Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Die Begabung der Rassen und Völker versuche darüber an, inwieweit der angeblich erbliche Charakter der Juden Es versteht sich von selbst, daß die Ableitung eines Volkscharakters aus In ganz anderer Weise stelle ich mir die wirklich wissenschaftliche, methodische Selbstverständlich ist es durchaus notwendig, daß alle diese Untersuchungen Bei allen fozialgeographischen Forschungen stieß ich immer wieder auf Die Begabung der Rassen und Völker versuche darüber an, inwieweit der angeblich erbliche Charakter der Juden Es versteht sich von selbst, daß die Ableitung eines Volkscharakters aus In ganz anderer Weise stelle ich mir die wirklich wissenschaftliche, methodische Selbstverständlich ist es durchaus notwendig, daß alle diese Untersuchungen Bei allen fozialgeographischen Forschungen stieß ich immer wieder auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319457"/> <fw type="header" place="top"> Die Begabung der Rassen und Völker</fw><lb/> <p xml:id="ID_2395" prev="#ID_2394"> versuche darüber an, inwieweit der angeblich erbliche Charakter der Juden<lb/> vielleicht doch aus Umgebungseinflüssen erklärt werden könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2396"> Es versteht sich von selbst, daß die Ableitung eines Volkscharakters aus<lb/> Eigentümlichkeiten derRassenelemente, aus denen diesesVolk hypothetisch zusammen¬<lb/> gesetzt ist, wie Finot sie unternimmt, außerordentlich geringe Gewähr für wissen¬<lb/> schaftliche Sicherheit bietet.</p><lb/> <p xml:id="ID_2397"> In ganz anderer Weise stelle ich mir die wirklich wissenschaftliche, methodische<lb/> Erforschung dieser Materie vor. Ich verhehle mir aber keineswegs, daß<lb/> bessere Resultate erst dann erzielt werden können, wenn die spezielle<lb/> Psychologie einen größeren Teil ihrer Aufgaben gelöst haben wird. Erst<lb/> dann werden wir ja den Zusammenhang der verschiedenen Elemente<lb/> des Charakters verstehen und aus den systematischen Beschreibungen großer<lb/> Mengen von Jndividualcharakteren unsere Schlüsse ziehen können. Wir werden<lb/> dann ganz genau feststellen, wie sich etwa Franzosen von Engländern und<lb/> Russen, Europäer von Chinesen unterscheiden, und untersuchen, ob wir die gefundenen<lb/> Unterschiede auch in besonderen Gruppen innerhalb dieser Rassen und Völker<lb/> wiederfinden, z. B. ob die europäischen Genies und Verbrecher sich dem Wesen<lb/> ihrer Rasse entsprechend von ihren mongolischen Kollegen unterscheiden. Natürlich<lb/> wird sich unsere Untersuchung nicht hierauf beschränken dürfen. Wir werden<lb/> feststellen, welche Eigentümlichkeiten sich sowohl in der höheren Kunst eines<lb/> Volkes als auch in der niedrigsten Vergnügungskunst offenbaren und in welchem<lb/> Grade letztere die Sympathie der verschiedenen Bevölkerungskreise genießen.<lb/> Alle Seiten des Volkslebens, nicht nur die eigentlich kollektiven Äußerungen, sondern<lb/> auch diejenigen einer möglichst großen Zahl von Volksmitgliedern in bezug auf<lb/> die innere und äußere Politik, den Charakter der Religion, die Weise wie<lb/> Wissenschaft und Kunst getrieben werden, die Art der Kriegführung, die Eigenart<lb/> des Wirtschaftslebens müssen in dieser Weise untersucht werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2398"> Selbstverständlich ist es durchaus notwendig, daß alle diese Untersuchungen<lb/> mit objektivem, vielseitigem Verständnisse und mit einer nicht geringen Gründ¬<lb/> lichkeit durchgeführt werden. Auf diesem Gebiet ist noch so wenig geleistet<lb/> worden, daß wir den ernsten Versuchen die höchsten Erwartungen entgegen¬<lb/> bringen dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2399" next="#ID_2400"> Bei allen fozialgeographischen Forschungen stieß ich immer wieder auf<lb/> Erscheinungen, die sich aus den aktuellen physischen Umständen nicht erklären<lb/> ließen, sondern nur aus der mittels der Erblichkeit summierten Einwirkung einer<lb/> Reihe von Faktoren auf den Volkscharakter. Zu demselben Schlüsse kommen<lb/> viele, die solche Studien treiben, so Dove, wenn er die Verhältnisse des britischen<lb/> Weltreichs analysiert, Th. Fischer, der „nie mehr verwischte nationale Züge"<lb/> der Juden aus ihrer alten Umgebung ableitet, de Nousiers, indem er konstatiert,<lb/> daß die fleißigen, sparsamen, aber nicht unternehmenden, nicht großzügigen<lb/> Bauern aus der Auvergne in Nordamerika, ungeachtet aller andersartigen Ein¬<lb/> wirkungen der neuen physischen und sozialen Umgebung, dennoch ihre alt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
Die Begabung der Rassen und Völker
versuche darüber an, inwieweit der angeblich erbliche Charakter der Juden
vielleicht doch aus Umgebungseinflüssen erklärt werden könnte.
Es versteht sich von selbst, daß die Ableitung eines Volkscharakters aus
Eigentümlichkeiten derRassenelemente, aus denen diesesVolk hypothetisch zusammen¬
gesetzt ist, wie Finot sie unternimmt, außerordentlich geringe Gewähr für wissen¬
schaftliche Sicherheit bietet.
In ganz anderer Weise stelle ich mir die wirklich wissenschaftliche, methodische
Erforschung dieser Materie vor. Ich verhehle mir aber keineswegs, daß
bessere Resultate erst dann erzielt werden können, wenn die spezielle
Psychologie einen größeren Teil ihrer Aufgaben gelöst haben wird. Erst
dann werden wir ja den Zusammenhang der verschiedenen Elemente
des Charakters verstehen und aus den systematischen Beschreibungen großer
Mengen von Jndividualcharakteren unsere Schlüsse ziehen können. Wir werden
dann ganz genau feststellen, wie sich etwa Franzosen von Engländern und
Russen, Europäer von Chinesen unterscheiden, und untersuchen, ob wir die gefundenen
Unterschiede auch in besonderen Gruppen innerhalb dieser Rassen und Völker
wiederfinden, z. B. ob die europäischen Genies und Verbrecher sich dem Wesen
ihrer Rasse entsprechend von ihren mongolischen Kollegen unterscheiden. Natürlich
wird sich unsere Untersuchung nicht hierauf beschränken dürfen. Wir werden
feststellen, welche Eigentümlichkeiten sich sowohl in der höheren Kunst eines
Volkes als auch in der niedrigsten Vergnügungskunst offenbaren und in welchem
Grade letztere die Sympathie der verschiedenen Bevölkerungskreise genießen.
Alle Seiten des Volkslebens, nicht nur die eigentlich kollektiven Äußerungen, sondern
auch diejenigen einer möglichst großen Zahl von Volksmitgliedern in bezug auf
die innere und äußere Politik, den Charakter der Religion, die Weise wie
Wissenschaft und Kunst getrieben werden, die Art der Kriegführung, die Eigenart
des Wirtschaftslebens müssen in dieser Weise untersucht werden.
Selbstverständlich ist es durchaus notwendig, daß alle diese Untersuchungen
mit objektivem, vielseitigem Verständnisse und mit einer nicht geringen Gründ¬
lichkeit durchgeführt werden. Auf diesem Gebiet ist noch so wenig geleistet
worden, daß wir den ernsten Versuchen die höchsten Erwartungen entgegen¬
bringen dürfen.
Bei allen fozialgeographischen Forschungen stieß ich immer wieder auf
Erscheinungen, die sich aus den aktuellen physischen Umständen nicht erklären
ließen, sondern nur aus der mittels der Erblichkeit summierten Einwirkung einer
Reihe von Faktoren auf den Volkscharakter. Zu demselben Schlüsse kommen
viele, die solche Studien treiben, so Dove, wenn er die Verhältnisse des britischen
Weltreichs analysiert, Th. Fischer, der „nie mehr verwischte nationale Züge"
der Juden aus ihrer alten Umgebung ableitet, de Nousiers, indem er konstatiert,
daß die fleißigen, sparsamen, aber nicht unternehmenden, nicht großzügigen
Bauern aus der Auvergne in Nordamerika, ungeachtet aller andersartigen Ein¬
wirkungen der neuen physischen und sozialen Umgebung, dennoch ihre alt-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |