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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Arndt als Agitator und Gffiziosus

Und als der Gewittersturm seine Donnerwolken immer näher heranwälzte,
als es für den Kurzsichtigsten und Schläfrigsten galt, sich zu bereiten und zu
rüsten, brachtet ihr da die Opfer, welche die Zeit forderte? zeigtet ihr da den
Mut, der die Kleinen zu Sieg und Tod begeisterte? versöhntet ihr da alle Un-
bille durch neue Edeltaten? -- Nein, nein! Als ihr hättet Hinsahren sollen,
wie die edlen Rosse, ginget ihr den schläfrigen Schritt der Esel; als ihr
freundlich euch hättet verbinden sollen mit dem Volke, wolltet ihr immer noch
übermütig über ihm stehen; als ihr für Freiheit und Rettung alles hattet
darbringen sollen, gabt ihr von den: alten ungerechten Besitz auch nicht das
Kleinste auf. So blieb die Entzweiung und das Mißtrauen, so dauerte die
Stockung und Lähmung, und in einer Zeit, wo alles, wo die letzte Kraft des
Volkes angespannt werden mußte, wo ihr die Anspanner, die Begeisterer, die
Beispiele aller sein müßtet -- erschien in euch nur ein Schatten von dem, was
man hätte Geist nennen können? Eure Kooge und Fürsten mußten um
Kleinigkeiten mit euch unterhandeln und betteln; aber bald sollte der Mann
kommen, der versteht, wie sich solche behandeln lassen, der Mann, der euch
methodisch schändlich und arm zu machen weiß.

Ich sage denn -- was am Tage ist -- kein Fürst durfte dem Korsen das
Knie beugen zum Sklavendienst und zur Verräterei, wenn kein Edelmann
Sklave und Verräter sein wollte; ich sage denn, kein teutscher Mann
focht in dieser Zeit gegen einen teutschen Mann, wenn kein Edelmann an¬
führen wollte gegen das Vaterland; ich sage denn, wir wären ein freies und
unbezwungenes Volk, wenn jeder teutsche Mann, dessen Stimme gehört ward,
gerufen hätte 1805, wie jeder französische Mann rief 1793: Lasset uns auf¬
stehen, daß die Fremden nicht herrschen in unserem Lande!

Und ihr -- ihr habt gesessen zu Rat mit euren Fürsten gegen euer Vater¬
land, ihr habt eure Schwerter blutig gefärbt in teutschen Brüsten, ihr werdet
sie blutig färben in teutschen Brüsten, bis der letzte freie Mann erschlagen oder
ein Knecht ist. Soll ich sagen, daß ihr euer Vaterland hasset, daß ihr die
Franzosen liebt, daß ihr Bonaparten vergöttert?

Nein, ihr tut das alles nicht. Aber ihr liebt euer Vaterland, ihr hasset
die Franzosen, ihr verabscheut Bonaparten nicht genug. Kleinlich, beklommen,
ratlos stehet ihr in der Gegenwart und blicket ihr in die Zukunft; denn ihr
kennet die hohe Ehre und den hohen Stolz der Männer nicht. Hier hilft
kein Stümpern, kein Einlenken, kein Hoffen auf das Ferne; denn das
Fürchterlichste ist nahe, Schande und Unterjochung. Auch will ich euch sagen,
teutsche Edelleute, warum ihr so stümpert, so einlenket, so hoffet. Ihr wißt
nicht, was ihr sein, noch was ihr tun sollet. Fürsten und Edlen war nur
hoher Besitz gegeben, daß sie höchste Gefahr beständen; Ehre soll ihnen über
alles sein, jedes Opfer, jedes Leid, selbst der bitterste Tod soll ihnen unter
Ehre sein. Aber ihr seid Krämer und Trödler, Juden und Lombarden, ihr
treibt Kauf und Verkauf, wo das kühnste Wort und das blutigste Schwert


Arndt als Agitator und Gffiziosus

Und als der Gewittersturm seine Donnerwolken immer näher heranwälzte,
als es für den Kurzsichtigsten und Schläfrigsten galt, sich zu bereiten und zu
rüsten, brachtet ihr da die Opfer, welche die Zeit forderte? zeigtet ihr da den
Mut, der die Kleinen zu Sieg und Tod begeisterte? versöhntet ihr da alle Un-
bille durch neue Edeltaten? — Nein, nein! Als ihr hättet Hinsahren sollen,
wie die edlen Rosse, ginget ihr den schläfrigen Schritt der Esel; als ihr
freundlich euch hättet verbinden sollen mit dem Volke, wolltet ihr immer noch
übermütig über ihm stehen; als ihr für Freiheit und Rettung alles hattet
darbringen sollen, gabt ihr von den: alten ungerechten Besitz auch nicht das
Kleinste auf. So blieb die Entzweiung und das Mißtrauen, so dauerte die
Stockung und Lähmung, und in einer Zeit, wo alles, wo die letzte Kraft des
Volkes angespannt werden mußte, wo ihr die Anspanner, die Begeisterer, die
Beispiele aller sein müßtet — erschien in euch nur ein Schatten von dem, was
man hätte Geist nennen können? Eure Kooge und Fürsten mußten um
Kleinigkeiten mit euch unterhandeln und betteln; aber bald sollte der Mann
kommen, der versteht, wie sich solche behandeln lassen, der Mann, der euch
methodisch schändlich und arm zu machen weiß.

Ich sage denn — was am Tage ist — kein Fürst durfte dem Korsen das
Knie beugen zum Sklavendienst und zur Verräterei, wenn kein Edelmann
Sklave und Verräter sein wollte; ich sage denn, kein teutscher Mann
focht in dieser Zeit gegen einen teutschen Mann, wenn kein Edelmann an¬
führen wollte gegen das Vaterland; ich sage denn, wir wären ein freies und
unbezwungenes Volk, wenn jeder teutsche Mann, dessen Stimme gehört ward,
gerufen hätte 1805, wie jeder französische Mann rief 1793: Lasset uns auf¬
stehen, daß die Fremden nicht herrschen in unserem Lande!

Und ihr — ihr habt gesessen zu Rat mit euren Fürsten gegen euer Vater¬
land, ihr habt eure Schwerter blutig gefärbt in teutschen Brüsten, ihr werdet
sie blutig färben in teutschen Brüsten, bis der letzte freie Mann erschlagen oder
ein Knecht ist. Soll ich sagen, daß ihr euer Vaterland hasset, daß ihr die
Franzosen liebt, daß ihr Bonaparten vergöttert?

Nein, ihr tut das alles nicht. Aber ihr liebt euer Vaterland, ihr hasset
die Franzosen, ihr verabscheut Bonaparten nicht genug. Kleinlich, beklommen,
ratlos stehet ihr in der Gegenwart und blicket ihr in die Zukunft; denn ihr
kennet die hohe Ehre und den hohen Stolz der Männer nicht. Hier hilft
kein Stümpern, kein Einlenken, kein Hoffen auf das Ferne; denn das
Fürchterlichste ist nahe, Schande und Unterjochung. Auch will ich euch sagen,
teutsche Edelleute, warum ihr so stümpert, so einlenket, so hoffet. Ihr wißt
nicht, was ihr sein, noch was ihr tun sollet. Fürsten und Edlen war nur
hoher Besitz gegeben, daß sie höchste Gefahr beständen; Ehre soll ihnen über
alles sein, jedes Opfer, jedes Leid, selbst der bitterste Tod soll ihnen unter
Ehre sein. Aber ihr seid Krämer und Trödler, Juden und Lombarden, ihr
treibt Kauf und Verkauf, wo das kühnste Wort und das blutigste Schwert


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/603>, abgerufen am 04.01.2025.