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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Liszt --Goethe --Weimar

nationale Kunstfache zu wählen, wurde von Liszt mit außerordentlichem Eifer
aufgegriffen. Am 5. Juli 1849 war der Aufruf in die Lande gegangen, das
Vermächtnis Goethes durch Gründung eines Institutes zu weihen, das bestimmt
sei, "die künstlerischen Produktionen in Deutschland zu fördern und zu beleben,
um ihren bildenden Einfluß auf deu moralischen Fortschritt der Nation zu ver¬
mehren." Unterzeichnet war der Aufruf von Männern wie Humboldt, Cornelius,
Maßmann, Rauch, Rungenhagen, Schelling, Teichmann, Varnhagen von Ense u. a.
Freilich war der Kreis der Goethe-Verehrer über die Art der zu gründenden
Stiftung noch nicht im klaren; nur darüber war man einig, daß Weimar der
Sitz dieses Instituts werden müsse. Ein von den Beteiligten zu erwählendes
Konntee sollte dann Entschließung fassen, "ob eine Schule für schöne Künste oder
ein Museum, eine Akademie oder ein anderes derartiges Institut zu gründen
sei". Man forderte "alle Gebildeten Deutschlands" aus, Vorschläge auszuarbeiten
und einzureichen. Man dachte nur an eine Kunststiftung aus literarischem,
musikalischen oder bildnerischem Gebiete. Der Musik brachte man ganz besonderes
Wohlwollen entgegen: Die Thüringer Lande, wo einst die Minnesänger gestritten,
schienen darauf hinzudrängen.

Unter den eingelaufenen Vorschlägen fand besonders der von K. Koch ein¬
gebrachte Plan, "daß am 28. August jeden Jahres zu Weimar ein Preis erteilt
werden solle, der abwechselnd für Poesie, Malerei, Skulptur und Musik zu
bestimmen sei", den Beifall des Ausschusses. Doch sollte diese Idee nur in
Verbindung mit dem weiteren Gedanken einer alljährlichen Musikfeier unterstützt
werden. "Die Kommisston ist der Ansicht, daß man allen Bedingungen einer
verständigen Gedenknisfeier des 28. August genügt haben würde, wenn man die
Musikfeste Thüringens wieder in das Leben riefe, begleitet von der Zuteilung
eines Preises für ein vorzügliches Kunstwerk." Man erinnere sich, in welcher
sturmbewegten Zeit die Vorarbeiten und Erwägungen zu Goethes hundertsten
Geburtstage geführt wurden, und man wird begreifen, warum die Kommisston
in dieser verhältnismäßig bescheidenen und harmlosen Form den berechtigten
Forderungen der Gebildeten zu genügen glaubte!

Mochten die Herren sich auch die Sache verhältnismäßig leicht machen, der
Führer Weimars, Liszt, griff den Gedanken mit Lebhaftigkeit auf und suchte
ihm in seiner durchdringenden, tiefgreifend begeisterten Art bis in die kleinsten
Einzelheiten Gestalt zu geben. Er arbeitete eine Denkschrift "Zur Goethestiftung"
aus, die er 18S0 der Öffentlichkeit übergab. Aus den über hundert große
Druckseiten umspannenden Ausführungen leuchtet das innige Streben hervor,
Goethe an dem geweihten Ort seiner Wahl ein lebendig fortwirkendes Denkmal
künstlerischen Nachschaffens zu setzen. In der Art, wie die Denkschrift voller
Großzügigkeit abgefaßt war, zeigte es sich, daß hier ein Musiker sprach, dem
nichts Menschliches fremd war, dessen geistige Regsamkeit das Wort eines Hegel
widerlegte, "keinen Musikern begegnet zu sein, die nicht sehr arm an Ideen
gewesen wären". In sachkundiger Gründlichkeit holte Liszt ziemlich weit aus,


Liszt —Goethe —Weimar

nationale Kunstfache zu wählen, wurde von Liszt mit außerordentlichem Eifer
aufgegriffen. Am 5. Juli 1849 war der Aufruf in die Lande gegangen, das
Vermächtnis Goethes durch Gründung eines Institutes zu weihen, das bestimmt
sei, „die künstlerischen Produktionen in Deutschland zu fördern und zu beleben,
um ihren bildenden Einfluß auf deu moralischen Fortschritt der Nation zu ver¬
mehren." Unterzeichnet war der Aufruf von Männern wie Humboldt, Cornelius,
Maßmann, Rauch, Rungenhagen, Schelling, Teichmann, Varnhagen von Ense u. a.
Freilich war der Kreis der Goethe-Verehrer über die Art der zu gründenden
Stiftung noch nicht im klaren; nur darüber war man einig, daß Weimar der
Sitz dieses Instituts werden müsse. Ein von den Beteiligten zu erwählendes
Konntee sollte dann Entschließung fassen, „ob eine Schule für schöne Künste oder
ein Museum, eine Akademie oder ein anderes derartiges Institut zu gründen
sei". Man forderte „alle Gebildeten Deutschlands" aus, Vorschläge auszuarbeiten
und einzureichen. Man dachte nur an eine Kunststiftung aus literarischem,
musikalischen oder bildnerischem Gebiete. Der Musik brachte man ganz besonderes
Wohlwollen entgegen: Die Thüringer Lande, wo einst die Minnesänger gestritten,
schienen darauf hinzudrängen.

Unter den eingelaufenen Vorschlägen fand besonders der von K. Koch ein¬
gebrachte Plan, „daß am 28. August jeden Jahres zu Weimar ein Preis erteilt
werden solle, der abwechselnd für Poesie, Malerei, Skulptur und Musik zu
bestimmen sei", den Beifall des Ausschusses. Doch sollte diese Idee nur in
Verbindung mit dem weiteren Gedanken einer alljährlichen Musikfeier unterstützt
werden. „Die Kommisston ist der Ansicht, daß man allen Bedingungen einer
verständigen Gedenknisfeier des 28. August genügt haben würde, wenn man die
Musikfeste Thüringens wieder in das Leben riefe, begleitet von der Zuteilung
eines Preises für ein vorzügliches Kunstwerk." Man erinnere sich, in welcher
sturmbewegten Zeit die Vorarbeiten und Erwägungen zu Goethes hundertsten
Geburtstage geführt wurden, und man wird begreifen, warum die Kommisston
in dieser verhältnismäßig bescheidenen und harmlosen Form den berechtigten
Forderungen der Gebildeten zu genügen glaubte!

Mochten die Herren sich auch die Sache verhältnismäßig leicht machen, der
Führer Weimars, Liszt, griff den Gedanken mit Lebhaftigkeit auf und suchte
ihm in seiner durchdringenden, tiefgreifend begeisterten Art bis in die kleinsten
Einzelheiten Gestalt zu geben. Er arbeitete eine Denkschrift „Zur Goethestiftung"
aus, die er 18S0 der Öffentlichkeit übergab. Aus den über hundert große
Druckseiten umspannenden Ausführungen leuchtet das innige Streben hervor,
Goethe an dem geweihten Ort seiner Wahl ein lebendig fortwirkendes Denkmal
künstlerischen Nachschaffens zu setzen. In der Art, wie die Denkschrift voller
Großzügigkeit abgefaßt war, zeigte es sich, daß hier ein Musiker sprach, dem
nichts Menschliches fremd war, dessen geistige Regsamkeit das Wort eines Hegel
widerlegte, „keinen Musikern begegnet zu sein, die nicht sehr arm an Ideen
gewesen wären". In sachkundiger Gründlichkeit holte Liszt ziemlich weit aus,


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[0119] Liszt —Goethe —Weimar nationale Kunstfache zu wählen, wurde von Liszt mit außerordentlichem Eifer aufgegriffen. Am 5. Juli 1849 war der Aufruf in die Lande gegangen, das Vermächtnis Goethes durch Gründung eines Institutes zu weihen, das bestimmt sei, „die künstlerischen Produktionen in Deutschland zu fördern und zu beleben, um ihren bildenden Einfluß auf deu moralischen Fortschritt der Nation zu ver¬ mehren." Unterzeichnet war der Aufruf von Männern wie Humboldt, Cornelius, Maßmann, Rauch, Rungenhagen, Schelling, Teichmann, Varnhagen von Ense u. a. Freilich war der Kreis der Goethe-Verehrer über die Art der zu gründenden Stiftung noch nicht im klaren; nur darüber war man einig, daß Weimar der Sitz dieses Instituts werden müsse. Ein von den Beteiligten zu erwählendes Konntee sollte dann Entschließung fassen, „ob eine Schule für schöne Künste oder ein Museum, eine Akademie oder ein anderes derartiges Institut zu gründen sei". Man forderte „alle Gebildeten Deutschlands" aus, Vorschläge auszuarbeiten und einzureichen. Man dachte nur an eine Kunststiftung aus literarischem, musikalischen oder bildnerischem Gebiete. Der Musik brachte man ganz besonderes Wohlwollen entgegen: Die Thüringer Lande, wo einst die Minnesänger gestritten, schienen darauf hinzudrängen. Unter den eingelaufenen Vorschlägen fand besonders der von K. Koch ein¬ gebrachte Plan, „daß am 28. August jeden Jahres zu Weimar ein Preis erteilt werden solle, der abwechselnd für Poesie, Malerei, Skulptur und Musik zu bestimmen sei", den Beifall des Ausschusses. Doch sollte diese Idee nur in Verbindung mit dem weiteren Gedanken einer alljährlichen Musikfeier unterstützt werden. „Die Kommisston ist der Ansicht, daß man allen Bedingungen einer verständigen Gedenknisfeier des 28. August genügt haben würde, wenn man die Musikfeste Thüringens wieder in das Leben riefe, begleitet von der Zuteilung eines Preises für ein vorzügliches Kunstwerk." Man erinnere sich, in welcher sturmbewegten Zeit die Vorarbeiten und Erwägungen zu Goethes hundertsten Geburtstage geführt wurden, und man wird begreifen, warum die Kommisston in dieser verhältnismäßig bescheidenen und harmlosen Form den berechtigten Forderungen der Gebildeten zu genügen glaubte! Mochten die Herren sich auch die Sache verhältnismäßig leicht machen, der Führer Weimars, Liszt, griff den Gedanken mit Lebhaftigkeit auf und suchte ihm in seiner durchdringenden, tiefgreifend begeisterten Art bis in die kleinsten Einzelheiten Gestalt zu geben. Er arbeitete eine Denkschrift „Zur Goethestiftung" aus, die er 18S0 der Öffentlichkeit übergab. Aus den über hundert große Druckseiten umspannenden Ausführungen leuchtet das innige Streben hervor, Goethe an dem geweihten Ort seiner Wahl ein lebendig fortwirkendes Denkmal künstlerischen Nachschaffens zu setzen. In der Art, wie die Denkschrift voller Großzügigkeit abgefaßt war, zeigte es sich, daß hier ein Musiker sprach, dem nichts Menschliches fremd war, dessen geistige Regsamkeit das Wort eines Hegel widerlegte, „keinen Musikern begegnet zu sein, die nicht sehr arm an Ideen gewesen wären". In sachkundiger Gründlichkeit holte Liszt ziemlich weit aus,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/119>, abgerufen am 23.07.2024.