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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Das Glück des Hauses Rottland

Fische und präparierte Vogelbälge, aber auch vergiftete Pfeile aus Guinea,
Flechtereien aus Angola, Arbeiten in Elfenbein von der Insel Nippon, endlich das
Kriegsbeil eines indianischen Häuptlings und die winzigen Schuhe einer vor¬
nehmen Chinesin. An den Wänden prangten Geweihe von Hirschen und Eichen,
Gehörne von Steinböcken und Wildschafen, von der Decke baumelten an Drähten
Seeteufel, Rochen und fliegende Fische. An jedem einzelnen all dieser Gegenstände
war ein Zettel befestigt, der dem staunenden Beschauer über Herkunft, Seltenheit
und Wert die ausführlichste Auskunft gab.

Diese Rumpelkammer -- eine Bezeichnung, deren sich die Gubernatorin zu
bedienen pflegte, wenn sie schlechte Laune hatte! -- war Herrn Salentins Paradies,
und man wird es verstehen können, wie schmerzlich es ihn berührte, daß gerade
der Paradiesvogel darin fehlte. Die Stunden, die der alte Herr hier unter seinen
Schätzen verbrachte, waren die glücklichsten seines Lebens, und doppelt glücklich
fühlte er sich, wenn er einem Kenner oder auch nur einem wißbegierigen Laien
die Herrlichkeiten vorweisen und erklären konnte. Das Kabinett war aber auch,
so gewagt das Bild sein mag, Herrn Salentins Achillesferse, d. h. die einzige
Stelle, wo er zu verwunden war, und auf diese Achillesferse richtete Pater
Ambrosius deshalb den Pfeil, den er schon so lange in Bereitschaft hatte.

"Es ist doch jammerschade, daß alle diese raren und kostbaren Dinge, die
monsieur !o baron mit so viel Fleiß zusammengebracht hat, dereinst wieder in
alle Winde verstreut werden sollen," sagte er mit einem schmerzlichen Blick in den
gerade geöffneten Schrank.

Der Freiherr, der für den Narwalzahn einen würdigen Platz suchte und sich
anschickte, die Gegenstände in einem der Gefächer anders zu ordnen, hielt in seiner
Tätigkeit inne und wandte sich nach dem Freunde um.

"Was wollen Sie damit sagen, Pater?" fragte er mit einem leichten Anflug
von Unmut.

"Ach -- nichts von importariLo. Es fuhr mir nur so heraus. Aber, da es
ja nun doch einmal ausgesprochen ist: ich meinte nur, es wäre besser,, wenn Sie
einen Sohn hätten, der solche Dinge zu estimieren verstünde."

"Genügt es nicht, daß meine Raritäten mir und meinen Freunden plsisir
machen?"

"Gewiß. Wenn man sich aber sagen muß, daß sie später -- hoffentlich erst
nach vielen Jahren I -- in die Hände eines Mannes fallen, der ja seine Tugenden
haben mag, der jedoch für Minervens Stimme taub ist, so empfindet man doch
etwas wie aWotion."

"Ich finde es überflüssig, mon euer, daß Sie mich gerade jetzt an meinen
neveu erinnern."

"Verzeihen Sie, monsieurl Ich hätte es wissen sollen, wie ässaZreable es
Ihnen sein muß, sich vorzustellen, daß Herr v. Pallandt nur auf den Tod von
seinem Herrn ouato wartet, um alle diese Kostbarkeiten zu Gelde zu machen."

"Wissen Sie das so genau?"

"Er hat selbst gesagt, daß er zum wenigsten sechshundert Taler daraus zu
lösen hoffe. Er soll den holländischen Chirurgus in Rheinbach, der ja vordem
Ihr Freund war, und der das Kabinett so gut kennt wie Sie und ich, gebeten


Das Glück des Hauses Rottland

Fische und präparierte Vogelbälge, aber auch vergiftete Pfeile aus Guinea,
Flechtereien aus Angola, Arbeiten in Elfenbein von der Insel Nippon, endlich das
Kriegsbeil eines indianischen Häuptlings und die winzigen Schuhe einer vor¬
nehmen Chinesin. An den Wänden prangten Geweihe von Hirschen und Eichen,
Gehörne von Steinböcken und Wildschafen, von der Decke baumelten an Drähten
Seeteufel, Rochen und fliegende Fische. An jedem einzelnen all dieser Gegenstände
war ein Zettel befestigt, der dem staunenden Beschauer über Herkunft, Seltenheit
und Wert die ausführlichste Auskunft gab.

Diese Rumpelkammer — eine Bezeichnung, deren sich die Gubernatorin zu
bedienen pflegte, wenn sie schlechte Laune hatte! — war Herrn Salentins Paradies,
und man wird es verstehen können, wie schmerzlich es ihn berührte, daß gerade
der Paradiesvogel darin fehlte. Die Stunden, die der alte Herr hier unter seinen
Schätzen verbrachte, waren die glücklichsten seines Lebens, und doppelt glücklich
fühlte er sich, wenn er einem Kenner oder auch nur einem wißbegierigen Laien
die Herrlichkeiten vorweisen und erklären konnte. Das Kabinett war aber auch,
so gewagt das Bild sein mag, Herrn Salentins Achillesferse, d. h. die einzige
Stelle, wo er zu verwunden war, und auf diese Achillesferse richtete Pater
Ambrosius deshalb den Pfeil, den er schon so lange in Bereitschaft hatte.

„Es ist doch jammerschade, daß alle diese raren und kostbaren Dinge, die
monsieur !o baron mit so viel Fleiß zusammengebracht hat, dereinst wieder in
alle Winde verstreut werden sollen," sagte er mit einem schmerzlichen Blick in den
gerade geöffneten Schrank.

Der Freiherr, der für den Narwalzahn einen würdigen Platz suchte und sich
anschickte, die Gegenstände in einem der Gefächer anders zu ordnen, hielt in seiner
Tätigkeit inne und wandte sich nach dem Freunde um.

„Was wollen Sie damit sagen, Pater?" fragte er mit einem leichten Anflug
von Unmut.

„Ach — nichts von importariLo. Es fuhr mir nur so heraus. Aber, da es
ja nun doch einmal ausgesprochen ist: ich meinte nur, es wäre besser,, wenn Sie
einen Sohn hätten, der solche Dinge zu estimieren verstünde."

„Genügt es nicht, daß meine Raritäten mir und meinen Freunden plsisir
machen?"

„Gewiß. Wenn man sich aber sagen muß, daß sie später — hoffentlich erst
nach vielen Jahren I — in die Hände eines Mannes fallen, der ja seine Tugenden
haben mag, der jedoch für Minervens Stimme taub ist, so empfindet man doch
etwas wie aWotion."

„Ich finde es überflüssig, mon euer, daß Sie mich gerade jetzt an meinen
neveu erinnern."

„Verzeihen Sie, monsieurl Ich hätte es wissen sollen, wie ässaZreable es
Ihnen sein muß, sich vorzustellen, daß Herr v. Pallandt nur auf den Tod von
seinem Herrn ouato wartet, um alle diese Kostbarkeiten zu Gelde zu machen."

„Wissen Sie das so genau?"

„Er hat selbst gesagt, daß er zum wenigsten sechshundert Taler daraus zu
lösen hoffe. Er soll den holländischen Chirurgus in Rheinbach, der ja vordem
Ihr Freund war, und der das Kabinett so gut kennt wie Sie und ich, gebeten


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[0629] Das Glück des Hauses Rottland Fische und präparierte Vogelbälge, aber auch vergiftete Pfeile aus Guinea, Flechtereien aus Angola, Arbeiten in Elfenbein von der Insel Nippon, endlich das Kriegsbeil eines indianischen Häuptlings und die winzigen Schuhe einer vor¬ nehmen Chinesin. An den Wänden prangten Geweihe von Hirschen und Eichen, Gehörne von Steinböcken und Wildschafen, von der Decke baumelten an Drähten Seeteufel, Rochen und fliegende Fische. An jedem einzelnen all dieser Gegenstände war ein Zettel befestigt, der dem staunenden Beschauer über Herkunft, Seltenheit und Wert die ausführlichste Auskunft gab. Diese Rumpelkammer — eine Bezeichnung, deren sich die Gubernatorin zu bedienen pflegte, wenn sie schlechte Laune hatte! — war Herrn Salentins Paradies, und man wird es verstehen können, wie schmerzlich es ihn berührte, daß gerade der Paradiesvogel darin fehlte. Die Stunden, die der alte Herr hier unter seinen Schätzen verbrachte, waren die glücklichsten seines Lebens, und doppelt glücklich fühlte er sich, wenn er einem Kenner oder auch nur einem wißbegierigen Laien die Herrlichkeiten vorweisen und erklären konnte. Das Kabinett war aber auch, so gewagt das Bild sein mag, Herrn Salentins Achillesferse, d. h. die einzige Stelle, wo er zu verwunden war, und auf diese Achillesferse richtete Pater Ambrosius deshalb den Pfeil, den er schon so lange in Bereitschaft hatte. „Es ist doch jammerschade, daß alle diese raren und kostbaren Dinge, die monsieur !o baron mit so viel Fleiß zusammengebracht hat, dereinst wieder in alle Winde verstreut werden sollen," sagte er mit einem schmerzlichen Blick in den gerade geöffneten Schrank. Der Freiherr, der für den Narwalzahn einen würdigen Platz suchte und sich anschickte, die Gegenstände in einem der Gefächer anders zu ordnen, hielt in seiner Tätigkeit inne und wandte sich nach dem Freunde um. „Was wollen Sie damit sagen, Pater?" fragte er mit einem leichten Anflug von Unmut. „Ach — nichts von importariLo. Es fuhr mir nur so heraus. Aber, da es ja nun doch einmal ausgesprochen ist: ich meinte nur, es wäre besser,, wenn Sie einen Sohn hätten, der solche Dinge zu estimieren verstünde." „Genügt es nicht, daß meine Raritäten mir und meinen Freunden plsisir machen?" „Gewiß. Wenn man sich aber sagen muß, daß sie später — hoffentlich erst nach vielen Jahren I — in die Hände eines Mannes fallen, der ja seine Tugenden haben mag, der jedoch für Minervens Stimme taub ist, so empfindet man doch etwas wie aWotion." „Ich finde es überflüssig, mon euer, daß Sie mich gerade jetzt an meinen neveu erinnern." „Verzeihen Sie, monsieurl Ich hätte es wissen sollen, wie ässaZreable es Ihnen sein muß, sich vorzustellen, daß Herr v. Pallandt nur auf den Tod von seinem Herrn ouato wartet, um alle diese Kostbarkeiten zu Gelde zu machen." „Wissen Sie das so genau?" „Er hat selbst gesagt, daß er zum wenigsten sechshundert Taler daraus zu lösen hoffe. Er soll den holländischen Chirurgus in Rheinbach, der ja vordem Ihr Freund war, und der das Kabinett so gut kennt wie Sie und ich, gebeten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/629>, abgerufen am 04.01.2025.