> Gesetz wird jeweils dem Bundesrate die Ermächtigung erteilt, Großbritannien und<lb/> seinen Kolonien und Besitzungen die Meistbegünstigung einzuräumen. Zurzeit<lb/> genießen das Mutterland und sämtliche britischen Kolonien die Meistbegünstigung<lb/> in Deutschland; bis zum Frühjahre 1910 war bekanntlich Kanada davon aus¬<lb/> geschlossen. Die Regelung ist auf deutscher Seite eine völlig autonome; der<lb/> Bundesrat kann jederzeit das eine oder andere britische Kolonialland oder auch<lb/> Großbritannien selbst von der Meistbegünstigung ausnehmen. Da in nächster<lb/> Zeit voraussichtlich über den kanadisch-amerikanischen Neziprozitätsvertrag<lb/> entschieden sein wird, so wird die Frage entstehen, ob bei Inkrafttreten<lb/> dieses Vertrages Kanada weiterhin die Meistbegünstigung in Deutschland gewährt<lb/> werden soll oder nicht. Die Lösung der Frage hängt davon ab, ob Kanada<lb/> Deutschland den Mitgenuß der den Vereinigten Staaten eingeräumten Zoll¬<lb/> begünstigungen zugestehen wird. Am besten wäre es, wenn bis dahin ein end¬<lb/> gültiger Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Kanada zustande käme.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
Reichsspiegel
der Lächerlichkeit preis, und das muß als Dokument der Geschichte unserer Zeit
festgehalten werden. Herr Rechtsanwalt Heinrich Claß, Vorsitzender des
Altdeutschen Verbandes und somit alleinberechtigter und. ausschließlich befähigter
Wahrer der deutschen Ehre und Leiter von Deutschlands Weltallpolitik, korrigiert
die Auslassungen des Herrn v. Kiderlen in der Budgetkommission des Reichs¬
tags, die da lauteten: „Die Broschüre (Marokko deutsch) ^würde übrigens
anders beurteilt worden sein, wenn sie vollständig erschienen wäre, denn weiter
habe darin gestanden, wir sollten nicht nur Marokko,'sondern auch das Rhone-
Departement uns friedlich aneignen."
Herr Claß meint, das stimme nichts Er hatte nämlich, wie er selbst sagt,
geschrieben: „Als Friedenspreis solle manWandabtretungen von Nancy nord¬
westlich bis zur Mündung der Somme, südwestlich !von da bis Toulon ins
Auge fassen..... Diese im Entwurf stehenden Ausführungen waren so gemeint,
daß sie der Erhaltung des Friedens dienen sollten..."
Es ist unglaublich, daß einem Manne mit so miserablen geographischen
Kenntnissen, dem es nicht stets gegenwärtig ist, daß Toulon nicht im Rhone-
Departement, sondern im benachbarten Departement Var liegt, die Leitung der
deutschen auswärtigen Politik anvertraut werden konnte. Wie konnte der Kaiser
auch nur Herrn Rechtsanwalt Heinrich Claß aus Mainz übersehen?!
Die Magdeburgische Zeitung ist anderer Ansicht. Sie schreibt zu dem
Briefe des Herrn Claß: „Kann man es danach Herrn v. Kiderlen verdenken,
wenn er hier seiner Neigung, Witze zu machen, nicht zu widerstehen vermag?"
G, Li.
Deutsch - englische Handelsbeziehungen
Die Regelung unseres Zollverhältnisses zum Britischen Reiche ist bisher durch
Reichsgesetz in der Regel ans die Dauer von zwei Jahren erfolgt. Das letzte Gesetz
datiert vom Dezember 1909 und läuft am 31. Dezember 1911 ab. Durch das
Gesetz wird jeweils dem Bundesrate die Ermächtigung erteilt, Großbritannien und
seinen Kolonien und Besitzungen die Meistbegünstigung einzuräumen. Zurzeit
genießen das Mutterland und sämtliche britischen Kolonien die Meistbegünstigung
in Deutschland; bis zum Frühjahre 1910 war bekanntlich Kanada davon aus¬
geschlossen. Die Regelung ist auf deutscher Seite eine völlig autonome; der
Bundesrat kann jederzeit das eine oder andere britische Kolonialland oder auch
Großbritannien selbst von der Meistbegünstigung ausnehmen. Da in nächster
Zeit voraussichtlich über den kanadisch-amerikanischen Neziprozitätsvertrag
entschieden sein wird, so wird die Frage entstehen, ob bei Inkrafttreten
dieses Vertrages Kanada weiterhin die Meistbegünstigung in Deutschland gewährt
werden soll oder nicht. Die Lösung der Frage hängt davon ab, ob Kanada
Deutschland den Mitgenuß der den Vereinigten Staaten eingeräumten Zoll¬
begünstigungen zugestehen wird. Am besten wäre es, wenn bis dahin ein end¬
gültiger Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Kanada zustande käme.
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