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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Liszt--Goethe -- Weimar

dichter, der vollendete Weltmann, der neben der umfassenden Beherrschung des
Gebietes seiner Kunst allen großen Ideen der Kultur und der Menschheit das
reichste Verständnis entgegenbrachte, mochte sich in seiner impulsiver Empfäng¬
lichkeit schon beim ersten Betreten des geweihten Bodens von dem Hauche der
Unsterblichkeit ergriffen fühlen, der um Weimars Mauern weht. Mit stolzer
Freude nahm er daher den an ihn ergangenen ehrenvollen Ruf an. Am
7. Januar 1844 leitete er die erste Musikaufführung. Bis 1859 führte er die
Oberleitung über die Oper, das Hoforchester und die damit verknüpften Ver¬
anstaltungen. Mit feinem Takt hatte Liszt gleich bei seinem Eintritt in die
Weimarer Stellung an die stolzen Erinnerungen angeknüpft. Die Gedenktage
der Großen Weimars wurden von ihm zu künstlerischen Festtagen gestempelt.
Die hehre Stimmung dieses Gedenkens aber wurde in tapferer Auffassung der
Aufgabe der Gewinnung neuen Kunstlandes dienstbar gemacht. Die Mitstreiter
Raff, Berlioz, Cornelius fanden bei Liszt reiche Förderung. Richard Wagner,
dessen "Rheingold" auch für Weimar geplant war, gewann in ihm den auf¬
opferndsten Bannerträger. Der Goethetag 1850 wurde durch eine entscheidende
Tat, die Erstaufführung von Wagners "Lohengrin" gefeiert und damit das
bisher nur in: stillen vorbereitete Bekenntnis zu der neudeutschen Kunst vor aller
Welt abgelegt.

Als Liszt, um eine geordnete Dirigententätigkeit in Weimar durchzuführen,
dort 1848 seinen ständigen Wohnsitz genommen hatte, wurde sein Wirken vor
die Aufgabe gestellt, den hundertsten Geburtstag Goethes durch seine Kunst
feiern zu helfen. Daß die Würde dieses Amtes den Meister dazu trieb, sein
Höchstes und Bestes in der Veranstaltung zu geben, ist natürlich. An:
28. August 1849 wurde das Goethesche begangen. Im Anschluß daran gab
Liszt ein "Festalbum" heraus, das einen "Festmarsch" für Orchester und die
Gesänge "Licht mehr Licht!", "Weimars Toten", "Über allen Gipfeln ist Ruh"
und den "Chor der Engel" aus dem zweiten Teil des "Faust" enthielt. Hatte
die Kunstverherrlichung Liszt schon längst zu den Werken Goethes, zu dem Ziele
ihrer Gewinnung für die Musik getrieben, so war hier doch der äußere Anlaß
zu ganz außerordentlicher Hingabe geboten. Und von diesem Zeitpunkt der
Jahrhundertfeier an gab der Gedanke, Goethe zu dienen, unsern Meister nicht
mehr frei. Unterstützt wurde er in seinen Bestrebungen von der aufopfernden
Hingabe der Fürstin Karoline von Sayn-Wittgenstein, die, eine zweite
Frau von Stein, seine Gedanken befeuerte und beschwingte. Sie war ihm, nach
seiner Weimarer Berufung, in die großherzogliche Residenz gefolgt und hatte
die auf waldiger Höhe gelegene "Altenburg" gemietet, deren einen Seitenflügel --
in der Richtung gegen Goethes Gartenhaus -- Liszt als Gast der Fürstin bezog.
Sie begleitete ihn später auch auf seiner Reise nach Rom und bewahrte ihm in
Treue ihre Bewunderung und ihre Förderung.

Die Anregung, die von einer Berliner Gemeinschaft ausging, den nationalen
Gedenktag der Goethefeier zum Anlaß für eine in Goethes Geiste zu schaffende


Liszt—Goethe — Weimar

dichter, der vollendete Weltmann, der neben der umfassenden Beherrschung des
Gebietes seiner Kunst allen großen Ideen der Kultur und der Menschheit das
reichste Verständnis entgegenbrachte, mochte sich in seiner impulsiver Empfäng¬
lichkeit schon beim ersten Betreten des geweihten Bodens von dem Hauche der
Unsterblichkeit ergriffen fühlen, der um Weimars Mauern weht. Mit stolzer
Freude nahm er daher den an ihn ergangenen ehrenvollen Ruf an. Am
7. Januar 1844 leitete er die erste Musikaufführung. Bis 1859 führte er die
Oberleitung über die Oper, das Hoforchester und die damit verknüpften Ver¬
anstaltungen. Mit feinem Takt hatte Liszt gleich bei seinem Eintritt in die
Weimarer Stellung an die stolzen Erinnerungen angeknüpft. Die Gedenktage
der Großen Weimars wurden von ihm zu künstlerischen Festtagen gestempelt.
Die hehre Stimmung dieses Gedenkens aber wurde in tapferer Auffassung der
Aufgabe der Gewinnung neuen Kunstlandes dienstbar gemacht. Die Mitstreiter
Raff, Berlioz, Cornelius fanden bei Liszt reiche Förderung. Richard Wagner,
dessen „Rheingold" auch für Weimar geplant war, gewann in ihm den auf¬
opferndsten Bannerträger. Der Goethetag 1850 wurde durch eine entscheidende
Tat, die Erstaufführung von Wagners „Lohengrin" gefeiert und damit das
bisher nur in: stillen vorbereitete Bekenntnis zu der neudeutschen Kunst vor aller
Welt abgelegt.

Als Liszt, um eine geordnete Dirigententätigkeit in Weimar durchzuführen,
dort 1848 seinen ständigen Wohnsitz genommen hatte, wurde sein Wirken vor
die Aufgabe gestellt, den hundertsten Geburtstag Goethes durch seine Kunst
feiern zu helfen. Daß die Würde dieses Amtes den Meister dazu trieb, sein
Höchstes und Bestes in der Veranstaltung zu geben, ist natürlich. An:
28. August 1849 wurde das Goethesche begangen. Im Anschluß daran gab
Liszt ein „Festalbum" heraus, das einen „Festmarsch" für Orchester und die
Gesänge „Licht mehr Licht!", „Weimars Toten", „Über allen Gipfeln ist Ruh"
und den „Chor der Engel" aus dem zweiten Teil des „Faust" enthielt. Hatte
die Kunstverherrlichung Liszt schon längst zu den Werken Goethes, zu dem Ziele
ihrer Gewinnung für die Musik getrieben, so war hier doch der äußere Anlaß
zu ganz außerordentlicher Hingabe geboten. Und von diesem Zeitpunkt der
Jahrhundertfeier an gab der Gedanke, Goethe zu dienen, unsern Meister nicht
mehr frei. Unterstützt wurde er in seinen Bestrebungen von der aufopfernden
Hingabe der Fürstin Karoline von Sayn-Wittgenstein, die, eine zweite
Frau von Stein, seine Gedanken befeuerte und beschwingte. Sie war ihm, nach
seiner Weimarer Berufung, in die großherzogliche Residenz gefolgt und hatte
die auf waldiger Höhe gelegene „Altenburg" gemietet, deren einen Seitenflügel —
in der Richtung gegen Goethes Gartenhaus — Liszt als Gast der Fürstin bezog.
Sie begleitete ihn später auch auf seiner Reise nach Rom und bewahrte ihm in
Treue ihre Bewunderung und ihre Förderung.

Die Anregung, die von einer Berliner Gemeinschaft ausging, den nationalen
Gedenktag der Goethefeier zum Anlaß für eine in Goethes Geiste zu schaffende


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[0118] Liszt—Goethe — Weimar dichter, der vollendete Weltmann, der neben der umfassenden Beherrschung des Gebietes seiner Kunst allen großen Ideen der Kultur und der Menschheit das reichste Verständnis entgegenbrachte, mochte sich in seiner impulsiver Empfäng¬ lichkeit schon beim ersten Betreten des geweihten Bodens von dem Hauche der Unsterblichkeit ergriffen fühlen, der um Weimars Mauern weht. Mit stolzer Freude nahm er daher den an ihn ergangenen ehrenvollen Ruf an. Am 7. Januar 1844 leitete er die erste Musikaufführung. Bis 1859 führte er die Oberleitung über die Oper, das Hoforchester und die damit verknüpften Ver¬ anstaltungen. Mit feinem Takt hatte Liszt gleich bei seinem Eintritt in die Weimarer Stellung an die stolzen Erinnerungen angeknüpft. Die Gedenktage der Großen Weimars wurden von ihm zu künstlerischen Festtagen gestempelt. Die hehre Stimmung dieses Gedenkens aber wurde in tapferer Auffassung der Aufgabe der Gewinnung neuen Kunstlandes dienstbar gemacht. Die Mitstreiter Raff, Berlioz, Cornelius fanden bei Liszt reiche Förderung. Richard Wagner, dessen „Rheingold" auch für Weimar geplant war, gewann in ihm den auf¬ opferndsten Bannerträger. Der Goethetag 1850 wurde durch eine entscheidende Tat, die Erstaufführung von Wagners „Lohengrin" gefeiert und damit das bisher nur in: stillen vorbereitete Bekenntnis zu der neudeutschen Kunst vor aller Welt abgelegt. Als Liszt, um eine geordnete Dirigententätigkeit in Weimar durchzuführen, dort 1848 seinen ständigen Wohnsitz genommen hatte, wurde sein Wirken vor die Aufgabe gestellt, den hundertsten Geburtstag Goethes durch seine Kunst feiern zu helfen. Daß die Würde dieses Amtes den Meister dazu trieb, sein Höchstes und Bestes in der Veranstaltung zu geben, ist natürlich. An: 28. August 1849 wurde das Goethesche begangen. Im Anschluß daran gab Liszt ein „Festalbum" heraus, das einen „Festmarsch" für Orchester und die Gesänge „Licht mehr Licht!", „Weimars Toten", „Über allen Gipfeln ist Ruh" und den „Chor der Engel" aus dem zweiten Teil des „Faust" enthielt. Hatte die Kunstverherrlichung Liszt schon längst zu den Werken Goethes, zu dem Ziele ihrer Gewinnung für die Musik getrieben, so war hier doch der äußere Anlaß zu ganz außerordentlicher Hingabe geboten. Und von diesem Zeitpunkt der Jahrhundertfeier an gab der Gedanke, Goethe zu dienen, unsern Meister nicht mehr frei. Unterstützt wurde er in seinen Bestrebungen von der aufopfernden Hingabe der Fürstin Karoline von Sayn-Wittgenstein, die, eine zweite Frau von Stein, seine Gedanken befeuerte und beschwingte. Sie war ihm, nach seiner Weimarer Berufung, in die großherzogliche Residenz gefolgt und hatte die auf waldiger Höhe gelegene „Altenburg" gemietet, deren einen Seitenflügel — in der Richtung gegen Goethes Gartenhaus — Liszt als Gast der Fürstin bezog. Sie begleitete ihn später auch auf seiner Reise nach Rom und bewahrte ihm in Treue ihre Bewunderung und ihre Förderung. Die Anregung, die von einer Berliner Gemeinschaft ausging, den nationalen Gedenktag der Goethefeier zum Anlaß für eine in Goethes Geiste zu schaffende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/118>, abgerufen am 03.07.2024.