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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Das Glück des Hauses Rottland

haben, eil? genaues Inventarium aufzustellen, um wenigstens oberflächlich evalvieren
zu können, was die Sachen wert sind."

Man merkte es dem alten Herrn an, daß der Pfeil saß. Er stieß einen
langgezogenen Pfiff aus, lehnte den Narwalzahn in die Ecke zwischen Schrank
und Wand und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

"So, sol Monsieur Mathias denkt schon daran, die Bärenhaut zu verkaufen,
bevor der Bär noch tot ist! Woher wissen Sie das, Pater?" fragte er.

"Aus einer sehr zuverlässigen Quelle. Sie dürfen natürlich nicht erwarten,
daß ich einen Namen nenne. Ich könnte Ihnen noch ganz andere Dinge erzählen,
aber es ist nicht meine Gewohnheit, den rappvrteur zu machen."

"Sie würden mir auch kaum etwas Neues rapportieren können, denn daß
mein sauberer neveu ans meinen Tod spekuliert, weiß ich längst. Ich habe mich
nicht an das Leben attachiert, aber ihm zum Tort wünschte ich, hundert Jahre
alt zu werden."

"Haben Sie nie daran gedacht, noch einmal zu heiraten?"

"Ich -- mit meinen zweiundsechzig Jahren?" Der Freiherr lachte aus
vollem Halse.

"Ich sehe nicht ein, weshalb monsisur le darvn diese Frage so riäieule
findet," sagte der Pater ein wenig gekränkt. "Sie find doch noch robuster als
mancher andere mit zweiundvierzig."

"Nun ja -- ich kann ja nicht klagen! Gesund bin ich ja noch, und das
Alter drückt mich noch nicht, aber bedenken Sie nur: zweiundsechzig Jahre!"

"Wie alt war denn der v. Eltz-Kempenich, als er die dritte MAnaZe schloß?
neunundsiebzig. Und danach hat er noch zehn Jahre gelebt."

Herr Salentin schwieg und stopfte sich sehr bedächtig eine lange holländische
Tonpfeife. Man konnte ihm ansehen, daß er den Gedanken an eine Verehelichung
doch nicht so völlig von der Hand wies.

"Meine Schwestern würden große Augen machen, wenn ich alter Kerl noch
eine junge Frau ins Haus brächte," sagte er schmunzelnd, während er Feuer
schlug. "Früher freilich, als ich noch jünger war, haben sie mich selbst bereden
wollen, noch einmal auf die Freite zu gehen. Aber jetzt -- wo sie das Regiment
im Hause führen? Sie würden sich schön bedanken."

"Ich glaube die obssrvation gemacht zu haben, daß mesdames für-Dero
neveu nicht sonderlich affektioniert sind."

"Das stimmt. Sie können ihn nicht ausstehen."

"Um so besser! Man wird sie leicht persuadieren können, daß man Herrn
v. Pallandt am empfindlichsten affligiert, wenn man die Heirat von monsieur
le baron begünstigt."

"Würden Sie es unternehmen, das Frauenzimmer zu Sortieren, wie es das
Projekt aufnehmen würde?"

"Weshalb nicht? Ich glaube mich der Lontmnes von mesä-unes rühmen
zu dürfen."

"Hören Sie, Pater," sagte der alte Herr jetzt mit leiserer Stimme und indem
er seine wuchtige Hand auf die schmale Schulter des geistlichen Freundes legte,
"ich muß Ihnen die Lor5eZsion machen, daß ich selbst schon an eine Wieder¬
verheiratung gedacht habe. Erstlich meines neveu halber, sodann aber auch, weil


Das Glück des Hauses Rottland

haben, eil? genaues Inventarium aufzustellen, um wenigstens oberflächlich evalvieren
zu können, was die Sachen wert sind."

Man merkte es dem alten Herrn an, daß der Pfeil saß. Er stieß einen
langgezogenen Pfiff aus, lehnte den Narwalzahn in die Ecke zwischen Schrank
und Wand und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

„So, sol Monsieur Mathias denkt schon daran, die Bärenhaut zu verkaufen,
bevor der Bär noch tot ist! Woher wissen Sie das, Pater?" fragte er.

„Aus einer sehr zuverlässigen Quelle. Sie dürfen natürlich nicht erwarten,
daß ich einen Namen nenne. Ich könnte Ihnen noch ganz andere Dinge erzählen,
aber es ist nicht meine Gewohnheit, den rappvrteur zu machen."

„Sie würden mir auch kaum etwas Neues rapportieren können, denn daß
mein sauberer neveu ans meinen Tod spekuliert, weiß ich längst. Ich habe mich
nicht an das Leben attachiert, aber ihm zum Tort wünschte ich, hundert Jahre
alt zu werden."

„Haben Sie nie daran gedacht, noch einmal zu heiraten?"

„Ich — mit meinen zweiundsechzig Jahren?" Der Freiherr lachte aus
vollem Halse.

„Ich sehe nicht ein, weshalb monsisur le darvn diese Frage so riäieule
findet," sagte der Pater ein wenig gekränkt. „Sie find doch noch robuster als
mancher andere mit zweiundvierzig."

„Nun ja — ich kann ja nicht klagen! Gesund bin ich ja noch, und das
Alter drückt mich noch nicht, aber bedenken Sie nur: zweiundsechzig Jahre!"

„Wie alt war denn der v. Eltz-Kempenich, als er die dritte MAnaZe schloß?
neunundsiebzig. Und danach hat er noch zehn Jahre gelebt."

Herr Salentin schwieg und stopfte sich sehr bedächtig eine lange holländische
Tonpfeife. Man konnte ihm ansehen, daß er den Gedanken an eine Verehelichung
doch nicht so völlig von der Hand wies.

„Meine Schwestern würden große Augen machen, wenn ich alter Kerl noch
eine junge Frau ins Haus brächte," sagte er schmunzelnd, während er Feuer
schlug. „Früher freilich, als ich noch jünger war, haben sie mich selbst bereden
wollen, noch einmal auf die Freite zu gehen. Aber jetzt — wo sie das Regiment
im Hause führen? Sie würden sich schön bedanken."

„Ich glaube die obssrvation gemacht zu haben, daß mesdames für-Dero
neveu nicht sonderlich affektioniert sind."

„Das stimmt. Sie können ihn nicht ausstehen."

„Um so besser! Man wird sie leicht persuadieren können, daß man Herrn
v. Pallandt am empfindlichsten affligiert, wenn man die Heirat von monsieur
le baron begünstigt."

„Würden Sie es unternehmen, das Frauenzimmer zu Sortieren, wie es das
Projekt aufnehmen würde?"

„Weshalb nicht? Ich glaube mich der Lontmnes von mesä-unes rühmen
zu dürfen."

„Hören Sie, Pater," sagte der alte Herr jetzt mit leiserer Stimme und indem
er seine wuchtige Hand auf die schmale Schulter des geistlichen Freundes legte,
„ich muß Ihnen die Lor5eZsion machen, daß ich selbst schon an eine Wieder¬
verheiratung gedacht habe. Erstlich meines neveu halber, sodann aber auch, weil


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[0630] Das Glück des Hauses Rottland haben, eil? genaues Inventarium aufzustellen, um wenigstens oberflächlich evalvieren zu können, was die Sachen wert sind." Man merkte es dem alten Herrn an, daß der Pfeil saß. Er stieß einen langgezogenen Pfiff aus, lehnte den Narwalzahn in die Ecke zwischen Schrank und Wand und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „So, sol Monsieur Mathias denkt schon daran, die Bärenhaut zu verkaufen, bevor der Bär noch tot ist! Woher wissen Sie das, Pater?" fragte er. „Aus einer sehr zuverlässigen Quelle. Sie dürfen natürlich nicht erwarten, daß ich einen Namen nenne. Ich könnte Ihnen noch ganz andere Dinge erzählen, aber es ist nicht meine Gewohnheit, den rappvrteur zu machen." „Sie würden mir auch kaum etwas Neues rapportieren können, denn daß mein sauberer neveu ans meinen Tod spekuliert, weiß ich längst. Ich habe mich nicht an das Leben attachiert, aber ihm zum Tort wünschte ich, hundert Jahre alt zu werden." „Haben Sie nie daran gedacht, noch einmal zu heiraten?" „Ich — mit meinen zweiundsechzig Jahren?" Der Freiherr lachte aus vollem Halse. „Ich sehe nicht ein, weshalb monsisur le darvn diese Frage so riäieule findet," sagte der Pater ein wenig gekränkt. „Sie find doch noch robuster als mancher andere mit zweiundvierzig." „Nun ja — ich kann ja nicht klagen! Gesund bin ich ja noch, und das Alter drückt mich noch nicht, aber bedenken Sie nur: zweiundsechzig Jahre!" „Wie alt war denn der v. Eltz-Kempenich, als er die dritte MAnaZe schloß? neunundsiebzig. Und danach hat er noch zehn Jahre gelebt." Herr Salentin schwieg und stopfte sich sehr bedächtig eine lange holländische Tonpfeife. Man konnte ihm ansehen, daß er den Gedanken an eine Verehelichung doch nicht so völlig von der Hand wies. „Meine Schwestern würden große Augen machen, wenn ich alter Kerl noch eine junge Frau ins Haus brächte," sagte er schmunzelnd, während er Feuer schlug. „Früher freilich, als ich noch jünger war, haben sie mich selbst bereden wollen, noch einmal auf die Freite zu gehen. Aber jetzt — wo sie das Regiment im Hause führen? Sie würden sich schön bedanken." „Ich glaube die obssrvation gemacht zu haben, daß mesdames für-Dero neveu nicht sonderlich affektioniert sind." „Das stimmt. Sie können ihn nicht ausstehen." „Um so besser! Man wird sie leicht persuadieren können, daß man Herrn v. Pallandt am empfindlichsten affligiert, wenn man die Heirat von monsieur le baron begünstigt." „Würden Sie es unternehmen, das Frauenzimmer zu Sortieren, wie es das Projekt aufnehmen würde?" „Weshalb nicht? Ich glaube mich der Lontmnes von mesä-unes rühmen zu dürfen." „Hören Sie, Pater," sagte der alte Herr jetzt mit leiserer Stimme und indem er seine wuchtige Hand auf die schmale Schulter des geistlichen Freundes legte, „ich muß Ihnen die Lor5eZsion machen, daß ich selbst schon an eine Wieder¬ verheiratung gedacht habe. Erstlich meines neveu halber, sodann aber auch, weil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/630>, abgerufen am 01.01.2025.