Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Das Glück des Hauses Rottland waren sich darüber klar, daß mit dem Augenblick, wo der pietätlose Neffe die Der Pater war von der Wirkung seiner Mitteilung außerordentlich befriedigt, "Herr v. Pallandt muß in großer Bedrängnis sein oder für seinen onole "Keine Spur von skteetion!" klagte die Gubernatorin. "Wo er ihm einen "Unser lieber Bruder hat ihm einmal wegen seiner eonäuite ernste Vor¬ Um die Mundwinkel des geistlichen Freundes spielte ein feines Lächeln. Monsieur le baron hätte es doch in der Hand, den jungen Herrn empfindlich "Sie meinen, er sollte wieder' heiraten?" fragten die beiden Damen wie aus "Daran dachte ich allerdings, mesäsmes," gestand der Pater. "Haben wir es nicht immer gesagt, nella?" wandte sich die Priorin an ihre "Natürlich, ma clere. aber was hilft das, wenn er nicht will?" entgegnete "Er ist vielleicht ein wenig eommoäe geworden und scheut die Mühe, sich "Wir würden Ihnen bis in alle Ewigkeit dankbar sein, euer ami, wenn Sie Grenzboten III 1911 71
Das Glück des Hauses Rottland waren sich darüber klar, daß mit dem Augenblick, wo der pietätlose Neffe die Der Pater war von der Wirkung seiner Mitteilung außerordentlich befriedigt, „Herr v. Pallandt muß in großer Bedrängnis sein oder für seinen onole „Keine Spur von skteetion!" klagte die Gubernatorin. „Wo er ihm einen „Unser lieber Bruder hat ihm einmal wegen seiner eonäuite ernste Vor¬ Um die Mundwinkel des geistlichen Freundes spielte ein feines Lächeln. Monsieur le baron hätte es doch in der Hand, den jungen Herrn empfindlich „Sie meinen, er sollte wieder' heiraten?" fragten die beiden Damen wie aus „Daran dachte ich allerdings, mesäsmes," gestand der Pater. „Haben wir es nicht immer gesagt, nella?" wandte sich die Priorin an ihre „Natürlich, ma clere. aber was hilft das, wenn er nicht will?" entgegnete „Er ist vielleicht ein wenig eommoäe geworden und scheut die Mühe, sich „Wir würden Ihnen bis in alle Ewigkeit dankbar sein, euer ami, wenn Sie Grenzboten III 1911 71
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Das Glück des Hauses Rottland
waren sich darüber klar, daß mit dem Augenblick, wo der pietätlose Neffe die
Erbschaft antrat, für sie die Stunde gekommen sein würde, mit Sack und Pack
ihr Asyl zu räumen. Diese Erkenntnis hatte den beiden alten Damen schon manche
schlaflose Nacht bereitet, und wenn sie in ihren Morgen- und Abendgebeten die
Heiligen anflehten, über dem teuren Leben ihres geliebten Bruders zu wachen, so
hatte das seine guten Gründe. Ihre einzige Hoffnung war, daß ihr Salentin,
als der Jüngste von ihnen, sie nach menschlichem Ermessen überleben werde, aber
diese Hoffnung wurde nicht wenig durch den Umstand getrübt, daß der Bruder
im Vertrauen auf seine Rüstigkeit sich häufig zuviel zumutete und mit wahrhaft
jugendlichem Leichtsinn auf seine kostbare Gesundheit loswüstete.
Der Pater war von der Wirkung seiner Mitteilung außerordentlich befriedigt,
aber er hielt es für angebracht, sich den Anschein zu geben, als sei er über die
Aufnahme, die seine Nachricht gefunden hatte, aufs Höchste betroffen. Er rückte
auf dem Stuhle hin und her, vergrub die Hände in die Ärmel seiner Soutane
und kniff die blutlosen Lippen zusammen.
„Herr v. Pallandt muß in großer Bedrängnis sein oder für seinen onole
sehr wenig verwandtschaftliche aiiection empfinden, um so handeln zu können,"
bemerkte er endlich.
„Keine Spur von skteetion!" klagte die Gubernatorin. „Wo er ihm einen
Tort antun kann, da läßt er die oLeasion dazu nicht vorübergehen."
„Unser lieber Bruder hat ihm einmal wegen seiner eonäuite ernste Vor¬
haltungen gemacht, und das kann ihm der v. Pallandt nicht verzeihen," erklärte
Schwester Felizitas mit verschleierter Stimme, während sie mit ihrem fleischigen
Zeigefinger eine Fliege aus dem Glase fischte.
Um die Mundwinkel des geistlichen Freundes spielte ein feines Lächeln.
Monsieur le baron hätte es doch in der Hand, den jungen Herrn empfindlich
zu strafen und sein calcul über den Haufen zu werfen," sagte er nach einer kleinen
Weile.
„Sie meinen, er sollte wieder' heiraten?" fragten die beiden Damen wie aus
einem Munde. Sie hatten diesen Gedanken schon seit langem gehegt und ihn auch
schon ihrem Bruder gegenüber angedeutet, ohne jedoch bei ihm Verständnis dafür
gefunden zu haben.
„Daran dachte ich allerdings, mesäsmes," gestand der Pater.
„Haben wir es nicht immer gesagt, nella?" wandte sich die Priorin an ihre
Schwester.
„Natürlich, ma clere. aber was hilft das, wenn er nicht will?" entgegnete
diese. „Und dabei ist er doch gesund und stark, ist noch immer ein ansehnlich
Mannsbild und hat zeitlebens eine incliimtion für das Frauenzimmer gehabt."
„Er ist vielleicht ein wenig eommoäe geworden und scheut die Mühe, sich
bei den ctemes aimable zu machen," meinte Pater Ambrosius. „Man müßte ihm
zur Hilfe kommen und eine passende Partie für ihn aussuchen. Vor allem aber
müßte man ihn persuadieren, daß er durch eine Heirat monsieur le neveu in den
größten embsrrÄS brächte. Was meinen Sie, mater reverenäa? vbi propositum
ibi ratiol"
„Wir würden Ihnen bis in alle Ewigkeit dankbar sein, euer ami, wenn Sie
^du zu seinem Glück bereden könnten," versicherte die Priorin.
Grenzboten III 1911 71
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