Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Vels Glück des Hauses Rottland Man suchte eine volle Stunde. Es war umsonst. Da entdeckte man auf Wohin konnte sie sich gewandt haben? Herr Salentin, dessen Erregung jetzt einem stillen Schmerz gewichen war, Um die Vesperzeit kam ein Bursche zurück, der die Meldung brachte, die Die Gubernatorin triumphierte, denn für sie stand es jetzt fest, daß Merge Am nächsten Morgen mußte Gerhard nach Wachendorf reiten und anfragen, Gerhards Botschaft wirkte auf den Freiherrn wie ein Donnerschlag. Er "Es ist meine Schuld und nicht die ihre. Wenn ein Zweiundsechzigjähriger Er sagte das alles mit einer solchen Entschiedenheit, daß die beiden alten Vels Glück des Hauses Rottland Man suchte eine volle Stunde. Es war umsonst. Da entdeckte man auf Wohin konnte sie sich gewandt haben? Herr Salentin, dessen Erregung jetzt einem stillen Schmerz gewichen war, Um die Vesperzeit kam ein Bursche zurück, der die Meldung brachte, die Die Gubernatorin triumphierte, denn für sie stand es jetzt fest, daß Merge Am nächsten Morgen mußte Gerhard nach Wachendorf reiten und anfragen, Gerhards Botschaft wirkte auf den Freiherrn wie ein Donnerschlag. Er „Es ist meine Schuld und nicht die ihre. Wenn ein Zweiundsechzigjähriger Er sagte das alles mit einer solchen Entschiedenheit, daß die beiden alten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320011"/> <fw type="header" place="top"> Vels Glück des Hauses Rottland</fw><lb/> <p xml:id="ID_1716"> Man suchte eine volle Stunde. Es war umsonst. Da entdeckte man auf<lb/> Mergens Bett außer ihrem Schlüsselbunde das Gewand, das sie kurz vor ihrem<lb/> Verschwinden noch getragen hatte. Man durchwühlte den Kleiderschrank und<lb/> bemerkte, daß nur die Stücke aus der Mädchenzeit der jungen Frau fehlten. Das<lb/> gab einen Anhalt. Man durfte nicht mehr daran zweifeln, daß Merge entwichen<lb/> war, und daß sie diesen Schritt mit voller Überlegung getan hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1717"> Wohin konnte sie sich gewandt haben?</p><lb/> <p xml:id="ID_1718"> Herr Salentin, dessen Erregung jetzt einem stillen Schmerz gewichen war,<lb/> begab sich ins Dorf und entsandte die Bauern nach allen Richtungen. Der Tag<lb/> war noch lang genug, und man hatte einige Hoffnung, die Spur des Flüchtlings<lb/> aufnehmen zu können,</p><lb/> <p xml:id="ID_1719"> Um die Vesperzeit kam ein Bursche zurück, der die Meldung brachte, die<lb/> junge Frau sei bei der Heistartburg, einem festen Hause vor Holzheim, gesehen<lb/> worden, habe jedoch nicht die Straße nach ihrem Heimatsdorfe, sondern den gen<lb/> Mitternacht führenden Weg eingeschlagen. Sie müsse also wohl nach Eschweiler.<lb/> Rißdorf oder gar noch weiter, vielleicht nach Wachendorf, gewandert sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1720"> Die Gubernatorin triumphierte, denn für sie stand es jetzt fest, daß Merge<lb/> nur in Wachendorf sein konnte. Sie machte dem Bruder gegenüber aus ihrem<lb/> Verdachte, daß es sich um eine abgekartete Sache handle, und daß das Ausbleiben<lb/> seines Neffen mit Mergens Flucht in irgend einem Zusammenhang stehn müsse,<lb/> kein Hehl. Er widersprach ihr nicht, bat sie jedoch, darüber zu schweigen, bis man<lb/> die Bestätigung ihrer Vermutungen in Händen habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1721"> Am nächsten Morgen mußte Gerhard nach Wachendorf reiten und anfragen,<lb/> ob Merge dort eingetroffen sei. Herr v. Pallandt empfing den alten Diener<lb/> seines Oheims mit gewohnter Freundlichkeit und gab ohne Umschweife zu, daß<lb/> sich nmäsmo w dsronne unter seinen Schutz gestellt habe. Sie sei in seinem<lb/> Hause und habe erklärt, nicht wieder nach Rottland zurückkehren zu wollen.<lb/> Übrigens bedaure er sehr, daß er gestern nicht habe kommen können, weil sein<lb/> Gaul am Abend vorher lahm geworden sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1722"> Gerhards Botschaft wirkte auf den Freiherrn wie ein Donnerschlag. Er<lb/> hörte kaum zu, als ihm die Schwestern mit großer Zungenfertigkeit auseinander¬<lb/> setzten, sie hätten schon lange Unheil gewittert und es an Warnungen nicht fehlen<lb/> lassen. Er wäre jedoch jeder vernünftigen Vorstellung unzugänglich gewesen und<lb/> habe ihnen ihre Sorge um sein eheliches Glück übel genug gelohnt. Als sie sich<lb/> aber in bitteren Schmähreden gegen die pflichtvergessene Schwägerin ergehen wollten,<lb/> fuhr Herr Salentin auf und sagte:</p><lb/> <p xml:id="ID_1723"> „Es ist meine Schuld und nicht die ihre. Wenn ein Zweiundsechzigjähriger<lb/> eine junge Dirne freit, so ist's kein Mirakel, daß der Handel ein böses Ende<lb/> nimmt. Die Natur läßt sich nicht meistern, denn Jugend hängt sich an Jugend.<lb/> Es ist gekommen, wie es kommen mußte. Will sie deshalb auch nicht condemnieren.<lb/> vielmehr inckuIZenLö mit ihr haben und ihr gute Worte geben, daß sie wieder<lb/> herkommt. Nicht meinethalben, sondern um des Kindes willen. Denn es ist nichts<lb/> betrüblicher als so ein Würmlein, das ohne Mutter aufwächst."</p><lb/> <p xml:id="ID_1724" next="#ID_1725"> Er sagte das alles mit einer solchen Entschiedenheit, daß die beiden alten<lb/> Damen darauf verzichteten, ihm zu widersprechen, und es geschehen lassen mußten,<lb/> daß Pater Ambrosius mit dem Auftrage nach Wachendors entsandt wurde, der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
Vels Glück des Hauses Rottland
Man suchte eine volle Stunde. Es war umsonst. Da entdeckte man auf
Mergens Bett außer ihrem Schlüsselbunde das Gewand, das sie kurz vor ihrem
Verschwinden noch getragen hatte. Man durchwühlte den Kleiderschrank und
bemerkte, daß nur die Stücke aus der Mädchenzeit der jungen Frau fehlten. Das
gab einen Anhalt. Man durfte nicht mehr daran zweifeln, daß Merge entwichen
war, und daß sie diesen Schritt mit voller Überlegung getan hatte.
Wohin konnte sie sich gewandt haben?
Herr Salentin, dessen Erregung jetzt einem stillen Schmerz gewichen war,
begab sich ins Dorf und entsandte die Bauern nach allen Richtungen. Der Tag
war noch lang genug, und man hatte einige Hoffnung, die Spur des Flüchtlings
aufnehmen zu können,
Um die Vesperzeit kam ein Bursche zurück, der die Meldung brachte, die
junge Frau sei bei der Heistartburg, einem festen Hause vor Holzheim, gesehen
worden, habe jedoch nicht die Straße nach ihrem Heimatsdorfe, sondern den gen
Mitternacht führenden Weg eingeschlagen. Sie müsse also wohl nach Eschweiler.
Rißdorf oder gar noch weiter, vielleicht nach Wachendorf, gewandert sein.
Die Gubernatorin triumphierte, denn für sie stand es jetzt fest, daß Merge
nur in Wachendorf sein konnte. Sie machte dem Bruder gegenüber aus ihrem
Verdachte, daß es sich um eine abgekartete Sache handle, und daß das Ausbleiben
seines Neffen mit Mergens Flucht in irgend einem Zusammenhang stehn müsse,
kein Hehl. Er widersprach ihr nicht, bat sie jedoch, darüber zu schweigen, bis man
die Bestätigung ihrer Vermutungen in Händen habe.
Am nächsten Morgen mußte Gerhard nach Wachendorf reiten und anfragen,
ob Merge dort eingetroffen sei. Herr v. Pallandt empfing den alten Diener
seines Oheims mit gewohnter Freundlichkeit und gab ohne Umschweife zu, daß
sich nmäsmo w dsronne unter seinen Schutz gestellt habe. Sie sei in seinem
Hause und habe erklärt, nicht wieder nach Rottland zurückkehren zu wollen.
Übrigens bedaure er sehr, daß er gestern nicht habe kommen können, weil sein
Gaul am Abend vorher lahm geworden sei.
Gerhards Botschaft wirkte auf den Freiherrn wie ein Donnerschlag. Er
hörte kaum zu, als ihm die Schwestern mit großer Zungenfertigkeit auseinander¬
setzten, sie hätten schon lange Unheil gewittert und es an Warnungen nicht fehlen
lassen. Er wäre jedoch jeder vernünftigen Vorstellung unzugänglich gewesen und
habe ihnen ihre Sorge um sein eheliches Glück übel genug gelohnt. Als sie sich
aber in bitteren Schmähreden gegen die pflichtvergessene Schwägerin ergehen wollten,
fuhr Herr Salentin auf und sagte:
„Es ist meine Schuld und nicht die ihre. Wenn ein Zweiundsechzigjähriger
eine junge Dirne freit, so ist's kein Mirakel, daß der Handel ein böses Ende
nimmt. Die Natur läßt sich nicht meistern, denn Jugend hängt sich an Jugend.
Es ist gekommen, wie es kommen mußte. Will sie deshalb auch nicht condemnieren.
vielmehr inckuIZenLö mit ihr haben und ihr gute Worte geben, daß sie wieder
herkommt. Nicht meinethalben, sondern um des Kindes willen. Denn es ist nichts
betrüblicher als so ein Würmlein, das ohne Mutter aufwächst."
Er sagte das alles mit einer solchen Entschiedenheit, daß die beiden alten
Damen darauf verzichteten, ihm zu widersprechen, und es geschehen lassen mußten,
daß Pater Ambrosius mit dem Auftrage nach Wachendors entsandt wurde, der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |