Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Die Kulturarbeit des privatversichernngsivesens deutung dieses nationalen Wirtschaftsfaktors sich keineswegs erschöpft in der Da nun muß gesagt werden, daß die private Betriebsweise im Bereiche Die Kulturarbeit des privatversichernngsivesens deutung dieses nationalen Wirtschaftsfaktors sich keineswegs erschöpft in der Da nun muß gesagt werden, daß die private Betriebsweise im Bereiche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319448"/> <fw type="header" place="top"> Die Kulturarbeit des privatversichernngsivesens</fw><lb/> <p xml:id="ID_2367" prev="#ID_2366"> deutung dieses nationalen Wirtschaftsfaktors sich keineswegs erschöpft in der<lb/> bloßen Sicherheitsproduktion, die im Schadenfalle das Fortwirtschaften der<lb/> betroffenen Jndividualkräfte ermöglicht und durch die gewährte Schutzleistung<lb/> die Anspannung und Verwertung dieser Kräfte fördert. Im Wirtschaftsleben<lb/> ist ja — was im allgemeinen viel zu wenig beachtet wird — den einzelnen<lb/> Institutionen neben der eigentlichen Produktionsaufgabe noch eine andere, gleich<lb/> wichtige Aufgabe eigen: die Erziehungsaufgabe. Das wirtschaftliche Getriebe<lb/> muß von der Art sein, daß es die nützlichen Jndividualtriebe und -kräfte nicht<lb/> verkümmern läßt, sie vielmehr zu starker, fortschreitender Entfaltung treibt. Eine<lb/> Betriebsform, bei der zwar eine umfangreiche Versicherungsleistung erzielt, aber<lb/> die Erziehung tüchtiger Willens- und Schaffenskräfte im übrigen vernachlässigt<lb/> wird, würde sozial nicht besonders hoch zu bewerten sein. Dagegen steigt die<lb/> soziale Bedeutung eines Versicherungswesens in dem Maße, als dieses durch<lb/> seinen erzieherischen Einfluß dazu beiträgt, wertvolle Willens an alitäten und<lb/> Fähigkeiten hervorzutreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2368" next="#ID_2369"> Da nun muß gesagt werden, daß die private Betriebsweise im Bereiche<lb/> des Versicherungswesens erzieherisch höchst Bedeutsames geleistet hat und noch<lb/> leistet. Ihr ist das hohe Maß von Intelligenz und Energie zu danken, auf<lb/> dem die heutige Entwicklung der Versicherungstechnik beruht. Nicht im ent¬<lb/> ferntesten wäre diese Entwicklungshöhe erreicht worden, wenn etwa vor hundert<lb/> Jahren an Stelle der privaten Betriebsform die staatliche im Versicherungs¬<lb/> wesen eingeführt worden wäre. Unter dem Drucke des eigenen finanziellen<lb/> Risikos haben sich die privaten Verhinderer bei Aufbietung aller Kräfte bemüht,<lb/> der Schwierigkeiten Herr zu werden, die bei der Befriedigung der verschieden¬<lb/> artigen Versicherungsbedürfnisse sich anstürmten und eine mühsame Pionierarbeit<lb/> erheischten. Und die Versicherungsbedürftigen selbst, die durch keinen gesetz¬<lb/> lichen Zwang geleitet wurden, vielmehr auf eigenes Denken und Entschließen<lb/> angewiesen waren, fühlten sich angeregt, auch ihrerseits durch Ergründung<lb/> ihrer Interessen und durch Formulierung neuer Wünsche zur Vervollkommnung<lb/> der Versicherungseinrichtungen beizusteuern. Im Kampfe mit den — für alle<lb/> Kulturentwicklung so wichtigen — Wünschen freier Konsumenten, von denen er<lb/> abhängig war, mußte der Verhinderer seine Fortschrittskräfte anspannen. Und<lb/> das um so mehr, als die Konkurrenten sich um die Gunst der gleichen Abnehmer¬<lb/> kreise bewarben und deren Wünsche auf das vorteilhafteste zu befriedigen sich<lb/> erboten. Im Wettbewerb bemühte man sich, den Konsumenten über das, was<lb/> er in seinem Interesse verlangen müsse, aufzuklären; das Agentenwesen ins¬<lb/> besondere beteiligte sich mit größtem Nachdruck an dieser Erziehungsarbeit. So<lb/> entspann sich einmal unter den Versicherungsproduzenten einerseits und den<lb/> Versicherungskonsumenten anderseits und daneben wieder unter den einzelnen<lb/> Produzenten ein Kampf von Nachfrage und Angebot und ein Wettbewerb, der<lb/> für die Erzeugung wertvoller Willens- und Schaffenskräfte, Kennwisse und Ein¬<lb/> richtungen von größter Bedeutung war. In diesem ganzen, unter der Herrschaft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
Die Kulturarbeit des privatversichernngsivesens
deutung dieses nationalen Wirtschaftsfaktors sich keineswegs erschöpft in der
bloßen Sicherheitsproduktion, die im Schadenfalle das Fortwirtschaften der
betroffenen Jndividualkräfte ermöglicht und durch die gewährte Schutzleistung
die Anspannung und Verwertung dieser Kräfte fördert. Im Wirtschaftsleben
ist ja — was im allgemeinen viel zu wenig beachtet wird — den einzelnen
Institutionen neben der eigentlichen Produktionsaufgabe noch eine andere, gleich
wichtige Aufgabe eigen: die Erziehungsaufgabe. Das wirtschaftliche Getriebe
muß von der Art sein, daß es die nützlichen Jndividualtriebe und -kräfte nicht
verkümmern läßt, sie vielmehr zu starker, fortschreitender Entfaltung treibt. Eine
Betriebsform, bei der zwar eine umfangreiche Versicherungsleistung erzielt, aber
die Erziehung tüchtiger Willens- und Schaffenskräfte im übrigen vernachlässigt
wird, würde sozial nicht besonders hoch zu bewerten sein. Dagegen steigt die
soziale Bedeutung eines Versicherungswesens in dem Maße, als dieses durch
seinen erzieherischen Einfluß dazu beiträgt, wertvolle Willens an alitäten und
Fähigkeiten hervorzutreiben.
Da nun muß gesagt werden, daß die private Betriebsweise im Bereiche
des Versicherungswesens erzieherisch höchst Bedeutsames geleistet hat und noch
leistet. Ihr ist das hohe Maß von Intelligenz und Energie zu danken, auf
dem die heutige Entwicklung der Versicherungstechnik beruht. Nicht im ent¬
ferntesten wäre diese Entwicklungshöhe erreicht worden, wenn etwa vor hundert
Jahren an Stelle der privaten Betriebsform die staatliche im Versicherungs¬
wesen eingeführt worden wäre. Unter dem Drucke des eigenen finanziellen
Risikos haben sich die privaten Verhinderer bei Aufbietung aller Kräfte bemüht,
der Schwierigkeiten Herr zu werden, die bei der Befriedigung der verschieden¬
artigen Versicherungsbedürfnisse sich anstürmten und eine mühsame Pionierarbeit
erheischten. Und die Versicherungsbedürftigen selbst, die durch keinen gesetz¬
lichen Zwang geleitet wurden, vielmehr auf eigenes Denken und Entschließen
angewiesen waren, fühlten sich angeregt, auch ihrerseits durch Ergründung
ihrer Interessen und durch Formulierung neuer Wünsche zur Vervollkommnung
der Versicherungseinrichtungen beizusteuern. Im Kampfe mit den — für alle
Kulturentwicklung so wichtigen — Wünschen freier Konsumenten, von denen er
abhängig war, mußte der Verhinderer seine Fortschrittskräfte anspannen. Und
das um so mehr, als die Konkurrenten sich um die Gunst der gleichen Abnehmer¬
kreise bewarben und deren Wünsche auf das vorteilhafteste zu befriedigen sich
erboten. Im Wettbewerb bemühte man sich, den Konsumenten über das, was
er in seinem Interesse verlangen müsse, aufzuklären; das Agentenwesen ins¬
besondere beteiligte sich mit größtem Nachdruck an dieser Erziehungsarbeit. So
entspann sich einmal unter den Versicherungsproduzenten einerseits und den
Versicherungskonsumenten anderseits und daneben wieder unter den einzelnen
Produzenten ein Kampf von Nachfrage und Angebot und ein Wettbewerb, der
für die Erzeugung wertvoller Willens- und Schaffenskräfte, Kennwisse und Ein¬
richtungen von größter Bedeutung war. In diesem ganzen, unter der Herrschaft
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