Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Das Glück des Hauses Rottlaud und an den Beinen Lederhosen und vielfach geflickte Reiterstiefel. Aber die blühenden Plötzlich brach er das Gespräch, das er mit dem Knechte geführt hatte, ab, "Das Frauenzimmer hat wieder seine Querellen," sagte er, "sie streiten sich Der Knecht hatte sich dem Herrn genähert und stand nun, die hohle Hand "Was meinst du, Gerhard," fuhr der Freiherr fort, "wollen wir denen die Das breite Gesicht des Knechtes verzog sich zu einem verständnisvollen Grinsen. "Mach, daß du auf die Roederer Wiese und an deine Arbeit kommst lind Gerhard schlich sich aus dem Hause, nahm den Spaten zur Hand und ver¬ Wo der Ackerpfad anstieg, sprang er ab und führte sein Gespann zwischen Grenzbotsn III 1911 63
Das Glück des Hauses Rottlaud und an den Beinen Lederhosen und vielfach geflickte Reiterstiefel. Aber die blühenden Plötzlich brach er das Gespräch, das er mit dem Knechte geführt hatte, ab, „Das Frauenzimmer hat wieder seine Querellen," sagte er, „sie streiten sich Der Knecht hatte sich dem Herrn genähert und stand nun, die hohle Hand „Was meinst du, Gerhard," fuhr der Freiherr fort, „wollen wir denen die Das breite Gesicht des Knechtes verzog sich zu einem verständnisvollen Grinsen. „Mach, daß du auf die Roederer Wiese und an deine Arbeit kommst lind Gerhard schlich sich aus dem Hause, nahm den Spaten zur Hand und ver¬ Wo der Ackerpfad anstieg, sprang er ab und führte sein Gespann zwischen Grenzbotsn III 1911 63
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Das Glück des Hauses Rottlaud
und an den Beinen Lederhosen und vielfach geflickte Reiterstiefel. Aber die blühenden
Farben des noch immer ziemlich glatten Antlitzes und der schlosweiße Zwickelbart
gaben der Erscheinung doch etwas Vornehmes, und man hätte sich den derben
Landedelmann sehr wohl in höfischer oder kriegerischer Tracht vorstellen können.
Plötzlich brach er das Gespräch, das er mit dem Knechte geführt hatte, ab,
legte den hölzernen Löffel aus der Hand und lauschte. Dann erhob er sich, stieß
die Tür zur Diele auf und blieb auf der Schwelle stehen. Aus dem Obergeschoß,
wo die beiden Damen ein gemeinsames Gemach bewohnten, schollen erregte
Stimmen. Der Freiherr lehnte am Türpfosten, kraute sich hinter dem Ohr und
warf dem alten Diener vergnügte Blicke zu.
„Das Frauenzimmer hat wieder seine Querellen," sagte er, „sie streiten sich
um die Kutsche. Die v. Ödinghoven will nach der Stadt, um der v. Syberg
eine Visite zu machen, und die andere will zur Beichte nach Breitenbendcn."
Der Knecht hatte sich dem Herrn genähert und stand nun, die hohle Hand
an der Ohrmuschel, ebenfalls in der Tür. Zu lachen wagte er nicht, aber sein
von zahlreichen Runzeln durchfurchtes Antlitz zeigte einen schwachen Widerschein
der heimlichen Schadenfreude, die er in den Zügen des Gebieters zu erkennen glaubte.
„Was meinst du, Gerhard," fuhr der Freiherr fort, „wollen wir denen die
Suppe versalzen? Man könnte ihnen schon eine kleine Pön gönnen, denn nicht
genug, daß sie immer malkontent sind und sich alle Tage ein paarmal mit ein¬
ander brouillieren: sie mengen sich auch in meine Affären und tun, als ob sie
hier zu kommandieren hätten."
Das breite Gesicht des Knechtes verzog sich zu einem verständnisvollen Grinsen.
„Mach, daß du auf die Roederer Wiese und an deine Arbeit kommst lind
laß dich vor Mittag nicht wieder sehen," gebot Herr Salentin, „und wenn das
Frauenzimmer hinter dir her ruft, so stell' dich taub."
Gerhard schlich sich aus dem Hause, nahm den Spaten zur Hand und ver¬
schwand mit schweren Schritten durch das Pförtchen des Baumgartens. Der Frei¬
herr aber begab sich in den Pferdestall, legte den beiden Kleppern, einem blinden
Schimmel, den die Franzosen verschmäht, und einem Fuchs, den sie, weil er an
beiden Hinterhufen vernagelt war und lahm ging, von ihren eigenen Gäulen
zurückgelassen hatten, das Geschirr auf, schwang sich noch im Stalle auf das
Sattelpferd und trabte, so schnell er es mit den vierbeinigen Veteranen vermochte,
dem Brachacker am Lcunbertsberge zu. Als er außerhalb des Hofbereichs war,
ließ er die Pferde langsamer gehen, schaute sich noch einmal nach den Fenstern
des Renthauses um, hinter denen er seine geliebten Schwestern wußte, und brach
in ein schallendes Gelächter aus. Es war auch zu ergötzlich, sich die verdutzten
Gesichter vorzustellen, die sie machen würden, wenn sie dahinter kamen, daß sie
sich diesmal ganz unnötigerweise um die Gäule gezankt hatten.
Wo der Ackerpfad anstieg, sprang er ab und führte sein Gespann zwischen
der Kuppe des Lambertsberges und den Abhängen des mit Wald bedeckten
Stockerts hinüber in die Talsenkung, wo ein ausgedehntes Brachfeld der Bestellung
mit Sommerweizen harrte. Dort hatte er schon am Tage zuvor mit dem Pflügen
begonnen, und ein langer Streif des frischumbrochenen Erdreichs zog sich bis zur
Holzheimer Flurgrenze hin. Die Sonne schien hier, wo der Wald Schutz gegen
den frischen Morgenwind bot, schon recht warm, und ein bunter Schmetterling,
Grenzbotsn III 1911 63
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