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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das Glück des Hauses Rottland

Sie raffte sich auf und eilte aus dem Gemach, als ob sie der Versuchung
hätte entfliehen wollen. Draußen auf dem Vorsaal hielt sie an und lauschte.
Unten, in der Wohnstube, wurde mit Tellern geklappert. Ihr Gatte, die
Schwägerinnen und der alte Gerhard, der Sonntags bei der Herrschaft speiste,
hatten sich also schon zu Tisch gesetzt. Sie wartete, bis die Magd mit dem Braten
aus der Küche kam und im Wohngemach verschwunden war. Dann aber flog sie
die Treppe hinab, schlüpfte aus dem Hause, drückte sich unter den Fenstern vorbei und
lief, so schnell die Füße sie zu tragen vermochten, den Pfad zum Lambertsberge hinan.

"Wo mag nur die Merge stecken?" fragte Herr Salentin, während er seine
Portion Feldsalat mit Essig begoß.

"Sie wird in der onambre ä LvuLner sein," erwiderte die Gubernatorin
gleichmütig. Und als die Magd wieder weg war, setzte sie hinzu: "Die leZers
Person war mit dem Kinde draußen -- denke nur, Salentin, mit dem Kindel --
Da habe ich mir permittiert, sie ins Haus zu schicken."

"Was wollte sie denn draußen?" fragte Schwester Felicitas, als ob sie von
dem Auftritte nicht das Geringste bemerkt hätte.

"Ja, da magst du wohl fragen, ma onerel Sie wollte sehen, ob der
v. Pallandt noch nicht käme. Nun, da habe ich natürlich die occasion benutzt, ihr
meine opinion zu sagen."

Der Freiherr legte den Löffel aus der Hand und seufzte. Er war des ewigen
häuslichen Krieges längst überdrüssig.

"Man soll die Merge rufen," gebot er. "Ich will nicht, daß sie um solcher
Querellen halber fastet."

Frau V. Ödinghoven seufzte nun ebenfalls, erhob sich und klingelte. Die Magd kam.

"Geh hinauf und rufe msclame la bsronne!" befahl die alte Dame.

Die Magd ging und kam nach einer geraumen Weile mit dem Bescheid zurück,
daß msclame la bsronne im ganzen Hause nicht zu finden sei.

Man sah sich betroffen an.

"Ist das Kind da?" fragte die Gubernatorin, in deren Seele eine bange
Ahnung aufstieg.

"Es liegt in der Wiege und schläft, maäsine."

"Qraee s aient" stöhnte Frau v. Ödinghoven.

Der Freiherr war aufgestanden. Sein Antlitz war kreidebleich und seine
Hand umklammerte mit eisernem Griff den Arm der Gubernatorin.

"Wo ist mein Weib?" schrie er. "nella, wenn du sie mir nicht herschaffst,
so weiß ich nicht, was ich tuet"

"Bin ich die Korne deiner epouso?" entgegnete sie gekränkt. "Willst du
mich für jede 8odei8e, die diese saubere Person anrichtet, rospongable machen?"

"Du schaffst sie mir sert" brüllte er, "denn du mit deinem bösen Maul hast
sie aus dem Hause getrieben."

"Quelle ctceusation envrmel" jammerte die Priorin. "Wie kannst du so
ungerecht sein, SalentinI Du darfst doch nicht gleich das Ärgste denken. Vielleicht
ist sie in den Garten gegangen oder in den Kuhstall. Wir wollen doch erst einmal
ordentlich suchen."

Diese Mahnung verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Freiherr stürzte hinaus,
und die Damen und der alte Gerhard folgten ihm.


Grenzboten IV 1911 ^
Das Glück des Hauses Rottland

Sie raffte sich auf und eilte aus dem Gemach, als ob sie der Versuchung
hätte entfliehen wollen. Draußen auf dem Vorsaal hielt sie an und lauschte.
Unten, in der Wohnstube, wurde mit Tellern geklappert. Ihr Gatte, die
Schwägerinnen und der alte Gerhard, der Sonntags bei der Herrschaft speiste,
hatten sich also schon zu Tisch gesetzt. Sie wartete, bis die Magd mit dem Braten
aus der Küche kam und im Wohngemach verschwunden war. Dann aber flog sie
die Treppe hinab, schlüpfte aus dem Hause, drückte sich unter den Fenstern vorbei und
lief, so schnell die Füße sie zu tragen vermochten, den Pfad zum Lambertsberge hinan.

„Wo mag nur die Merge stecken?" fragte Herr Salentin, während er seine
Portion Feldsalat mit Essig begoß.

„Sie wird in der onambre ä LvuLner sein," erwiderte die Gubernatorin
gleichmütig. Und als die Magd wieder weg war, setzte sie hinzu: „Die leZers
Person war mit dem Kinde draußen — denke nur, Salentin, mit dem Kindel —
Da habe ich mir permittiert, sie ins Haus zu schicken."

„Was wollte sie denn draußen?" fragte Schwester Felicitas, als ob sie von
dem Auftritte nicht das Geringste bemerkt hätte.

„Ja, da magst du wohl fragen, ma onerel Sie wollte sehen, ob der
v. Pallandt noch nicht käme. Nun, da habe ich natürlich die occasion benutzt, ihr
meine opinion zu sagen."

Der Freiherr legte den Löffel aus der Hand und seufzte. Er war des ewigen
häuslichen Krieges längst überdrüssig.

„Man soll die Merge rufen," gebot er. „Ich will nicht, daß sie um solcher
Querellen halber fastet."

Frau V. Ödinghoven seufzte nun ebenfalls, erhob sich und klingelte. Die Magd kam.

„Geh hinauf und rufe msclame la bsronne!" befahl die alte Dame.

Die Magd ging und kam nach einer geraumen Weile mit dem Bescheid zurück,
daß msclame la bsronne im ganzen Hause nicht zu finden sei.

Man sah sich betroffen an.

„Ist das Kind da?" fragte die Gubernatorin, in deren Seele eine bange
Ahnung aufstieg.

„Es liegt in der Wiege und schläft, maäsine."

„Qraee s aient" stöhnte Frau v. Ödinghoven.

Der Freiherr war aufgestanden. Sein Antlitz war kreidebleich und seine
Hand umklammerte mit eisernem Griff den Arm der Gubernatorin.

„Wo ist mein Weib?" schrie er. „nella, wenn du sie mir nicht herschaffst,
so weiß ich nicht, was ich tuet"

„Bin ich die Korne deiner epouso?" entgegnete sie gekränkt. „Willst du
mich für jede 8odei8e, die diese saubere Person anrichtet, rospongable machen?"

„Du schaffst sie mir sert" brüllte er, „denn du mit deinem bösen Maul hast
sie aus dem Hause getrieben."

„Quelle ctceusation envrmel" jammerte die Priorin. „Wie kannst du so
ungerecht sein, SalentinI Du darfst doch nicht gleich das Ärgste denken. Vielleicht
ist sie in den Garten gegangen oder in den Kuhstall. Wir wollen doch erst einmal
ordentlich suchen."

Diese Mahnung verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Freiherr stürzte hinaus,
und die Damen und der alte Gerhard folgten ihm.


Grenzboten IV 1911 ^
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[0409] Das Glück des Hauses Rottland Sie raffte sich auf und eilte aus dem Gemach, als ob sie der Versuchung hätte entfliehen wollen. Draußen auf dem Vorsaal hielt sie an und lauschte. Unten, in der Wohnstube, wurde mit Tellern geklappert. Ihr Gatte, die Schwägerinnen und der alte Gerhard, der Sonntags bei der Herrschaft speiste, hatten sich also schon zu Tisch gesetzt. Sie wartete, bis die Magd mit dem Braten aus der Küche kam und im Wohngemach verschwunden war. Dann aber flog sie die Treppe hinab, schlüpfte aus dem Hause, drückte sich unter den Fenstern vorbei und lief, so schnell die Füße sie zu tragen vermochten, den Pfad zum Lambertsberge hinan. „Wo mag nur die Merge stecken?" fragte Herr Salentin, während er seine Portion Feldsalat mit Essig begoß. „Sie wird in der onambre ä LvuLner sein," erwiderte die Gubernatorin gleichmütig. Und als die Magd wieder weg war, setzte sie hinzu: „Die leZers Person war mit dem Kinde draußen — denke nur, Salentin, mit dem Kindel — Da habe ich mir permittiert, sie ins Haus zu schicken." „Was wollte sie denn draußen?" fragte Schwester Felicitas, als ob sie von dem Auftritte nicht das Geringste bemerkt hätte. „Ja, da magst du wohl fragen, ma onerel Sie wollte sehen, ob der v. Pallandt noch nicht käme. Nun, da habe ich natürlich die occasion benutzt, ihr meine opinion zu sagen." Der Freiherr legte den Löffel aus der Hand und seufzte. Er war des ewigen häuslichen Krieges längst überdrüssig. „Man soll die Merge rufen," gebot er. „Ich will nicht, daß sie um solcher Querellen halber fastet." Frau V. Ödinghoven seufzte nun ebenfalls, erhob sich und klingelte. Die Magd kam. „Geh hinauf und rufe msclame la bsronne!" befahl die alte Dame. Die Magd ging und kam nach einer geraumen Weile mit dem Bescheid zurück, daß msclame la bsronne im ganzen Hause nicht zu finden sei. Man sah sich betroffen an. „Ist das Kind da?" fragte die Gubernatorin, in deren Seele eine bange Ahnung aufstieg. „Es liegt in der Wiege und schläft, maäsine." „Qraee s aient" stöhnte Frau v. Ödinghoven. Der Freiherr war aufgestanden. Sein Antlitz war kreidebleich und seine Hand umklammerte mit eisernem Griff den Arm der Gubernatorin. „Wo ist mein Weib?" schrie er. „nella, wenn du sie mir nicht herschaffst, so weiß ich nicht, was ich tuet" „Bin ich die Korne deiner epouso?" entgegnete sie gekränkt. „Willst du mich für jede 8odei8e, die diese saubere Person anrichtet, rospongable machen?" „Du schaffst sie mir sert" brüllte er, „denn du mit deinem bösen Maul hast sie aus dem Hause getrieben." „Quelle ctceusation envrmel" jammerte die Priorin. „Wie kannst du so ungerecht sein, SalentinI Du darfst doch nicht gleich das Ärgste denken. Vielleicht ist sie in den Garten gegangen oder in den Kuhstall. Wir wollen doch erst einmal ordentlich suchen." Diese Mahnung verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Freiherr stürzte hinaus, und die Damen und der alte Gerhard folgten ihm. Grenzboten IV 1911 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/409>, abgerufen am 26.06.2024.