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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Liszt--Goethe -- Weimar

gab zunächst einen kurzen Abriß von der Geschichte des Weimarer Fürstenhauses
und seiner Verdienste um Kunst und Wissenschaft, um die Goethezeit mit ihrem
gewaltigen Kreise eigengearteter Persönlichkeiten in besonderer Verklärung zu
malen und von dort aus eine Parallele zu dem damaligen Weimar (1849)
zu ziehen. Im zweiten Abschnitt wird dann die Jahrhundertfeier des Goethe¬
tages behandelt, der Aufruf an die Deutschen und die Vorschläge zur Ver¬
wirklichung einer Goethestiftung sowie deren Prüfung durch die Kommission
klargelegt. Der dritte Teil endlich bringt Liszts eigenen Vorschlag, der an das
von der Kommission befürwortete Kochsche Projekt anknüpft und eine bis in die
Einzelheiten durchgeführte Behandlung der zu gründenden Goethestiftung klar¬
stellt. Die Begeisterung reißt Liszt fort, die Musik für Goethes Gedächtnis
ganz besonders in Anspruch zu nehmen. Bedürfe es doch kaum noch des
Beweises, "daß keine Kunst mehr als die Tonkunst zu dem bildenden Einfluß
beiträgt, den die Künste sämtlich in so großem Maße verbreiten". Und so
freut er sich denn, an die Vorschläge der Kommission inbetreff der Musikfeste
anknüpfen zu können. Doch ändert er diese Pläne insofern, als er für ein
Wechseln des Orts der Veranstaltung und für ein Wiederholen der Musikfeste
uur in Zwischenräumen von vier Jahren eintritt. Er fürchtet, daß die Be¬
schränkung auf Musikfeste bei Verwirklichung der geplanten alldeutschen Goethe¬
stiftung die Gefahr bringe, mehr zur allgemeinen Verbreitung der Kunst bei¬
zutragen -- was bei den germanischen Völkerschaften, bei denen Geschmack und
Liebe für Musik mehr als irgendwo verbreitet ist, überflüssig wäre -- als ihr
stufenweise zur Erreichung eines höheren Standpunktes zu helfen. Und fo sucht
er eine geistige Anknüpfung an die historisch verklärten griechischen Olnmpien
sowie an das weit näher liegende Gedächtnis einer "Akademie zur Palme",
die in Weimar im Anschluß an eine Zusammenkunft von Fürsten und Edlen
am 24. August 1617 gegründet, aber freilich ohne stärkere Lebensäußerung
geblieben war. Sein Streben war, die hier gemachten Fehler zu vermeiden.
Und so kommt Liszt nach strenger Abwägung der einzubeziehenden Möglichkeiten
zu dem praktischen Vorschlag, im wechselnden Turnus der Literatur, der Malerei,
der Skulptur und der Musik alljährlich in Weimar die Preiskrönung einer ein¬
schlägigen Leistung zu bieten. Ein Direktorium von fünfundzwanzig Mitgliedern,
mit einem Weimarer Fürsten an der Spitze, solle die Ausschreiben überwachen
und unter den eingegangenen Arbeiten mit einem zu wählenden Künstler- und
Fachausschuß die jeweilige Entscheidung treffen. Am 15. August jeden Jahres
habe in Weimar die auszuwählende gemischte Kommission zusammenzutreten,
die über die Gestaltung der Krönungssitzung, über Verteilung der Preise, je
nach der Entscheidung im Betrage von 500, 1000, 2000 oder 3000 Talern,
ihre Verfügungen treffe. Und zwar solle die Krönung eines Preisträgers immer
an dem Goethetage des folgenden Jahres erfolgen, da die Wiedergabe eines
dramatischen Werkes, die Ausführung eines Bildwerkes nach Modell oder die
Vorführung eines Tonwerth in vollendeter Darstellung eine längere Vorbereitung


Liszt—Goethe — Weimar

gab zunächst einen kurzen Abriß von der Geschichte des Weimarer Fürstenhauses
und seiner Verdienste um Kunst und Wissenschaft, um die Goethezeit mit ihrem
gewaltigen Kreise eigengearteter Persönlichkeiten in besonderer Verklärung zu
malen und von dort aus eine Parallele zu dem damaligen Weimar (1849)
zu ziehen. Im zweiten Abschnitt wird dann die Jahrhundertfeier des Goethe¬
tages behandelt, der Aufruf an die Deutschen und die Vorschläge zur Ver¬
wirklichung einer Goethestiftung sowie deren Prüfung durch die Kommission
klargelegt. Der dritte Teil endlich bringt Liszts eigenen Vorschlag, der an das
von der Kommission befürwortete Kochsche Projekt anknüpft und eine bis in die
Einzelheiten durchgeführte Behandlung der zu gründenden Goethestiftung klar¬
stellt. Die Begeisterung reißt Liszt fort, die Musik für Goethes Gedächtnis
ganz besonders in Anspruch zu nehmen. Bedürfe es doch kaum noch des
Beweises, „daß keine Kunst mehr als die Tonkunst zu dem bildenden Einfluß
beiträgt, den die Künste sämtlich in so großem Maße verbreiten". Und so
freut er sich denn, an die Vorschläge der Kommission inbetreff der Musikfeste
anknüpfen zu können. Doch ändert er diese Pläne insofern, als er für ein
Wechseln des Orts der Veranstaltung und für ein Wiederholen der Musikfeste
uur in Zwischenräumen von vier Jahren eintritt. Er fürchtet, daß die Be¬
schränkung auf Musikfeste bei Verwirklichung der geplanten alldeutschen Goethe¬
stiftung die Gefahr bringe, mehr zur allgemeinen Verbreitung der Kunst bei¬
zutragen — was bei den germanischen Völkerschaften, bei denen Geschmack und
Liebe für Musik mehr als irgendwo verbreitet ist, überflüssig wäre — als ihr
stufenweise zur Erreichung eines höheren Standpunktes zu helfen. Und fo sucht
er eine geistige Anknüpfung an die historisch verklärten griechischen Olnmpien
sowie an das weit näher liegende Gedächtnis einer „Akademie zur Palme",
die in Weimar im Anschluß an eine Zusammenkunft von Fürsten und Edlen
am 24. August 1617 gegründet, aber freilich ohne stärkere Lebensäußerung
geblieben war. Sein Streben war, die hier gemachten Fehler zu vermeiden.
Und so kommt Liszt nach strenger Abwägung der einzubeziehenden Möglichkeiten
zu dem praktischen Vorschlag, im wechselnden Turnus der Literatur, der Malerei,
der Skulptur und der Musik alljährlich in Weimar die Preiskrönung einer ein¬
schlägigen Leistung zu bieten. Ein Direktorium von fünfundzwanzig Mitgliedern,
mit einem Weimarer Fürsten an der Spitze, solle die Ausschreiben überwachen
und unter den eingegangenen Arbeiten mit einem zu wählenden Künstler- und
Fachausschuß die jeweilige Entscheidung treffen. Am 15. August jeden Jahres
habe in Weimar die auszuwählende gemischte Kommission zusammenzutreten,
die über die Gestaltung der Krönungssitzung, über Verteilung der Preise, je
nach der Entscheidung im Betrage von 500, 1000, 2000 oder 3000 Talern,
ihre Verfügungen treffe. Und zwar solle die Krönung eines Preisträgers immer
an dem Goethetage des folgenden Jahres erfolgen, da die Wiedergabe eines
dramatischen Werkes, die Ausführung eines Bildwerkes nach Modell oder die
Vorführung eines Tonwerth in vollendeter Darstellung eine längere Vorbereitung


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[0120] Liszt—Goethe — Weimar gab zunächst einen kurzen Abriß von der Geschichte des Weimarer Fürstenhauses und seiner Verdienste um Kunst und Wissenschaft, um die Goethezeit mit ihrem gewaltigen Kreise eigengearteter Persönlichkeiten in besonderer Verklärung zu malen und von dort aus eine Parallele zu dem damaligen Weimar (1849) zu ziehen. Im zweiten Abschnitt wird dann die Jahrhundertfeier des Goethe¬ tages behandelt, der Aufruf an die Deutschen und die Vorschläge zur Ver¬ wirklichung einer Goethestiftung sowie deren Prüfung durch die Kommission klargelegt. Der dritte Teil endlich bringt Liszts eigenen Vorschlag, der an das von der Kommission befürwortete Kochsche Projekt anknüpft und eine bis in die Einzelheiten durchgeführte Behandlung der zu gründenden Goethestiftung klar¬ stellt. Die Begeisterung reißt Liszt fort, die Musik für Goethes Gedächtnis ganz besonders in Anspruch zu nehmen. Bedürfe es doch kaum noch des Beweises, „daß keine Kunst mehr als die Tonkunst zu dem bildenden Einfluß beiträgt, den die Künste sämtlich in so großem Maße verbreiten". Und so freut er sich denn, an die Vorschläge der Kommission inbetreff der Musikfeste anknüpfen zu können. Doch ändert er diese Pläne insofern, als er für ein Wechseln des Orts der Veranstaltung und für ein Wiederholen der Musikfeste uur in Zwischenräumen von vier Jahren eintritt. Er fürchtet, daß die Be¬ schränkung auf Musikfeste bei Verwirklichung der geplanten alldeutschen Goethe¬ stiftung die Gefahr bringe, mehr zur allgemeinen Verbreitung der Kunst bei¬ zutragen — was bei den germanischen Völkerschaften, bei denen Geschmack und Liebe für Musik mehr als irgendwo verbreitet ist, überflüssig wäre — als ihr stufenweise zur Erreichung eines höheren Standpunktes zu helfen. Und fo sucht er eine geistige Anknüpfung an die historisch verklärten griechischen Olnmpien sowie an das weit näher liegende Gedächtnis einer „Akademie zur Palme", die in Weimar im Anschluß an eine Zusammenkunft von Fürsten und Edlen am 24. August 1617 gegründet, aber freilich ohne stärkere Lebensäußerung geblieben war. Sein Streben war, die hier gemachten Fehler zu vermeiden. Und so kommt Liszt nach strenger Abwägung der einzubeziehenden Möglichkeiten zu dem praktischen Vorschlag, im wechselnden Turnus der Literatur, der Malerei, der Skulptur und der Musik alljährlich in Weimar die Preiskrönung einer ein¬ schlägigen Leistung zu bieten. Ein Direktorium von fünfundzwanzig Mitgliedern, mit einem Weimarer Fürsten an der Spitze, solle die Ausschreiben überwachen und unter den eingegangenen Arbeiten mit einem zu wählenden Künstler- und Fachausschuß die jeweilige Entscheidung treffen. Am 15. August jeden Jahres habe in Weimar die auszuwählende gemischte Kommission zusammenzutreten, die über die Gestaltung der Krönungssitzung, über Verteilung der Preise, je nach der Entscheidung im Betrage von 500, 1000, 2000 oder 3000 Talern, ihre Verfügungen treffe. Und zwar solle die Krönung eines Preisträgers immer an dem Goethetage des folgenden Jahres erfolgen, da die Wiedergabe eines dramatischen Werkes, die Ausführung eines Bildwerkes nach Modell oder die Vorführung eines Tonwerth in vollendeter Darstellung eine längere Vorbereitung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/120>, abgerufen am 23.07.2024.