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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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kann infolgedessen darauf verzichten, meinen Standpunkt noch einmal dar¬
zulegen.

Dagegen möchte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Beein¬
flussung eines Teiles unserer Presse durch wirtschaftliche Interessenten, insonderheit
durch Kolonialinteressenten, in einer Form auftritt, die der in Frankreich üblich
gewordenen nicht unähnlich sieht. ". . . Die Gebrüder Mannesmann, so schreibt
die Allgemeine Zeitung in Chemnitz, haben seinerzeit die Deutsche Presse geradezu
mit Publikationen überschüttet. . . . Fast kein Tag verging eine Zeitlang,
ohne daß unsere Schriftleitung kurze Notizen, lange Artikel oder gar umfang¬
reiche Druckschriften empfing, um für die Mannesmann-Sache Stimmung zu
machen. Da eine Kontrolle dieser Verhältnisse so überaus schwer war und
der Allgemeinen Zeitung die Verantwortung zu groß schien, für eine -- doch
immerhin zunächst private -- Sache einzutreten, für die so merkwürdig viel
Geld durch Drucklegung und Versendung dieser Notizen und Artikel aufge¬
wendet wurde, vermieden wir größtenteils die Aufnahme." Neben solcher
mehr auf die kleinere Presse zugeschnittene Materiallieferung besteht in den
Hauptstädten eine persönliche Beeinflussung durch mehr oder minder vertrauliche
Besprechungen, bei denen "ausgezeichnete Kenner der Verhältnisse" in erster
Linie zu Worte kommen, Kenner, die sich bei näherem Zusehen zum mindesten
als Freunde der Interessenten entpuppen.

Wenn ich auf diese Verhältnisse hinweise, so will ich damit durchaus nicht
sagen, daß Redakteure sich bei wirtschaftlichen Interessenten nicht über Einzel¬
heiten unterrichten sollen. Im Gegenteil, es wäre sehr zu wünschen, wenn alle
Redaktionen von den: ihnen gern eingeräumten Recht, Auskunft einzuziehen,
möglichst ausgiebigen Gebrauch machen wollten. Freilich müssen dann die
gewordenen Mitteilungen auch mit dem Vermerk ihrer Herkunft versehen sein,
wie es bei der großen Handelspresse geschieht. Wogegen aber unbedingt Ein¬
spruch erhoben werden muß, das ist die Verbreitung von Auffassungen unter
dem Deckmantel einer nationalen Frage, die in erster Linie einem wirtschaftlichen
Unternehmer zugute kommen sollen. Denn gerade hierdurch wird der Leser,
der glaubt von einer sich national und unparteiisch nennenden Zeitung objektiv
G. Li. unterrichtet zu werden, irregeführt.


Bank und Geld

Beruhigte Auffassung an der Börse -- Kursaufschwung oder Rückgang? -- Die all¬
gemeine Wirtschaftslage -- Der Geldmarkt und die ausländischen Guthaben --
Tendenziöse Gerüchte -- Deutsche Geldflüssigkeit und französische Geldklemme

Die Börse hat sich wiedergefunden. Der panische Schrecken ist verflogen,
und das Gespenst, vor dem gestern alle Welt zitterte, wird heute im hellen
Tageslicht lächelnder Miene erkannt als das was es war: eine Ausgeburt über¬
hitzter Phantasie und kopfloser Bangigkeit. So vollständig ist der Umschwung
in der Betrachtungsweise und Auffassung, daß heute tatsächlich die Marokkofrage


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kann infolgedessen darauf verzichten, meinen Standpunkt noch einmal dar¬
zulegen.

Dagegen möchte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Beein¬
flussung eines Teiles unserer Presse durch wirtschaftliche Interessenten, insonderheit
durch Kolonialinteressenten, in einer Form auftritt, die der in Frankreich üblich
gewordenen nicht unähnlich sieht. „. . . Die Gebrüder Mannesmann, so schreibt
die Allgemeine Zeitung in Chemnitz, haben seinerzeit die Deutsche Presse geradezu
mit Publikationen überschüttet. . . . Fast kein Tag verging eine Zeitlang,
ohne daß unsere Schriftleitung kurze Notizen, lange Artikel oder gar umfang¬
reiche Druckschriften empfing, um für die Mannesmann-Sache Stimmung zu
machen. Da eine Kontrolle dieser Verhältnisse so überaus schwer war und
der Allgemeinen Zeitung die Verantwortung zu groß schien, für eine — doch
immerhin zunächst private — Sache einzutreten, für die so merkwürdig viel
Geld durch Drucklegung und Versendung dieser Notizen und Artikel aufge¬
wendet wurde, vermieden wir größtenteils die Aufnahme." Neben solcher
mehr auf die kleinere Presse zugeschnittene Materiallieferung besteht in den
Hauptstädten eine persönliche Beeinflussung durch mehr oder minder vertrauliche
Besprechungen, bei denen „ausgezeichnete Kenner der Verhältnisse" in erster
Linie zu Worte kommen, Kenner, die sich bei näherem Zusehen zum mindesten
als Freunde der Interessenten entpuppen.

Wenn ich auf diese Verhältnisse hinweise, so will ich damit durchaus nicht
sagen, daß Redakteure sich bei wirtschaftlichen Interessenten nicht über Einzel¬
heiten unterrichten sollen. Im Gegenteil, es wäre sehr zu wünschen, wenn alle
Redaktionen von den: ihnen gern eingeräumten Recht, Auskunft einzuziehen,
möglichst ausgiebigen Gebrauch machen wollten. Freilich müssen dann die
gewordenen Mitteilungen auch mit dem Vermerk ihrer Herkunft versehen sein,
wie es bei der großen Handelspresse geschieht. Wogegen aber unbedingt Ein¬
spruch erhoben werden muß, das ist die Verbreitung von Auffassungen unter
dem Deckmantel einer nationalen Frage, die in erster Linie einem wirtschaftlichen
Unternehmer zugute kommen sollen. Denn gerade hierdurch wird der Leser,
der glaubt von einer sich national und unparteiisch nennenden Zeitung objektiv
G. Li. unterrichtet zu werden, irregeführt.


Bank und Geld

Beruhigte Auffassung an der Börse — Kursaufschwung oder Rückgang? — Die all¬
gemeine Wirtschaftslage — Der Geldmarkt und die ausländischen Guthaben —
Tendenziöse Gerüchte — Deutsche Geldflüssigkeit und französische Geldklemme

Die Börse hat sich wiedergefunden. Der panische Schrecken ist verflogen,
und das Gespenst, vor dem gestern alle Welt zitterte, wird heute im hellen
Tageslicht lächelnder Miene erkannt als das was es war: eine Ausgeburt über¬
hitzter Phantasie und kopfloser Bangigkeit. So vollständig ist der Umschwung
in der Betrachtungsweise und Auffassung, daß heute tatsächlich die Marokkofrage


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[0587] Rcichsspiegel kann infolgedessen darauf verzichten, meinen Standpunkt noch einmal dar¬ zulegen. Dagegen möchte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Beein¬ flussung eines Teiles unserer Presse durch wirtschaftliche Interessenten, insonderheit durch Kolonialinteressenten, in einer Form auftritt, die der in Frankreich üblich gewordenen nicht unähnlich sieht. „. . . Die Gebrüder Mannesmann, so schreibt die Allgemeine Zeitung in Chemnitz, haben seinerzeit die Deutsche Presse geradezu mit Publikationen überschüttet. . . . Fast kein Tag verging eine Zeitlang, ohne daß unsere Schriftleitung kurze Notizen, lange Artikel oder gar umfang¬ reiche Druckschriften empfing, um für die Mannesmann-Sache Stimmung zu machen. Da eine Kontrolle dieser Verhältnisse so überaus schwer war und der Allgemeinen Zeitung die Verantwortung zu groß schien, für eine — doch immerhin zunächst private — Sache einzutreten, für die so merkwürdig viel Geld durch Drucklegung und Versendung dieser Notizen und Artikel aufge¬ wendet wurde, vermieden wir größtenteils die Aufnahme." Neben solcher mehr auf die kleinere Presse zugeschnittene Materiallieferung besteht in den Hauptstädten eine persönliche Beeinflussung durch mehr oder minder vertrauliche Besprechungen, bei denen „ausgezeichnete Kenner der Verhältnisse" in erster Linie zu Worte kommen, Kenner, die sich bei näherem Zusehen zum mindesten als Freunde der Interessenten entpuppen. Wenn ich auf diese Verhältnisse hinweise, so will ich damit durchaus nicht sagen, daß Redakteure sich bei wirtschaftlichen Interessenten nicht über Einzel¬ heiten unterrichten sollen. Im Gegenteil, es wäre sehr zu wünschen, wenn alle Redaktionen von den: ihnen gern eingeräumten Recht, Auskunft einzuziehen, möglichst ausgiebigen Gebrauch machen wollten. Freilich müssen dann die gewordenen Mitteilungen auch mit dem Vermerk ihrer Herkunft versehen sein, wie es bei der großen Handelspresse geschieht. Wogegen aber unbedingt Ein¬ spruch erhoben werden muß, das ist die Verbreitung von Auffassungen unter dem Deckmantel einer nationalen Frage, die in erster Linie einem wirtschaftlichen Unternehmer zugute kommen sollen. Denn gerade hierdurch wird der Leser, der glaubt von einer sich national und unparteiisch nennenden Zeitung objektiv G. Li. unterrichtet zu werden, irregeführt. Bank und Geld Beruhigte Auffassung an der Börse — Kursaufschwung oder Rückgang? — Die all¬ gemeine Wirtschaftslage — Der Geldmarkt und die ausländischen Guthaben — Tendenziöse Gerüchte — Deutsche Geldflüssigkeit und französische Geldklemme Die Börse hat sich wiedergefunden. Der panische Schrecken ist verflogen, und das Gespenst, vor dem gestern alle Welt zitterte, wird heute im hellen Tageslicht lächelnder Miene erkannt als das was es war: eine Ausgeburt über¬ hitzter Phantasie und kopfloser Bangigkeit. So vollständig ist der Umschwung in der Betrachtungsweise und Auffassung, daß heute tatsächlich die Marokkofrage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/587>, abgerufen am 29.12.2024.