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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Schule und Werkunterricht

"Dafür ist die Katharina von großer vivacite und von gutem Humor, und
deshalb wird sie mehr als ihre Schwester nach Salentins Gusto sein."

"Aber sie würde uns hier alle in awrms bringen und das ganze Haus
kommandieren." bemerkte die Priorin. "Ich votiere für die Barbara."

"Damit wir vor ennui umkommen? Du natürlich denkst immer an dich und
deine Ruhe, aber in meinen Jahren will man noch vom Leben profitieren."
Die Gubernatorin tat, als wäre sie gegen die um kaum drei Jahre ältere Schwester
noch ein Kind. "Wenn die Katharina herkäme," fuhr sie fort, "würden wir
wenigstens von Zeit zu Zeit wieder eine assembiös haben, und schon deshalb
wünschte ich, daß sich unser Bruder sür sie dezidieren möchte."

"Daß du immer an weltliche äivertissement8 denken mußt, nella!" bemerkte
Schwester Felizitas seufzend. "Aber das sage ich dir, ma euere, wenn wir durch
die Katharina daS Haus voll trouble bekommen, dann bist du dafür responsable."

Die alten Damen ereiferten sich immer mehr, und Pater Ambrosius saß mit
verlegenen Mienen zwischen den streitenden Parteien. Da ließen sich draußen auf
der Diele die schweren Schritte dessen vernehmen, dessen zukünftiges Glück die
Veranlassung zu all diesen Erörterungen gewesen war. (Fortsetzung folgt.)




schule und Werkunterricht
Von Rektor P, Hoche

'KM! meer den Reformen, die augenblicklich die pädagogische Sturm- und
Drangperiode zur Diskussion stellt, dürfte kaum eine mehr in den
Vordergrund des Interesses rücken als die des Werkunterrichts.
Tausende von Gemütern hat dieser Begriff in leidenschaftliche Auf¬
legung versetzt. Die Pädagogen hat er in zwei feindliche Lager
gespalten, die sich erbittert bekämpfen und sich im Kampfe um die vermeintliche
Wahrheit manchmal bis ins äußerste Extrem verlieren. Für die neue Arbeits¬
schule! Gegen die alte, untaugliche Lernschule I Das ist das lautgerufene Kampf,
geschrei der Neuerer, die heftig gegen den bisherigen Schulbetrieb Sturm laufen.
Ihre Bemühungen sind auch nicht erfolglos geblieben. Weite pädagogische Kreise
sind durch das neue Erziehungsideal nicht nur aufgerüttelt, sondern auch bekehrt
worden. Wer vor einem Jahrzehnt noch über die sonderbare Erziehung durch
Leimtopf, Hobel und Säge sarkastisch spottete, ist heute schon vielfach zu einem
begeisterten Anhänger des neuen Prinzips geworden. Kann auch von einem Siege
auf der ganzen Linie vorläufig und in absehbarer Zeit noch nicht die Rede sein,
so läßt sich doch behaupten, daß der neue Erziehungsgedanke sich nach und nach
immer mehr Anerkennung verschafft.

Der Werkunterrichtsgedanke ist nach seiner Entstehung eine Reaktion gegen
verschiedene Schulnöte oder Mißerfolge unserer Zeit. Fast alle unsere Schulen,
höhere wie niedere, sind bloße Stätten des Wissens und der Erkenntnis geworden.
Tritt das Kind vom Leben in die Schule ein, so geht ein tiefer Schnitt durch


Schule und Werkunterricht

„Dafür ist die Katharina von großer vivacite und von gutem Humor, und
deshalb wird sie mehr als ihre Schwester nach Salentins Gusto sein."

„Aber sie würde uns hier alle in awrms bringen und das ganze Haus
kommandieren." bemerkte die Priorin. „Ich votiere für die Barbara."

„Damit wir vor ennui umkommen? Du natürlich denkst immer an dich und
deine Ruhe, aber in meinen Jahren will man noch vom Leben profitieren."
Die Gubernatorin tat, als wäre sie gegen die um kaum drei Jahre ältere Schwester
noch ein Kind. „Wenn die Katharina herkäme," fuhr sie fort, „würden wir
wenigstens von Zeit zu Zeit wieder eine assembiös haben, und schon deshalb
wünschte ich, daß sich unser Bruder sür sie dezidieren möchte."

„Daß du immer an weltliche äivertissement8 denken mußt, nella!" bemerkte
Schwester Felizitas seufzend. „Aber das sage ich dir, ma euere, wenn wir durch
die Katharina daS Haus voll trouble bekommen, dann bist du dafür responsable."

Die alten Damen ereiferten sich immer mehr, und Pater Ambrosius saß mit
verlegenen Mienen zwischen den streitenden Parteien. Da ließen sich draußen auf
der Diele die schweren Schritte dessen vernehmen, dessen zukünftiges Glück die
Veranlassung zu all diesen Erörterungen gewesen war. (Fortsetzung folgt.)




schule und Werkunterricht
Von Rektor P, Hoche

'KM! meer den Reformen, die augenblicklich die pädagogische Sturm- und
Drangperiode zur Diskussion stellt, dürfte kaum eine mehr in den
Vordergrund des Interesses rücken als die des Werkunterrichts.
Tausende von Gemütern hat dieser Begriff in leidenschaftliche Auf¬
legung versetzt. Die Pädagogen hat er in zwei feindliche Lager
gespalten, die sich erbittert bekämpfen und sich im Kampfe um die vermeintliche
Wahrheit manchmal bis ins äußerste Extrem verlieren. Für die neue Arbeits¬
schule! Gegen die alte, untaugliche Lernschule I Das ist das lautgerufene Kampf,
geschrei der Neuerer, die heftig gegen den bisherigen Schulbetrieb Sturm laufen.
Ihre Bemühungen sind auch nicht erfolglos geblieben. Weite pädagogische Kreise
sind durch das neue Erziehungsideal nicht nur aufgerüttelt, sondern auch bekehrt
worden. Wer vor einem Jahrzehnt noch über die sonderbare Erziehung durch
Leimtopf, Hobel und Säge sarkastisch spottete, ist heute schon vielfach zu einem
begeisterten Anhänger des neuen Prinzips geworden. Kann auch von einem Siege
auf der ganzen Linie vorläufig und in absehbarer Zeit noch nicht die Rede sein,
so läßt sich doch behaupten, daß der neue Erziehungsgedanke sich nach und nach
immer mehr Anerkennung verschafft.

Der Werkunterrichtsgedanke ist nach seiner Entstehung eine Reaktion gegen
verschiedene Schulnöte oder Mißerfolge unserer Zeit. Fast alle unsere Schulen,
höhere wie niedere, sind bloße Stätten des Wissens und der Erkenntnis geworden.
Tritt das Kind vom Leben in die Schule ein, so geht ein tiefer Schnitt durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/571>, abgerufen am 04.01.2025.