Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Ivlchlrccht und Wahlpflicht der Nichtwähler Regierung auf die Landräte als Kronkandidaten angewiesen sei." Auf eine Bozi weist nun nach, daß die stillschweigende Willenserklärung nicht nur Ivlchlrccht und Wahlpflicht der Nichtwähler Regierung auf die Landräte als Kronkandidaten angewiesen sei." Auf eine Bozi weist nun nach, daß die stillschweigende Willenserklärung nicht nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319013"/> <fw type="header" place="top"> Ivlchlrccht und Wahlpflicht der Nichtwähler</fw><lb/> <p xml:id="ID_796" prev="#ID_795"> Regierung auf die Landräte als Kronkandidaten angewiesen sei." Auf eine<lb/> Aufforderung Karls vom 8. Oktober 1908 an Sebaldt bat dieser am 31. des¬<lb/> selben Monats den Oberlandesgerichtsrat Bozi, in einer angesehenen staats¬<lb/> rechtlichen Zeitschrift alle Folgerungen zu ziehen aus einer Kombination der<lb/> Vorschläge von Karl, Herman, Bozi und Sebaldt. Diesem Wunsche kam Bozi<lb/> nach und veröffentlichte am 10. Juli 1909 in dem Fachblatt Das Recht den<lb/> Artikel „Volksrcpräsentation und Stimmenthaltung". Er sagt darin im wesent¬<lb/> lichen das Folgende: „Seit Jahren steht die Wahlfrage im Mittelpunkte des<lb/> öffentlichen Interesses, aber immer nur unter dem Gesichtspunkte einer Reform<lb/> des Wahlsystems. Diesem System wird unbesehen die Verantwortlichkeit für<lb/> die Mängel des gegenwärtigen Zustandes zugeschoben, während man die Frage,<lb/> ob unsere Wahlkörper eine sinngemäße Verwirklichung des geltenden Wahl¬<lb/> systems überhaupt darstellen, nicht aufwirft und insbesondere nicht beachtet, daß<lb/> bei jeder Wahlhandlung ein Vierten und mehr der verfassungsmäßig berufenen<lb/> Stimmen ausfallen. Die Erklärung hierfür liegt darin, daß diejenigen Par¬<lb/> teien, die eine Schwächung der Negierungsmacht erstreben, an der Erhaltung<lb/> und Verallgemeinerung eines Zustandes ein Interesse haben, der vorwiegend<lb/> diejenigen von der Wahlurne fernhält, auf deren Unterstützung sie nicht zählen<lb/> können, während man sich auf der andern Seite nicht darüber klar ist, daß der<lb/> Einfluß der Gegner weniger auf dem von ihnen gepriesenen System, als auf<lb/> einer fehlerhaften Anwendung dieses Systems beruht. Indem so eine ziel¬<lb/> bewußte Agitation mit einer bedauerlichen Gleichgültigkeit der Wähler zusammen¬<lb/> trifft, wird es ermöglicht, daß die Geschicke unseres Vaterlandes durch Majori¬<lb/> täten bestimmt werden, die am Maßstab des ganzen Volkes geniessen, überhaupt<lb/> keine Majoritäten sind." In einer eingehenden rechtswissenschaftlichen und staats¬<lb/> geschichtlichen Ausführung zeigt Bozi, daß die Zulässigkeit der Wahlenthaltung<lb/> mit der Folge eines Ausfalles der betreffenden Stimmen eine offenbare System¬<lb/> widrigkeit sei, da der Gedanke des Vertretenseins als eines subjektiven Rechts<lb/> veraltet und verfassungswidrig ist. Der von Karl vorgeschlagene Stimmverfall<lb/> zugunsten der Staatsregierung und das von Herman angezogene gesetzliche<lb/> Recht des Fiskus auf herrenloses Gut lasse sich ohne den Gedanken eines sub¬<lb/> jektiven und verzichtbaren Wahlrechts nicht konstruieren. Ein solcher Rechtszustand<lb/> führe zu dein bedenklichen Ergebnisse, daß die Staatsorgane als stimmende<lb/> auftreten würden. Endlich widerstreite er dein staatsrechtlichen Grundsatze von<lb/> der Unübertmgbarkeit des Stimmrechts. Der Wähler dürfe nicht selbst aus¬<lb/> geschaltet werden, doch sei es nicht wesentlich, daß er seine Stimme ausdrücklich<lb/> abgeben müsse, sondern ihm bleibe auch das Recht der stillschweigenden Willens¬<lb/> erklärung !</p><lb/> <p xml:id="ID_797" next="#ID_798"> Bozi weist nun nach, daß die stillschweigende Willenserklärung nicht nur<lb/> privatrechtlich sei <M 108, 1396, 416 B. G. B.). fondern auch öffentlich-rechtlich,<lb/> und deutet hin auf die Wlamationswahlcn bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften,<lb/> die in der Geschäftsordnung des Reichstags selbst anerkannte Abstimmung durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
Ivlchlrccht und Wahlpflicht der Nichtwähler
Regierung auf die Landräte als Kronkandidaten angewiesen sei." Auf eine
Aufforderung Karls vom 8. Oktober 1908 an Sebaldt bat dieser am 31. des¬
selben Monats den Oberlandesgerichtsrat Bozi, in einer angesehenen staats¬
rechtlichen Zeitschrift alle Folgerungen zu ziehen aus einer Kombination der
Vorschläge von Karl, Herman, Bozi und Sebaldt. Diesem Wunsche kam Bozi
nach und veröffentlichte am 10. Juli 1909 in dem Fachblatt Das Recht den
Artikel „Volksrcpräsentation und Stimmenthaltung". Er sagt darin im wesent¬
lichen das Folgende: „Seit Jahren steht die Wahlfrage im Mittelpunkte des
öffentlichen Interesses, aber immer nur unter dem Gesichtspunkte einer Reform
des Wahlsystems. Diesem System wird unbesehen die Verantwortlichkeit für
die Mängel des gegenwärtigen Zustandes zugeschoben, während man die Frage,
ob unsere Wahlkörper eine sinngemäße Verwirklichung des geltenden Wahl¬
systems überhaupt darstellen, nicht aufwirft und insbesondere nicht beachtet, daß
bei jeder Wahlhandlung ein Vierten und mehr der verfassungsmäßig berufenen
Stimmen ausfallen. Die Erklärung hierfür liegt darin, daß diejenigen Par¬
teien, die eine Schwächung der Negierungsmacht erstreben, an der Erhaltung
und Verallgemeinerung eines Zustandes ein Interesse haben, der vorwiegend
diejenigen von der Wahlurne fernhält, auf deren Unterstützung sie nicht zählen
können, während man sich auf der andern Seite nicht darüber klar ist, daß der
Einfluß der Gegner weniger auf dem von ihnen gepriesenen System, als auf
einer fehlerhaften Anwendung dieses Systems beruht. Indem so eine ziel¬
bewußte Agitation mit einer bedauerlichen Gleichgültigkeit der Wähler zusammen¬
trifft, wird es ermöglicht, daß die Geschicke unseres Vaterlandes durch Majori¬
täten bestimmt werden, die am Maßstab des ganzen Volkes geniessen, überhaupt
keine Majoritäten sind." In einer eingehenden rechtswissenschaftlichen und staats¬
geschichtlichen Ausführung zeigt Bozi, daß die Zulässigkeit der Wahlenthaltung
mit der Folge eines Ausfalles der betreffenden Stimmen eine offenbare System¬
widrigkeit sei, da der Gedanke des Vertretenseins als eines subjektiven Rechts
veraltet und verfassungswidrig ist. Der von Karl vorgeschlagene Stimmverfall
zugunsten der Staatsregierung und das von Herman angezogene gesetzliche
Recht des Fiskus auf herrenloses Gut lasse sich ohne den Gedanken eines sub¬
jektiven und verzichtbaren Wahlrechts nicht konstruieren. Ein solcher Rechtszustand
führe zu dein bedenklichen Ergebnisse, daß die Staatsorgane als stimmende
auftreten würden. Endlich widerstreite er dein staatsrechtlichen Grundsatze von
der Unübertmgbarkeit des Stimmrechts. Der Wähler dürfe nicht selbst aus¬
geschaltet werden, doch sei es nicht wesentlich, daß er seine Stimme ausdrücklich
abgeben müsse, sondern ihm bleibe auch das Recht der stillschweigenden Willens¬
erklärung !
Bozi weist nun nach, daß die stillschweigende Willenserklärung nicht nur
privatrechtlich sei <M 108, 1396, 416 B. G. B.). fondern auch öffentlich-rechtlich,
und deutet hin auf die Wlamationswahlcn bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften,
die in der Geschäftsordnung des Reichstags selbst anerkannte Abstimmung durch
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