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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Die Begabung der Rassen und Völker

angestammten Fehler und Tugenden beibehalten: "On röste ^uverZimt mens
mi Kan8a8!"

Wie aber können wir uns die Entstehung solcher psychischen Merkmale der
Rassen und Völker denken? Da wir die Erblichkeit der Einwirkungsergebnisse
bei einer gewissen Dauer und Intensität derselben annehmen, müssen wir jetzt
fragen: wie können solche tiefen Einwirkungen erzielt werden? Wir wollen uns
hier natürlich den Theorien der Biologen anschließen, da die Psychologen bis
jetzt keine Meinungen über solche Fragen geäußert und positiv durchgeführt
haben. Erstens könnte die direkte Einwirkung der Umgebung tiefgehende Unter¬
schiede verursacht haben, durch das Klima könnte z. B. der Geist entweder
gekräftigt oder geschwächt werden; die Nahrung könnte ebenfalls eine Wirkung
ausüben. Auch kann die physische Umgebung mehr indirekt, indem sie zum
Gebrauch oder Nichtgebrauch gewisser Fähigkeiten veranlaßt, nach der Hypothese
Lamarcks die Entwicklung besonderer Seelenvermögen fördern oder hemmen.
Eine zweite Möglichkeit wäre in der historischen Erziehung gegeben, unter der
ich die Umbildung des Gruppencharakters durch eine große Vielheit von Um¬
ständen im Laufe der Geschichte verstehe; es wäre ja möglich, daß eine gute
oder schlechte Erziehung, die Lehre irgendeiner Religion, moralische Erhebung
oder Versumpfung auf die Psyche der Individuen wie der Masse einen so
starken Eindruck machen, daß" dieser einen erblichen Rest nachläßt. Und
endlich gibt es noch einen dritten Weg: den der Auslese auf diesem Gebiete.
Wenn die drei Bedingungen: die Erblichkeit psychischer Eigenschaften, die Un¬
gleichheit der menschlichen Anlagen und die ungleichmäßige Fortpflanzung erfüllt
sind, ist die menschliche Auslese die notwendige Folge. Es muß also eine
gewisse Auslese auch in bezug auf die psychischen Typen in der menschlichen
Gesellschaft stattfinden und zwar unausgesetzt. Diese psychische Auslese wird
mittels sehr verschiedener Siebe geübt. Je nachdem die Gesellschaft verschieden
organisiert, die Kultur eine andere ist, werden andere Charaktere bevorzugt oder
ausgemerzt. Das Zölibat der Geistlichen eliminiert so gut wie der Neo-Malthu¬
sianismus unserer Großstädte. Leider sind uns diese Wirkungen noch sehr
wenig bekannt.

Wenn wir das Werden eines Volkscharakters studieren wollen, müssen wir
nicht nur die Einflüsse in Betracht ziehen, welche im gegebenen Augenblick
darauf einwirken, sondern ebensosehr diejenigen, welche seinerzeit den Volks¬
charakter aus dem Rafsencharakter herausgebildet haben, und nicht zuletzt die¬
jenigen äußeren Faktoren, welche in früheren Zeiten die psychische Eigenart der
Rasse gestaltet haben. Der Völkerpsychologe hat also mit drei verschiedenen
Milieus zu rechnen.

Noch eine weitere Frage wollen wir jetzt beantworten. Kann der Charakter
einer Nasse oder eines Volkes durch absichtliche menschliche Maßnahmen geändert
werden, können wir Rassen oder Völker erziehen? Andern tun sie sich, wie wir
sahen, fortwährend, es ist also bloß die Frage, ob wir sie auch nach unserer


Die Begabung der Rassen und Völker

angestammten Fehler und Tugenden beibehalten: „On röste ^uverZimt mens
mi Kan8a8!"

Wie aber können wir uns die Entstehung solcher psychischen Merkmale der
Rassen und Völker denken? Da wir die Erblichkeit der Einwirkungsergebnisse
bei einer gewissen Dauer und Intensität derselben annehmen, müssen wir jetzt
fragen: wie können solche tiefen Einwirkungen erzielt werden? Wir wollen uns
hier natürlich den Theorien der Biologen anschließen, da die Psychologen bis
jetzt keine Meinungen über solche Fragen geäußert und positiv durchgeführt
haben. Erstens könnte die direkte Einwirkung der Umgebung tiefgehende Unter¬
schiede verursacht haben, durch das Klima könnte z. B. der Geist entweder
gekräftigt oder geschwächt werden; die Nahrung könnte ebenfalls eine Wirkung
ausüben. Auch kann die physische Umgebung mehr indirekt, indem sie zum
Gebrauch oder Nichtgebrauch gewisser Fähigkeiten veranlaßt, nach der Hypothese
Lamarcks die Entwicklung besonderer Seelenvermögen fördern oder hemmen.
Eine zweite Möglichkeit wäre in der historischen Erziehung gegeben, unter der
ich die Umbildung des Gruppencharakters durch eine große Vielheit von Um¬
ständen im Laufe der Geschichte verstehe; es wäre ja möglich, daß eine gute
oder schlechte Erziehung, die Lehre irgendeiner Religion, moralische Erhebung
oder Versumpfung auf die Psyche der Individuen wie der Masse einen so
starken Eindruck machen, daß" dieser einen erblichen Rest nachläßt. Und
endlich gibt es noch einen dritten Weg: den der Auslese auf diesem Gebiete.
Wenn die drei Bedingungen: die Erblichkeit psychischer Eigenschaften, die Un¬
gleichheit der menschlichen Anlagen und die ungleichmäßige Fortpflanzung erfüllt
sind, ist die menschliche Auslese die notwendige Folge. Es muß also eine
gewisse Auslese auch in bezug auf die psychischen Typen in der menschlichen
Gesellschaft stattfinden und zwar unausgesetzt. Diese psychische Auslese wird
mittels sehr verschiedener Siebe geübt. Je nachdem die Gesellschaft verschieden
organisiert, die Kultur eine andere ist, werden andere Charaktere bevorzugt oder
ausgemerzt. Das Zölibat der Geistlichen eliminiert so gut wie der Neo-Malthu¬
sianismus unserer Großstädte. Leider sind uns diese Wirkungen noch sehr
wenig bekannt.

Wenn wir das Werden eines Volkscharakters studieren wollen, müssen wir
nicht nur die Einflüsse in Betracht ziehen, welche im gegebenen Augenblick
darauf einwirken, sondern ebensosehr diejenigen, welche seinerzeit den Volks¬
charakter aus dem Rafsencharakter herausgebildet haben, und nicht zuletzt die¬
jenigen äußeren Faktoren, welche in früheren Zeiten die psychische Eigenart der
Rasse gestaltet haben. Der Völkerpsychologe hat also mit drei verschiedenen
Milieus zu rechnen.

Noch eine weitere Frage wollen wir jetzt beantworten. Kann der Charakter
einer Nasse oder eines Volkes durch absichtliche menschliche Maßnahmen geändert
werden, können wir Rassen oder Völker erziehen? Andern tun sie sich, wie wir
sahen, fortwährend, es ist also bloß die Frage, ob wir sie auch nach unserer


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[0511] Die Begabung der Rassen und Völker angestammten Fehler und Tugenden beibehalten: „On röste ^uverZimt mens mi Kan8a8!" Wie aber können wir uns die Entstehung solcher psychischen Merkmale der Rassen und Völker denken? Da wir die Erblichkeit der Einwirkungsergebnisse bei einer gewissen Dauer und Intensität derselben annehmen, müssen wir jetzt fragen: wie können solche tiefen Einwirkungen erzielt werden? Wir wollen uns hier natürlich den Theorien der Biologen anschließen, da die Psychologen bis jetzt keine Meinungen über solche Fragen geäußert und positiv durchgeführt haben. Erstens könnte die direkte Einwirkung der Umgebung tiefgehende Unter¬ schiede verursacht haben, durch das Klima könnte z. B. der Geist entweder gekräftigt oder geschwächt werden; die Nahrung könnte ebenfalls eine Wirkung ausüben. Auch kann die physische Umgebung mehr indirekt, indem sie zum Gebrauch oder Nichtgebrauch gewisser Fähigkeiten veranlaßt, nach der Hypothese Lamarcks die Entwicklung besonderer Seelenvermögen fördern oder hemmen. Eine zweite Möglichkeit wäre in der historischen Erziehung gegeben, unter der ich die Umbildung des Gruppencharakters durch eine große Vielheit von Um¬ ständen im Laufe der Geschichte verstehe; es wäre ja möglich, daß eine gute oder schlechte Erziehung, die Lehre irgendeiner Religion, moralische Erhebung oder Versumpfung auf die Psyche der Individuen wie der Masse einen so starken Eindruck machen, daß" dieser einen erblichen Rest nachläßt. Und endlich gibt es noch einen dritten Weg: den der Auslese auf diesem Gebiete. Wenn die drei Bedingungen: die Erblichkeit psychischer Eigenschaften, die Un¬ gleichheit der menschlichen Anlagen und die ungleichmäßige Fortpflanzung erfüllt sind, ist die menschliche Auslese die notwendige Folge. Es muß also eine gewisse Auslese auch in bezug auf die psychischen Typen in der menschlichen Gesellschaft stattfinden und zwar unausgesetzt. Diese psychische Auslese wird mittels sehr verschiedener Siebe geübt. Je nachdem die Gesellschaft verschieden organisiert, die Kultur eine andere ist, werden andere Charaktere bevorzugt oder ausgemerzt. Das Zölibat der Geistlichen eliminiert so gut wie der Neo-Malthu¬ sianismus unserer Großstädte. Leider sind uns diese Wirkungen noch sehr wenig bekannt. Wenn wir das Werden eines Volkscharakters studieren wollen, müssen wir nicht nur die Einflüsse in Betracht ziehen, welche im gegebenen Augenblick darauf einwirken, sondern ebensosehr diejenigen, welche seinerzeit den Volks¬ charakter aus dem Rafsencharakter herausgebildet haben, und nicht zuletzt die¬ jenigen äußeren Faktoren, welche in früheren Zeiten die psychische Eigenart der Rasse gestaltet haben. Der Völkerpsychologe hat also mit drei verschiedenen Milieus zu rechnen. Noch eine weitere Frage wollen wir jetzt beantworten. Kann der Charakter einer Nasse oder eines Volkes durch absichtliche menschliche Maßnahmen geändert werden, können wir Rassen oder Völker erziehen? Andern tun sie sich, wie wir sahen, fortwährend, es ist also bloß die Frage, ob wir sie auch nach unserer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/511>, abgerufen am 04.01.2025.