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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Arndt als Agitator lind Gffiziosus

an Gneisenau richtete, ob er den König in seinen Proklamationen als verächtlich,
verdächtig oder unterdrückt darstellen solle"). 1809 verachtete Arndt dieses "ent¬
artete, knechtische Gesindel" (49--48--27)"'), "jenen Pöbel" (165 -- 169 -- 72),
diese "Zaunkönige" (454--429--184), und rücksichtslos gab er dieser Meinung
Ausdruck. 1813 aber war es ratsam, mit einem mißtrauischen Seitenblick
it?r->s<;it K(i>v die Empfindungen der Fürsten zu respektieren und -- sie als unterdrückt
darzustellen.

Das beleuchten gut folgende Beispiele:


[Beginn Spaltensatz]
1809
138: Der elende Eugen von Württemberg
166: seine Fürsten dienen in Niedrigkeit
176: "Könnt ihr nicht lieber fürstlich und
erhaben untergehen als niedrig und
gebrandmarkt dienen wollen?"
179: "Ich will sie nicht vernichtet wissen, was
sie durch kleine und unvaterländische
Gesinnung Wohl verdient haben."
"Es ist erschienen, wie verkäuflich, wie
schwach und feig sie sind, wie sie keine
Ehre, kein Vaterland, kein Volk haben."
3S9: "mit den elenden und ehrvergefmen
deutschen Fürsten."

[Spaltenumbruch]
1813
143 -- 59: Der Herzog Engen von Württem¬
berg.
170 -- 72: .. . im Elend.
179 -- 76:
... als mit beklommenem und zerrisse-
nen Herzen?
182: ^j gestrichen.
i
/
368 --1ö2: "mit den unglücklichen deutschen
Fürsten."

[Ende Spaltensatz]

Wie er den Deutschen im Katechismus (1812, Einleitung) beibringen will,
"daß sie nicht durch größere Tugend und Streitbarkeit des Feindes, sondern
durch Faulheit und Treulosigkeit ihrer Führer überwunden sind", so schleuderte
er auch schon 1809 den Fürsten die Wahrheit ins Gesicht, daß sie die Schuldigen
sind: "Faulheit und Dummheit der Fürsten haben uns vernichtet, das ist klarer
als die Sonne am Mittage" (372--371--158). "So ist Teutschlands Unter¬
jochung dem Feinde ein Spiel geworden, ihr seid die Verbrecher, denen die
Enkel die schwarze Schande nächstnahen sollen, ihr habt seiner Wut und Tyrannei
den Weg gebahnt. Wo ist die Stimme eines einzigen von euch gehört worden
für Ehre und Gerechtigkeit?" (56 -- 30). "Napoleon entschied eigenmächtig und
ohne Widerstand das Schicksal Deutschlands . . . durch die streitenden Interessen,
besonders durch den Neid, Geiz und Haß der engherzigen Kümmerlinge, die
unter dem Namen Fürsten die Ehre und Sicherheit des Vaterlandes verteidigen
sollten." (413--408--174.) Dasselbe ist der Inhalt der Seiten 391/93
(--389--166) der ersten Ausgabe, die Arndt 1813 gestrichen hat. Ich hebe
die Kernstellen heraus: "Wie ist es möglich, frage ich, daß man so gar kein
Gefühl von einem Menschen, ich sage nicht, von einem Mann, haben, daß man
nicht zürnen und hassen kann, wann die Zeit es will? Wie ist es möglich, daß




") Vgl. Fournier. Deutsche Rundschau 1887/88 I, 213, und Max Lehmann:
Stein III, 179 ff.
Ich nenne zuerst die Seite der ersten Ausgabe, dann, wenn abweichend, der
Zweiten, schließlich die der "Werke", X. Band.
Arndt als Agitator lind Gffiziosus

an Gneisenau richtete, ob er den König in seinen Proklamationen als verächtlich,
verdächtig oder unterdrückt darstellen solle"). 1809 verachtete Arndt dieses „ent¬
artete, knechtische Gesindel" (49—48—27)"'), „jenen Pöbel" (165 — 169 — 72),
diese „Zaunkönige" (454—429—184), und rücksichtslos gab er dieser Meinung
Ausdruck. 1813 aber war es ratsam, mit einem mißtrauischen Seitenblick
it?r->s<;it K(i>v die Empfindungen der Fürsten zu respektieren und — sie als unterdrückt
darzustellen.

Das beleuchten gut folgende Beispiele:


[Beginn Spaltensatz]
1809
138: Der elende Eugen von Württemberg
166: seine Fürsten dienen in Niedrigkeit
176: „Könnt ihr nicht lieber fürstlich und
erhaben untergehen als niedrig und
gebrandmarkt dienen wollen?"
179: „Ich will sie nicht vernichtet wissen, was
sie durch kleine und unvaterländische
Gesinnung Wohl verdient haben."
„Es ist erschienen, wie verkäuflich, wie
schwach und feig sie sind, wie sie keine
Ehre, kein Vaterland, kein Volk haben."
3S9: „mit den elenden und ehrvergefmen
deutschen Fürsten."

[Spaltenumbruch]
1813
143 — 59: Der Herzog Engen von Württem¬
berg.
170 — 72: .. . im Elend.
179 — 76:
... als mit beklommenem und zerrisse-
nen Herzen?
182: ^j gestrichen.
i
/
368 —1ö2: „mit den unglücklichen deutschen
Fürsten."

[Ende Spaltensatz]

Wie er den Deutschen im Katechismus (1812, Einleitung) beibringen will,
„daß sie nicht durch größere Tugend und Streitbarkeit des Feindes, sondern
durch Faulheit und Treulosigkeit ihrer Führer überwunden sind", so schleuderte
er auch schon 1809 den Fürsten die Wahrheit ins Gesicht, daß sie die Schuldigen
sind: „Faulheit und Dummheit der Fürsten haben uns vernichtet, das ist klarer
als die Sonne am Mittage" (372—371—158). „So ist Teutschlands Unter¬
jochung dem Feinde ein Spiel geworden, ihr seid die Verbrecher, denen die
Enkel die schwarze Schande nächstnahen sollen, ihr habt seiner Wut und Tyrannei
den Weg gebahnt. Wo ist die Stimme eines einzigen von euch gehört worden
für Ehre und Gerechtigkeit?" (56 — 30). „Napoleon entschied eigenmächtig und
ohne Widerstand das Schicksal Deutschlands . . . durch die streitenden Interessen,
besonders durch den Neid, Geiz und Haß der engherzigen Kümmerlinge, die
unter dem Namen Fürsten die Ehre und Sicherheit des Vaterlandes verteidigen
sollten." (413—408—174.) Dasselbe ist der Inhalt der Seiten 391/93
(—389—166) der ersten Ausgabe, die Arndt 1813 gestrichen hat. Ich hebe
die Kernstellen heraus: „Wie ist es möglich, frage ich, daß man so gar kein
Gefühl von einem Menschen, ich sage nicht, von einem Mann, haben, daß man
nicht zürnen und hassen kann, wann die Zeit es will? Wie ist es möglich, daß




") Vgl. Fournier. Deutsche Rundschau 1887/88 I, 213, und Max Lehmann:
Stein III, 179 ff.
Ich nenne zuerst die Seite der ersten Ausgabe, dann, wenn abweichend, der
Zweiten, schließlich die der „Werke", X. Band.
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[0557] Arndt als Agitator lind Gffiziosus an Gneisenau richtete, ob er den König in seinen Proklamationen als verächtlich, verdächtig oder unterdrückt darstellen solle"). 1809 verachtete Arndt dieses „ent¬ artete, knechtische Gesindel" (49—48—27)"'), „jenen Pöbel" (165 — 169 — 72), diese „Zaunkönige" (454—429—184), und rücksichtslos gab er dieser Meinung Ausdruck. 1813 aber war es ratsam, mit einem mißtrauischen Seitenblick it?r->s<;it K(i>v die Empfindungen der Fürsten zu respektieren und — sie als unterdrückt darzustellen. Das beleuchten gut folgende Beispiele: 1809 138: Der elende Eugen von Württemberg 166: seine Fürsten dienen in Niedrigkeit 176: „Könnt ihr nicht lieber fürstlich und erhaben untergehen als niedrig und gebrandmarkt dienen wollen?" 179: „Ich will sie nicht vernichtet wissen, was sie durch kleine und unvaterländische Gesinnung Wohl verdient haben." „Es ist erschienen, wie verkäuflich, wie schwach und feig sie sind, wie sie keine Ehre, kein Vaterland, kein Volk haben." 3S9: „mit den elenden und ehrvergefmen deutschen Fürsten." 1813 143 — 59: Der Herzog Engen von Württem¬ berg. 170 — 72: .. . im Elend. 179 — 76: ... als mit beklommenem und zerrisse- nen Herzen? 182: ^j gestrichen. i / 368 —1ö2: „mit den unglücklichen deutschen Fürsten." Wie er den Deutschen im Katechismus (1812, Einleitung) beibringen will, „daß sie nicht durch größere Tugend und Streitbarkeit des Feindes, sondern durch Faulheit und Treulosigkeit ihrer Führer überwunden sind", so schleuderte er auch schon 1809 den Fürsten die Wahrheit ins Gesicht, daß sie die Schuldigen sind: „Faulheit und Dummheit der Fürsten haben uns vernichtet, das ist klarer als die Sonne am Mittage" (372—371—158). „So ist Teutschlands Unter¬ jochung dem Feinde ein Spiel geworden, ihr seid die Verbrecher, denen die Enkel die schwarze Schande nächstnahen sollen, ihr habt seiner Wut und Tyrannei den Weg gebahnt. Wo ist die Stimme eines einzigen von euch gehört worden für Ehre und Gerechtigkeit?" (56 — 30). „Napoleon entschied eigenmächtig und ohne Widerstand das Schicksal Deutschlands . . . durch die streitenden Interessen, besonders durch den Neid, Geiz und Haß der engherzigen Kümmerlinge, die unter dem Namen Fürsten die Ehre und Sicherheit des Vaterlandes verteidigen sollten." (413—408—174.) Dasselbe ist der Inhalt der Seiten 391/93 (—389—166) der ersten Ausgabe, die Arndt 1813 gestrichen hat. Ich hebe die Kernstellen heraus: „Wie ist es möglich, frage ich, daß man so gar kein Gefühl von einem Menschen, ich sage nicht, von einem Mann, haben, daß man nicht zürnen und hassen kann, wann die Zeit es will? Wie ist es möglich, daß ") Vgl. Fournier. Deutsche Rundschau 1887/88 I, 213, und Max Lehmann: Stein III, 179 ff. Ich nenne zuerst die Seite der ersten Ausgabe, dann, wenn abweichend, der Zweiten, schließlich die der „Werke", X. Band.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/557>, abgerufen am 04.01.2025.