Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Mahlrecht und Wahlpflicht der Nichtwcihlcr Sitzenbleiben, sowie den Ausschluß von der Wahl durch Versäumnis des Ein¬ Nach Widerlegung der in der oppositionellen Presse bisher vorgebrachten Diesem Rechtsgutachten gegenüber nahm: am 23. Februar 1911 Karl, "Den Grundgedanken halte ich nach wie vor fest. Derselbe gipfelt darin, Angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen wäre es von hohem staats¬ Mahlrecht und Wahlpflicht der Nichtwcihlcr Sitzenbleiben, sowie den Ausschluß von der Wahl durch Versäumnis des Ein¬ Nach Widerlegung der in der oppositionellen Presse bisher vorgebrachten Diesem Rechtsgutachten gegenüber nahm: am 23. Februar 1911 Karl, „Den Grundgedanken halte ich nach wie vor fest. Derselbe gipfelt darin, Angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen wäre es von hohem staats¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319014"/> <fw type="header" place="top"> Mahlrecht und Wahlpflicht der Nichtwcihlcr</fw><lb/> <p xml:id="ID_798" prev="#ID_797"> Sitzenbleiben, sowie den Ausschluß von der Wahl durch Versäumnis des Ein¬<lb/> spruchs gegen die unrichtige Wählerliste als Kundgebung einer stillschweigenden<lb/> Billigung dieser Liste. Bozi nimmt dann den Vorschlag Sebaldt auf, daß die<lb/> zuständigen Organe in der Auswahl auf die ohnehin von den Parteien auf¬<lb/> gestellten Kandidaten beschränkt bleiben, und fügt als weitere Beschränkung hinzu,<lb/> daß diese Auswahl erst in den Stichwahlen Platz greifen solle, damit nur solchen<lb/> Kandidaten von der Wahlbehörde die Stimmen der NichtWähler zugeschrieben<lb/> werden, die ohnehin eine erhebliche Anzahl positiv abgegebener Stimmen in ihrer<lb/> Person vereinigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_799"> Nach Widerlegung der in der oppositionellen Presse bisher vorgebrachten<lb/> Einwände formuliert Bozi seinen Vorschlag endgültig dahin, daß es im wesent¬<lb/> lichen nur einer Änderung des § 12 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 18et9<lb/> bedürfe (die dem Geist der Verfassung nicht widerspricht, sondern nur eine logische<lb/> Ausgestaltung darbietet). Z 12 würde dann lauten: „Die Wahl ist direkt.<lb/> Sie erfolgt durch absolute Stimmenmehrheit aller in einem Wahlkreise vor¬<lb/> handenen Wähler. Stellt bei einer Wahl eine absolute Stimmenmehrheit sich<lb/> nicht heraus, so ist nur unter den zwei Kandidaten zu wählen, welche die meisten<lb/> Stimmen erhalten haben. Die Stimmen derjenigen Wähler, welche ihr Wahl¬<lb/> recht nicht gemäß ß 20 ausüben, werden demjenigen unter diesen beiden<lb/> Kandidaten zugezählt, den die Regierung des betreffenden Bundesstaates durch<lb/> öffentliche Bekanntmachung bezeichnet hat. Die Bekanntmachung muß unter<lb/> Hinweis auf die Folgen der Wahlenthaltnng geschehen. Bei Stimmengleichheit<lb/> entscheidet das Los."</p><lb/> <p xml:id="ID_800"> Diesem Rechtsgutachten gegenüber nahm: am 23. Februar 1911 Karl,<lb/> welcher das ganze Problem zuerst aufgerollt hatte, Stellung in einem Schlu߬<lb/> wort an Sebaldt:</p><lb/> <p xml:id="ID_801"> „Den Grundgedanken halte ich nach wie vor fest. Derselbe gipfelt darin,<lb/> daß ich das Wahlrecht nicht als ein mit der physischen Person des Wählers<lb/> untrennbar verbundenes Naturrecht, sondern als den Ausfluß einer politischen<lb/> Funktion ansehe, die der einzelne auf Grund spezieller Übertragung seitens der<lb/> Gesamtheit in deren Interesse in freier Willensäußerung ausüben kann, aber<lb/> nicht muß. Macht er von seinem Recht Gebrauch, so erfüllt er die ihm über¬<lb/> tragene Funktion; macht er dagegen von solchen: keinen Gebrauch, so muß das<lb/> (ihm übertragene) Wahlrecht an die Gesamtheit zurückfallen, in deren Namen<lb/> dann die Inhaberin der vollziehenden Gewalt, die Reichsregierung, von den<lb/> heimgesallenen Stimmen den ihr gutdünkenden Gebrauch machen darf."</p><lb/> <p xml:id="ID_802"> Angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen wäre es von hohem staats¬<lb/> wissenschaftlicher und nationalorganischen Interesse, wenn hervorragende Führer<lb/> aller Richtungen zu dem Problem der Verwendung nicht abgegebener Stimmen<lb/> von Wahlberechtigten gutachtlich sich äußern würden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
Mahlrecht und Wahlpflicht der Nichtwcihlcr
Sitzenbleiben, sowie den Ausschluß von der Wahl durch Versäumnis des Ein¬
spruchs gegen die unrichtige Wählerliste als Kundgebung einer stillschweigenden
Billigung dieser Liste. Bozi nimmt dann den Vorschlag Sebaldt auf, daß die
zuständigen Organe in der Auswahl auf die ohnehin von den Parteien auf¬
gestellten Kandidaten beschränkt bleiben, und fügt als weitere Beschränkung hinzu,
daß diese Auswahl erst in den Stichwahlen Platz greifen solle, damit nur solchen
Kandidaten von der Wahlbehörde die Stimmen der NichtWähler zugeschrieben
werden, die ohnehin eine erhebliche Anzahl positiv abgegebener Stimmen in ihrer
Person vereinigen.
Nach Widerlegung der in der oppositionellen Presse bisher vorgebrachten
Einwände formuliert Bozi seinen Vorschlag endgültig dahin, daß es im wesent¬
lichen nur einer Änderung des § 12 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 18et9
bedürfe (die dem Geist der Verfassung nicht widerspricht, sondern nur eine logische
Ausgestaltung darbietet). Z 12 würde dann lauten: „Die Wahl ist direkt.
Sie erfolgt durch absolute Stimmenmehrheit aller in einem Wahlkreise vor¬
handenen Wähler. Stellt bei einer Wahl eine absolute Stimmenmehrheit sich
nicht heraus, so ist nur unter den zwei Kandidaten zu wählen, welche die meisten
Stimmen erhalten haben. Die Stimmen derjenigen Wähler, welche ihr Wahl¬
recht nicht gemäß ß 20 ausüben, werden demjenigen unter diesen beiden
Kandidaten zugezählt, den die Regierung des betreffenden Bundesstaates durch
öffentliche Bekanntmachung bezeichnet hat. Die Bekanntmachung muß unter
Hinweis auf die Folgen der Wahlenthaltnng geschehen. Bei Stimmengleichheit
entscheidet das Los."
Diesem Rechtsgutachten gegenüber nahm: am 23. Februar 1911 Karl,
welcher das ganze Problem zuerst aufgerollt hatte, Stellung in einem Schlu߬
wort an Sebaldt:
„Den Grundgedanken halte ich nach wie vor fest. Derselbe gipfelt darin,
daß ich das Wahlrecht nicht als ein mit der physischen Person des Wählers
untrennbar verbundenes Naturrecht, sondern als den Ausfluß einer politischen
Funktion ansehe, die der einzelne auf Grund spezieller Übertragung seitens der
Gesamtheit in deren Interesse in freier Willensäußerung ausüben kann, aber
nicht muß. Macht er von seinem Recht Gebrauch, so erfüllt er die ihm über¬
tragene Funktion; macht er dagegen von solchen: keinen Gebrauch, so muß das
(ihm übertragene) Wahlrecht an die Gesamtheit zurückfallen, in deren Namen
dann die Inhaberin der vollziehenden Gewalt, die Reichsregierung, von den
heimgesallenen Stimmen den ihr gutdünkenden Gebrauch machen darf."
Angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen wäre es von hohem staats¬
wissenschaftlicher und nationalorganischen Interesse, wenn hervorragende Führer
aller Richtungen zu dem Problem der Verwendung nicht abgegebener Stimmen
von Wahlberechtigten gutachtlich sich äußern würden.
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