Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Arndt als Agitator und Vffiziosus die Mühe des Vergleichs lohnen würde. Die erste Ausgabe (465 Seiten) enthält Wodurch sind nun diese Streichungen und Änderungen wertvoll? Was Wer die politisch-militärischen Sorgen des beginnenden Freiheitskrieges Jene Konzession an die Fürsten war nun nicht die einzige Forderung, *) Es find dies hauptsächlich die Seiten
391--393 der 1. Ausg., -- 389 der 2. Ausg., -- 166 der "Werke" (dreizeiliger Absatz). 414-436 " " " - 409/10 " " " - 176 " Arndt als Agitator und Vffiziosus die Mühe des Vergleichs lohnen würde. Die erste Ausgabe (465 Seiten) enthält Wodurch sind nun diese Streichungen und Änderungen wertvoll? Was Wer die politisch-militärischen Sorgen des beginnenden Freiheitskrieges Jene Konzession an die Fürsten war nun nicht die einzige Forderung, *) Es find dies hauptsächlich die Seiten
391—393 der 1. Ausg., — 389 der 2. Ausg., — 166 der „Werke" (dreizeiliger Absatz). 414-436 „ „ „ - 409/10 „ „ „ - 176 „ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0555" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319502"/> <fw type="header" place="top"> Arndt als Agitator und Vffiziosus</fw><lb/> <p xml:id="ID_2603" prev="#ID_2602"> die Mühe des Vergleichs lohnen würde. Die erste Ausgabe (465 Seiten) enthält<lb/> nämlich, bei gleichem Oktavformat, 24 Seiten mehr als die zweite (441 Seiten).<lb/> 24 Seiten also hat Arndt völlig gestrichen"'); darüber hinaus aber nahm er<lb/> noch 8 größere, 14 mehrzellige und 43 ein- und zweizeilige Änderungen vor.<lb/> Nimmt man noch die drei Seiten Zusätze und die durchgängige energische Ver¬<lb/> deutschung der Fremdwörter hinzu, so ist es wohl erlaubt, von einer stark ver¬<lb/> änderten Auflage zu sprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2604"> Wodurch sind nun diese Streichungen und Änderungen wertvoll? Was<lb/> waren das für „Unrichtigkeiten und Unpäßlichkeiten" und „zu starke Züge", von<lb/> denen Arndt in seinen Briefen schrieb?</p><lb/> <p xml:id="ID_2605"> Wer die politisch-militärischen Sorgen des beginnenden Freiheitskrieges<lb/> kennt, wer im besonderen von den höchst bezeichnenden Änderungen weiß, die<lb/> Arndt bei der zweiten Ausgabe des berühmten Soldatenkatechismus vornahm, wird<lb/> nicht im Zweifel sein. Hier, in dem Katechismus, tilgte Arndt, wie Max Lehmann<lb/> entdeckte, die Einleitung und die sieben ersten Kapitel, die den deutschen Fürsten<lb/> so „herbe Wahrheiten" gesagt hatten, daß der Herzog Peter von Oldenburg,<lb/> der Leiter des deutschen Komitees, den Katechismus „viel zu wild und zu revo¬<lb/> lutionär fand" (Briefe 84), und daß selbst mancher Offizier der russisch-deutschen<lb/> Legion ihn „grob und ungezogen und ohne alle Form und Manier — wie<lb/> Arndts Gebieter" (d. h. Stein) nannte. (Dorow, „Denkwürdigkeiten", IV 66.)<lb/> Damals in Dresden im Mai und in Reichenbach im August 1813, als Arndt<lb/> die Neuausgabe vorbereitete (vgl. Briefe 96 und 98), „konnte er nicht mehr",<lb/> so begründet Max Lehmann die Änderungen, „die deutschen Fürsten in Bausch<lb/> und Bogen anklagen und zum Abfall von ihnen auffordern, um so weniger,<lb/> da die gegründete Hoffnung bestand, daß mehr als einer aus ihrer Mitte sich<lb/> der guten Sache anschließen würde". Unter den gleichen Verhältnissen entstand<lb/> die zweite Ausgabe des „Geistes der Zeit II"; auch ihr Kennzeichen ist eine durch¬<lb/> greifende Milderung der scharfen Anklagen wider Fürsten und Adel. Wir haben<lb/> also in dieser Umarbeitung ein höchst wertvolles Seitenstück zu der des Katechismus,<lb/> um so wertvoller, als uns der „Urtext" neben manchem anderen vor allem den<lb/> Beweis dasür bringt, daß Arndt schon 1809 zu jenen revolutionären Konsequenzen<lb/> des nationalen Gedankens gelangt war, zu jener Leugnung der Verbindlichkeit<lb/> des Fahneneides, in der Max Lehmann den „springenden Punkt" des Soldaten¬<lb/> katechismus sieht. (Stein III, 177.)</p><lb/> <p xml:id="ID_2606"> Jene Konzession an die Fürsten war nun nicht die einzige Forderung,<lb/> welche die Zeit an Arndt damals stellte. Wo war der Staat, für den er<lb/> kämpfte? Auch er zwar konnte mit dem Reichsfreiherrn vom Stein sagen: „Ich<lb/> habe nur ein Vaterland, das heißt Deutschland; mir sind die Dynastien in<lb/> diesen: Augenblick großer Entwicklung vollkommen gleichgültig", auch ihm war</p><lb/> <note xml:id="FID_39" place="foot"> *) Es find dies hauptsächlich die Seiten<lb/><p xml:id="ID_2607"> 391—393 der 1. Ausg., — 389 der 2. Ausg., — 166 der „Werke" (dreizeiliger Absatz).</p><lb/><p xml:id="ID_2608" next="#ID_2609"> 414-436 „ „ „ - 409/10 „ „ „ - 176 „</p></note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0555]
Arndt als Agitator und Vffiziosus
die Mühe des Vergleichs lohnen würde. Die erste Ausgabe (465 Seiten) enthält
nämlich, bei gleichem Oktavformat, 24 Seiten mehr als die zweite (441 Seiten).
24 Seiten also hat Arndt völlig gestrichen"'); darüber hinaus aber nahm er
noch 8 größere, 14 mehrzellige und 43 ein- und zweizeilige Änderungen vor.
Nimmt man noch die drei Seiten Zusätze und die durchgängige energische Ver¬
deutschung der Fremdwörter hinzu, so ist es wohl erlaubt, von einer stark ver¬
änderten Auflage zu sprechen.
Wodurch sind nun diese Streichungen und Änderungen wertvoll? Was
waren das für „Unrichtigkeiten und Unpäßlichkeiten" und „zu starke Züge", von
denen Arndt in seinen Briefen schrieb?
Wer die politisch-militärischen Sorgen des beginnenden Freiheitskrieges
kennt, wer im besonderen von den höchst bezeichnenden Änderungen weiß, die
Arndt bei der zweiten Ausgabe des berühmten Soldatenkatechismus vornahm, wird
nicht im Zweifel sein. Hier, in dem Katechismus, tilgte Arndt, wie Max Lehmann
entdeckte, die Einleitung und die sieben ersten Kapitel, die den deutschen Fürsten
so „herbe Wahrheiten" gesagt hatten, daß der Herzog Peter von Oldenburg,
der Leiter des deutschen Komitees, den Katechismus „viel zu wild und zu revo¬
lutionär fand" (Briefe 84), und daß selbst mancher Offizier der russisch-deutschen
Legion ihn „grob und ungezogen und ohne alle Form und Manier — wie
Arndts Gebieter" (d. h. Stein) nannte. (Dorow, „Denkwürdigkeiten", IV 66.)
Damals in Dresden im Mai und in Reichenbach im August 1813, als Arndt
die Neuausgabe vorbereitete (vgl. Briefe 96 und 98), „konnte er nicht mehr",
so begründet Max Lehmann die Änderungen, „die deutschen Fürsten in Bausch
und Bogen anklagen und zum Abfall von ihnen auffordern, um so weniger,
da die gegründete Hoffnung bestand, daß mehr als einer aus ihrer Mitte sich
der guten Sache anschließen würde". Unter den gleichen Verhältnissen entstand
die zweite Ausgabe des „Geistes der Zeit II"; auch ihr Kennzeichen ist eine durch¬
greifende Milderung der scharfen Anklagen wider Fürsten und Adel. Wir haben
also in dieser Umarbeitung ein höchst wertvolles Seitenstück zu der des Katechismus,
um so wertvoller, als uns der „Urtext" neben manchem anderen vor allem den
Beweis dasür bringt, daß Arndt schon 1809 zu jenen revolutionären Konsequenzen
des nationalen Gedankens gelangt war, zu jener Leugnung der Verbindlichkeit
des Fahneneides, in der Max Lehmann den „springenden Punkt" des Soldaten¬
katechismus sieht. (Stein III, 177.)
Jene Konzession an die Fürsten war nun nicht die einzige Forderung,
welche die Zeit an Arndt damals stellte. Wo war der Staat, für den er
kämpfte? Auch er zwar konnte mit dem Reichsfreiherrn vom Stein sagen: „Ich
habe nur ein Vaterland, das heißt Deutschland; mir sind die Dynastien in
diesen: Augenblick großer Entwicklung vollkommen gleichgültig", auch ihm war
*) Es find dies hauptsächlich die Seiten
391—393 der 1. Ausg., — 389 der 2. Ausg., — 166 der „Werke" (dreizeiliger Absatz).
414-436 „ „ „ - 409/10 „ „ „ - 176 „
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