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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Zur Reform der Literatur über die Universitäten

es NUN auch ein Verdienst, an solche Schriften anzuknüpfen, und namentlich die
hinter der letztgenannten Schrift stehende Bewegung kann den: Autor dankbar
sein, daß er ihre Beschwerden wieder aufnimmt. (Ob wirklich diese Schrift,
wie der Autor auf Seile 4, 10 und 48 betont, ihre Kritik zu sehr gegen die
Regierung und zu wenig gegen die Fakultäten richtet, werden wohl die Ver¬
fasser jener Schrift selbst zu sagen wissen.)

Neues, namentlich durch die schärfere Darlegung der Tatsachen und durch
ihre schärfere Kritik, bringt am meisten sein V. Abschnitt, über die Verwendung
der Promottonsgebühren. Man wird gut tun, darauf auch dann zu achten,
wenn die Dinge in der Tat vielleicht günstiger stehen, als sie bei unserem Autor
erscheinen; denn es muß ja auch der böse Schein vermieden werden.

Mit Recht bemüht sich der Autor, den Begriff "Reform" richtig zu gebrauchen,
also im Sinne einer Änderung oder Umbildung der geltenden Ordnungen und
der bestehenden Einrichtungen, nicht jedoch bloß in dem Sinne einer Ver¬
besserung oder Vervollkommnung von Zuständen, deren Grundzug im wesent¬
lichen beibehalten werden kann, die aber einer Weiterbildung fähig oder
bedürftig sind.

Überblickt man nun die seit Jahrhunderten und namentlich seit etwa Mitte
des neunzehnten Jahrhunderts aufgehäufte Literatur über unsere Universitäten,
zumal die kritisch gehaltene, so gelangt man bald zur Kenntnis literarischer
Typen -- und wohl auch zu einer gewissen Kühle in deren Beurteilung. Eine
beträchtliche Rolle spielt dabei der Typus derjenigen Schriften, welche das Heil
der Universitäten (und eventuell auch der übrigen Hochschulen) in Reformen
organisatorischer und administrativer Art suchen. Diese Richtung geht eben auf
den Glauben zurück, daß derartige Reformen nicht bloß nötig sind -- womit
alle unsere folgenden Ausführungen übereinstimmen können --, sondern daß in
solchen Reformen auch der springende Punkt für das Gesamtheit unserer
Universitäten liegt.

Natürlich darf man von Schriften, die sich ausdrücklich auf ein ganz
bestimmtes Thema beschränken, nichts anderes erwarten, als eben die Behand¬
lung dieses Themas. Ganz anders aber, wenn sich eine Schrift ein weiter¬
greifendes Thema stellt, ein Thema, mit welchem für das Wohl der deutschen
Universitäten überhaupt durch Kritik und durch Vorschläge eingetreten werden
soll. Und das tut jedenfalls eine Schrift mit dem Titel "Zur Reform der
deutschen Universitäten", den: nicht noch ein besonderer Zusatz folgt.

Nun wird in der bisherigen universitätskritischen Literatur sehr häufig, selbst
von bibliographisch und dialektisch eifrigen Autoren, gerade das am wenigsten
beachtet, was am direktesten auf die eigentlich akademischen Probleme eingeht
und mit dieser Bemühung bereits auch tatsächlich Gutes gewirkt hat. Es handelt
sich um die "hochschulpädagogische" Bewegung.

Sie will das Akademische akademisch erfassen. Sie will es selbst zum Gegen¬
stand einer Wissenschaft machen. Sie würde es leicht haben, damit in viel


Zur Reform der Literatur über die Universitäten

es NUN auch ein Verdienst, an solche Schriften anzuknüpfen, und namentlich die
hinter der letztgenannten Schrift stehende Bewegung kann den: Autor dankbar
sein, daß er ihre Beschwerden wieder aufnimmt. (Ob wirklich diese Schrift,
wie der Autor auf Seile 4, 10 und 48 betont, ihre Kritik zu sehr gegen die
Regierung und zu wenig gegen die Fakultäten richtet, werden wohl die Ver¬
fasser jener Schrift selbst zu sagen wissen.)

Neues, namentlich durch die schärfere Darlegung der Tatsachen und durch
ihre schärfere Kritik, bringt am meisten sein V. Abschnitt, über die Verwendung
der Promottonsgebühren. Man wird gut tun, darauf auch dann zu achten,
wenn die Dinge in der Tat vielleicht günstiger stehen, als sie bei unserem Autor
erscheinen; denn es muß ja auch der böse Schein vermieden werden.

Mit Recht bemüht sich der Autor, den Begriff „Reform" richtig zu gebrauchen,
also im Sinne einer Änderung oder Umbildung der geltenden Ordnungen und
der bestehenden Einrichtungen, nicht jedoch bloß in dem Sinne einer Ver¬
besserung oder Vervollkommnung von Zuständen, deren Grundzug im wesent¬
lichen beibehalten werden kann, die aber einer Weiterbildung fähig oder
bedürftig sind.

Überblickt man nun die seit Jahrhunderten und namentlich seit etwa Mitte
des neunzehnten Jahrhunderts aufgehäufte Literatur über unsere Universitäten,
zumal die kritisch gehaltene, so gelangt man bald zur Kenntnis literarischer
Typen — und wohl auch zu einer gewissen Kühle in deren Beurteilung. Eine
beträchtliche Rolle spielt dabei der Typus derjenigen Schriften, welche das Heil
der Universitäten (und eventuell auch der übrigen Hochschulen) in Reformen
organisatorischer und administrativer Art suchen. Diese Richtung geht eben auf
den Glauben zurück, daß derartige Reformen nicht bloß nötig sind — womit
alle unsere folgenden Ausführungen übereinstimmen können —, sondern daß in
solchen Reformen auch der springende Punkt für das Gesamtheit unserer
Universitäten liegt.

Natürlich darf man von Schriften, die sich ausdrücklich auf ein ganz
bestimmtes Thema beschränken, nichts anderes erwarten, als eben die Behand¬
lung dieses Themas. Ganz anders aber, wenn sich eine Schrift ein weiter¬
greifendes Thema stellt, ein Thema, mit welchem für das Wohl der deutschen
Universitäten überhaupt durch Kritik und durch Vorschläge eingetreten werden
soll. Und das tut jedenfalls eine Schrift mit dem Titel „Zur Reform der
deutschen Universitäten", den: nicht noch ein besonderer Zusatz folgt.

Nun wird in der bisherigen universitätskritischen Literatur sehr häufig, selbst
von bibliographisch und dialektisch eifrigen Autoren, gerade das am wenigsten
beachtet, was am direktesten auf die eigentlich akademischen Probleme eingeht
und mit dieser Bemühung bereits auch tatsächlich Gutes gewirkt hat. Es handelt
sich um die „hochschulpädagogische" Bewegung.

Sie will das Akademische akademisch erfassen. Sie will es selbst zum Gegen¬
stand einer Wissenschaft machen. Sie würde es leicht haben, damit in viel


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[0514] Zur Reform der Literatur über die Universitäten es NUN auch ein Verdienst, an solche Schriften anzuknüpfen, und namentlich die hinter der letztgenannten Schrift stehende Bewegung kann den: Autor dankbar sein, daß er ihre Beschwerden wieder aufnimmt. (Ob wirklich diese Schrift, wie der Autor auf Seile 4, 10 und 48 betont, ihre Kritik zu sehr gegen die Regierung und zu wenig gegen die Fakultäten richtet, werden wohl die Ver¬ fasser jener Schrift selbst zu sagen wissen.) Neues, namentlich durch die schärfere Darlegung der Tatsachen und durch ihre schärfere Kritik, bringt am meisten sein V. Abschnitt, über die Verwendung der Promottonsgebühren. Man wird gut tun, darauf auch dann zu achten, wenn die Dinge in der Tat vielleicht günstiger stehen, als sie bei unserem Autor erscheinen; denn es muß ja auch der böse Schein vermieden werden. Mit Recht bemüht sich der Autor, den Begriff „Reform" richtig zu gebrauchen, also im Sinne einer Änderung oder Umbildung der geltenden Ordnungen und der bestehenden Einrichtungen, nicht jedoch bloß in dem Sinne einer Ver¬ besserung oder Vervollkommnung von Zuständen, deren Grundzug im wesent¬ lichen beibehalten werden kann, die aber einer Weiterbildung fähig oder bedürftig sind. Überblickt man nun die seit Jahrhunderten und namentlich seit etwa Mitte des neunzehnten Jahrhunderts aufgehäufte Literatur über unsere Universitäten, zumal die kritisch gehaltene, so gelangt man bald zur Kenntnis literarischer Typen — und wohl auch zu einer gewissen Kühle in deren Beurteilung. Eine beträchtliche Rolle spielt dabei der Typus derjenigen Schriften, welche das Heil der Universitäten (und eventuell auch der übrigen Hochschulen) in Reformen organisatorischer und administrativer Art suchen. Diese Richtung geht eben auf den Glauben zurück, daß derartige Reformen nicht bloß nötig sind — womit alle unsere folgenden Ausführungen übereinstimmen können —, sondern daß in solchen Reformen auch der springende Punkt für das Gesamtheit unserer Universitäten liegt. Natürlich darf man von Schriften, die sich ausdrücklich auf ein ganz bestimmtes Thema beschränken, nichts anderes erwarten, als eben die Behand¬ lung dieses Themas. Ganz anders aber, wenn sich eine Schrift ein weiter¬ greifendes Thema stellt, ein Thema, mit welchem für das Wohl der deutschen Universitäten überhaupt durch Kritik und durch Vorschläge eingetreten werden soll. Und das tut jedenfalls eine Schrift mit dem Titel „Zur Reform der deutschen Universitäten", den: nicht noch ein besonderer Zusatz folgt. Nun wird in der bisherigen universitätskritischen Literatur sehr häufig, selbst von bibliographisch und dialektisch eifrigen Autoren, gerade das am wenigsten beachtet, was am direktesten auf die eigentlich akademischen Probleme eingeht und mit dieser Bemühung bereits auch tatsächlich Gutes gewirkt hat. Es handelt sich um die „hochschulpädagogische" Bewegung. Sie will das Akademische akademisch erfassen. Sie will es selbst zum Gegen¬ stand einer Wissenschaft machen. Sie würde es leicht haben, damit in viel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/514>, abgerufen am 04.01.2025.