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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Polen und Rom vor ^8?c>

ist wohl geneigt, es zu tun ... er hat mich eingeladen, ihm direkt zu schreiben,
ohne die Vermittlung Walewskis ... diese Art des Kaisers mir gegenüber hat
Walewski zu einer maßlosen Liebenswürdigkeit gegen mich gestimmt--."
Walewski war also ein Mitarbeiter des Papstes in Paris. Er sollte für seine
kundigen Dienste gegen Italiens politische Einigung entschädigt werden durch
das päpstliche Bemühen für sein polnisches Ideal. Wenn ein päpstliches Be¬
mühen für Polen noch eines besonderen Ansporns bedurft hätte, war es durch
die Denkweise Rußlands und durch den Umstand gegeben, daß Rußland, vor¬
nehmlich um Österreich damit zu schaden und es in Schranken zu halten, das
Emporkommen eines starken geeinten italienischen Staatswesens förderte. Nu߬
land begegnete sich in dem Bestreben, das Aufkommen eines starken Italiens
zu begünstigen, um damit nachteilig auf Österreich zu wirken, mit Preußen.

Wollte der Papst durch eine polnische Erhebung der russischen Regierung
Schwierigkeiten bereiten, so sah er sich keinesfalls durch eine Rücksicht auf Preußen,
auf das zudem protestantische Preußen veranlaßt, es zu unterlassen. Daß er
sich Österreich gegenüber kompromittieren könnte, brauchte der Papst kaum zu
fürchten, denn die österreichischen Polen hatten große Bewegungsfreiheit und
waren von Wien aus schwer zu kontrollieren. Graf Cavour, in dessen Nähe
sich ab und zu polnische Gestalten bewegten, und seine Nachfolger in der
Regierung Italiens interessierten sich überdies für die Polen -- wenn auch in
geringerem Grade und mit viel mehr Vorbehalt als für die Ungarn. Gegen
Österreich spielte der Papst also ohne Gefahr den loyalen Freund.

Im Februar 1861 sandte der österreichische Botschafter in Rom, Bach, einen
Bericht nach Wien über die italienisch-vatikanischen Einigungsvorschläge. Aus
dem Bericht ist zu ersehen, daß der Kardinal-Staatssekretär Antonelli dein
österreichischen Botschafter gegenüber eine Transaktion als unmöglich bezeichnete,
weil die weltliche Macht notwendig sei für die Ausübung der geistlichen. Er
hoffe auf einen Krieg, der die weltliche Macht in ihrem ganzen Um¬
fange wiederherstellen würde; und Antonelli beauftragte Bach, in Wien
anzufragen, was Österreich tun könne, um die Ernennung des Papstes zum
piemontesischen Bischof zu verhindern. Das Wiener Kabinett erweckte in der
Tat in Rom Hoffnungen auf ein gemeinsames Vorgehen der katholischen Staaten
zu dem Zwecke, die weltliche Macht des Papstes zu restaurieren. Österreich
stimmte überein mit Spanien, erhielt aber von Frankreich keinen schlüssigen
Bescheid. Als nun Spanien mit seinen Versprechungen ernst machen wollte,
hinderten die Gefahren in Ungarn und auf dem Balkan, sowie die durch
Preußens Aspirationen gegebenen mißlichen Verhältnisse in Deutschland Österreich
daran, energisch sich zu beteiligen.

1862 sah sich das Warschauer polnische Zentralkomitee durch einen Mas
Wielopolskis über die militärische Aushebung veranlaßt, die Revolutionsminen
spielen zu lassen. Wie verfrüht und unzweckmäßig das war, zeigte die Sympathie
nationalgesinnter Italiener für die polnische Bewegung. In Italien kam es zu


Polen und Rom vor ^8?c>

ist wohl geneigt, es zu tun ... er hat mich eingeladen, ihm direkt zu schreiben,
ohne die Vermittlung Walewskis ... diese Art des Kaisers mir gegenüber hat
Walewski zu einer maßlosen Liebenswürdigkeit gegen mich gestimmt--."
Walewski war also ein Mitarbeiter des Papstes in Paris. Er sollte für seine
kundigen Dienste gegen Italiens politische Einigung entschädigt werden durch
das päpstliche Bemühen für sein polnisches Ideal. Wenn ein päpstliches Be¬
mühen für Polen noch eines besonderen Ansporns bedurft hätte, war es durch
die Denkweise Rußlands und durch den Umstand gegeben, daß Rußland, vor¬
nehmlich um Österreich damit zu schaden und es in Schranken zu halten, das
Emporkommen eines starken geeinten italienischen Staatswesens förderte. Nu߬
land begegnete sich in dem Bestreben, das Aufkommen eines starken Italiens
zu begünstigen, um damit nachteilig auf Österreich zu wirken, mit Preußen.

Wollte der Papst durch eine polnische Erhebung der russischen Regierung
Schwierigkeiten bereiten, so sah er sich keinesfalls durch eine Rücksicht auf Preußen,
auf das zudem protestantische Preußen veranlaßt, es zu unterlassen. Daß er
sich Österreich gegenüber kompromittieren könnte, brauchte der Papst kaum zu
fürchten, denn die österreichischen Polen hatten große Bewegungsfreiheit und
waren von Wien aus schwer zu kontrollieren. Graf Cavour, in dessen Nähe
sich ab und zu polnische Gestalten bewegten, und seine Nachfolger in der
Regierung Italiens interessierten sich überdies für die Polen — wenn auch in
geringerem Grade und mit viel mehr Vorbehalt als für die Ungarn. Gegen
Österreich spielte der Papst also ohne Gefahr den loyalen Freund.

Im Februar 1861 sandte der österreichische Botschafter in Rom, Bach, einen
Bericht nach Wien über die italienisch-vatikanischen Einigungsvorschläge. Aus
dem Bericht ist zu ersehen, daß der Kardinal-Staatssekretär Antonelli dein
österreichischen Botschafter gegenüber eine Transaktion als unmöglich bezeichnete,
weil die weltliche Macht notwendig sei für die Ausübung der geistlichen. Er
hoffe auf einen Krieg, der die weltliche Macht in ihrem ganzen Um¬
fange wiederherstellen würde; und Antonelli beauftragte Bach, in Wien
anzufragen, was Österreich tun könne, um die Ernennung des Papstes zum
piemontesischen Bischof zu verhindern. Das Wiener Kabinett erweckte in der
Tat in Rom Hoffnungen auf ein gemeinsames Vorgehen der katholischen Staaten
zu dem Zwecke, die weltliche Macht des Papstes zu restaurieren. Österreich
stimmte überein mit Spanien, erhielt aber von Frankreich keinen schlüssigen
Bescheid. Als nun Spanien mit seinen Versprechungen ernst machen wollte,
hinderten die Gefahren in Ungarn und auf dem Balkan, sowie die durch
Preußens Aspirationen gegebenen mißlichen Verhältnisse in Deutschland Österreich
daran, energisch sich zu beteiligen.

1862 sah sich das Warschauer polnische Zentralkomitee durch einen Mas
Wielopolskis über die militärische Aushebung veranlaßt, die Revolutionsminen
spielen zu lassen. Wie verfrüht und unzweckmäßig das war, zeigte die Sympathie
nationalgesinnter Italiener für die polnische Bewegung. In Italien kam es zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/218>, abgerufen am 23.07.2024.